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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
CDS
Cambridge Depersonalisation Scale - deutsche Fassung (Trait-Version)
Kurzabstract
Die deutsche Version der CDS erfasst die Kernsymptome des Depersonalisation-Derealisations-Syndroms hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit und -dauer. Die CDS umfasst die übersetzten 29 Items der englischen Originalversion sowie ein durch die deutschen Autoren ergänztes Item, das jedoch nicht in die Routine-Auswertung einfließt. Die in den Items beschriebenen Symptome werden hinsichtlich ihrer Frequenz in den letzten 6 Monaten und hinsichtlich ihrer jeweiligen Dauer eingeschätzt. Anhand einer kanonischen Diskriminanzfunktion wurden die neun differenzierungsfähigsten Items ermittelt und zur Kurzskala CDS-9 zusammengestellt. Reliabilität: Cronbachs Alpha lag bei Alpha = .95, für die Kurzskala bei Alpha = .92. Nach einem Intervall von 10-14 Tagen ergab sich eine Retestreliabilität von rtt = .89 für die CDS und rtt = .86 für die CDS-9. Validität: Korrelationsanalysen ergaben bedeutsame Zusammenhänge der CDS zu den Skalen des Fragebogens zu Dissoziativen Symptomen (FDS). Die CDS konnte darüber hinaus gut zwischen Gruppen differenzieren, die anhand des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV Dissoziative Störungen (SKID-D) als Patienten mit pathologischer oder ohne pathologische Depersonalisation diagnostiziert worden waren.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2019). Open Test Archive: CDS. Cambridge Depersonalisation Scale - deutsche Fassung (Trait-Version). Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9005261
Zitierung
Michal, M. (2005). CDS. Cambridge Depersonalisation Scale - deutsche Fassung (Trait-Version) [Verfahrensdokumentation und Fragebogen]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.6482
Kurzinformationen
Kurzname CDS
Engl. Name Cambridge Depersonalization Scale - German version
Autoren Michal, M.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2005
Copyright/Lizenz Copyright Autoren; CC-BY-NC-ND 3.0
Schlagworte Depersonalisation, Dissoziative Störungen, Entfremdung, Körperbewusstsein, Selbstwahrnehmung, Ich-Identität
Sprachversionen deu
Konstrukt Depersonalisation-Derealisations-Syndrom
Altersbereich Erwachsene
Itemzahl 30 Items; 9 Items (CDS-9, Kurzskala)
Subskalen Keine; Depersonalisation mit oder ohne Derealisation
Durchführungszeit ca. 20 Min. (Langversion); ca. 5-10 Min (CDS-9)
Auswertungsdauer Wenige Minuten.
Interne Konsistenz: Cronbachs Alpha = .95, Alpha = .92 (CDS-9). Retestreliabilität: rtt = .89, rtt = .86 (CDS-9) (Intervall: 10-14 Tage).
Befunde zur konvergenten Validität; Mittelwertunterschiede zwischen Gruppen (pathologische vs. ohne pathologische Depersonalisation).
Keine; Mittelwelwerte und SD, Cut-off-Wert.
Anwendungsbereich Klinische Diagnostik, Forschung
Diagnostische Zielsetzung
Die deutsche Version der Cambridge Depersonalisation Scale (CDS) erfasst die Kernsymptome des Depersonalisation-Derealisations-Syndroms hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit und -dauer. Die inhaltliche Komplexität und ökonomische Anwendung des Selbstauskunftsinstruments erlaubt den Einsatz sowohl in der individuellen klinischen Diagnostik als auch in der Erforschung des Syndroms.
Aufbau
Die CDS umfasst die übersetzten 29 Items der englischen Originalversion sowie ein durch die deutschen Autoren ergänztes Item, das jedoch nicht in die Routine-Auswertung einfließt. Die in den Items beschriebenen Symptome werden fünfstufig hinsichtlich ihrer Frequenz in den letzten 6 Monaten und sechsstufig hinsichtlich ihrer jeweiligen Dauer eingeschätzt.
Grundlagen und Konstruktion
Die Übersetzung der englischen Originalversion der Cambridge Depersonalisation Scale (Sierra & Berrios, 2000) durch Michal wurde bezüglich Übersetzungstreue und Verständlichkeit überprüft. Die vorliegende Version wurde bei einer Stichprobe von 91 stationären Psychotherapiepatienten eingesetzt und hinsichtlich ihrer Gütekriterien untersucht. Anhand einer kanonischen Diskriminanzfunktion wurden die 9 differenzierungsfähigsten Items ermittelt und zur Kurzskala CDS-9 zusammengestellt.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Die Analyse der internen Konsistenz ergab für die CDS ein Cronbachs Alpha von .95, für die Kurzskala von .92. Nach einem Intervall von 10-14 Tagen ergab sich eine Retestreliabilität von .89 für die CDS und .86 für die CDS-9.
Validität: Korrelationsanalysen ergaben bedeutsame Zusammenhänge der CDS zu den Skalen des Fragebogens zu Dissoziativen Symptomen (FDS). Die CDS konnte darüber hinaus gut zwischen Gruppen differenzieren, die anhand des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV Dissoziative Störungen (SKID-D) als Patienten mit pathologischer oder ohne pathologische Depersonalisation diagnostiziert worden waren.
Normen: Von der untersuchten Stichprobe der 91 stationären Patienten liegen Mediane, Mittelwerte und Standardabweichungen vor. Für die CDS und die CDS-9 wurde jeweils ein optimaler Cut-off-Wert bestimmt.
Testkonzept
Theoretischer Hintergrund
Die Cambridge Depersonalisation Scale (CDS; Sierra & Berrios, 2000) ist ein Selbstauskunftsinstrument zur Erfassung des Depersonalisations-Derealisations-Syndroms. Michal et al. (2004) stellen die übersetzte deutschsprachige Version der CDS vor.
Bei der Depersonalisation (DP) empfindet der Betroffene seine eigenen Gefühle und Erfahrungen als losgelöst von sich, fern, und verloren. Bei der Derealisation (DR) erscheinen Objekte, Menschen oder die Umgebung unwirklich und fern. Folgende Phänomene des Depersonalisations-Derealisations-Erlebens werden durch die Items der CDS abgebildet: visuelle Derealisation, Veränderung des Körbererlebens, emotionale Taubheit, Veränderung des Gefühls der Ich-Aktivität, Veränderung des Gedächtnisbezuges, Deja-vu-Erlebnisse, Mikroskopie, Autoskopie (Michal et al., 2004, S. 369).
Obwohl Depersonalisation und Derealisation ein häufiges Phänomen im Rahmen psychischer und organischer Störungen darstellen (Steinberg, 1991) und verschiedene Studien ihre Bedeutung für Nosologie, Verlauf und Behandlung unterschiedlicher psychischer Störungen belegen (Gill & Lambourn, 1979; Golombek, 2001; Kaplan & Klinetob, 2000; Maggini, Raballo & Salvatore, 2002), wird DP-DR nur selten bei der Befunderhebung erfasst. Diesem Manko wollen die Autoren entgegenwirken, indem sie mit der deutschen Version der CDS ein Selbstauskunftsinstrument vorlegen, das eine umfassende und zugleich ökonomische Erfassung des Syndroms erlaubt. Bislang lag in diesem Bereich als deutschsprachiges Testverfahren nur der Fragebogen zu Dissoziativen Symptomen vor (FDS; Freyberger, Spitzer & Stieglitz, 1999), die deutsche Version der Dissociative Experiences Scale (DES; Bernstein & Putnam, 1986). DP-DR wird dort jedoch lediglich anhand von 6 Items erfasst. Ziel der Autoren der deutschsprachigen CDS ist sowohl die Befruchtung von Forschungsprojekten, die sich um eine komplexe Beschreibung des Phänomens der DP-DR bemühen, als auch die Unterstützung des einzelnen Diagnostikers.
Testaufbau
Die deutsche Version der CDS besteht aus 30 Items, wobei 29 Items die Übersetzung der englischen Originalversion (Sierra & Berrios, 2000) bilden und ein weiteres Item (Item Nr. 30) durch die Autoren der deutschen Version ergänzt wurde, das jedoch in die Routineauswertung nicht einfließt. Die in den Items beschriebenen Phänomene werden durch den Teilnehmer hinsichtlich ihrer Häufigkeit und ihrer Dauer in den letzten sechs Monaten eingeschätzt. Für die Einstufung der Häufigkeit steht folgende Antwortskala zur Verfügung: 0 = nie, 1 = selten, 2 = oft, 3 = sehr oft, 4 = andauernd. Die Dauer wird wie folgt eingestuft: 1 = ein paar Sekunden, 2 = ein paar Minuten, 3 = ein paar Stunden, 4 = etwa einen Tag, 5 = mehr als einen Tag, 6 = mehr als eine Woche. Die Antworten werden über beide Einschätzungen und die 29 Items hinweg zu einem Summenrohwert addiert.
Die aus den 29 Items extrahierte Kurzskala CDS-9 enthält 9 Items.
Auswertungsmodus
Der Summenrohwert wird durch die Addition der beiden Einschätzungen von Häufigkeit und Dauer über die 29 Items bei der Langversion CDS bzw. über 9 Items bei der Kurzskala CDS-9 gebildet. Bei der Gesamtskala sind somit Werte von 0 bis 290 möglich und bei der Kurzskala CDS-9 Werte von 0 bis 90. Die Skalenwerte spiegeln unter Berücksichtigung der Häufigkeit und der Dauer der erlebten Phänomene die Schwere des Depersonalisationserlebens insgesamt wider (Michal et al., 2004, S. 369).
Der Summenrohwert kann mit dem vorgeschlagenen Cut-off-Wert der jeweiligen Testversion verglichen werden.
Auswertungshilfen
Die vom Auswerter zu addierenden Punktwerte der einzelnen Antwortstufen sind direkt im Fragebogen angegeben. Der ermittelte Summenrohwert kann mit dem Cut-off-Wert der jeweiligen Testversion verglichen werden, für den Sensitivität und Spezifität angegeben werden und die Receiver Operating Characteristic (ROC) abgebildet ist (Michal et al., 2004, S. 372).
In Übersichtstabellen berichten Michal et al. (2004, S. 370) Median, Mittelwert und Standardabweichung der CDS für vier bzw. zwei anhand der Schwere des Depersonalisations-Syndroms gebildete Gruppen (nicht vorhanden, leicht, mäßig, schwer bzw. pathologische Depersonalisation vs. keine pathologische Depersonalisation).
Auswertungszeit
Die Auswertung erfordert lediglich das Aufsummieren der Punktwerte der einzelnen Antworten und ist daher innerhalb weniger Augenblicke möglich.
Itembeispiele
Anmerkung: Da die aufgrund ihrer Differenzierungsfähigkeit für die Kurzskala CDS-9 ausgewählten neun Items laut Autoren "inhaltlich die Kernsymptome des Depersonalisations-Derealisations-Syndroms (Ausnahme Gefühlsverlust)" abdecken, werden sie hier als Beispiele für den gesamten Fragebogen aufgeführt (Nummern entsprechen Itemnummern in der CDS):
1. Aus heiterem Himmel fühle ich mich fremd, als ob ich nicht wirklich wäre oder als ob ich von der Welt abgeschnitten wäre.
2. Was ich sehe, sieht "flach" oder "leblos" aus, so als ob ich ein Bild anschaue.
11. Vertraute Stimmen (einschließlich meiner eigenen) klingen entfernt oder unwirklich.
13. Ich erlebe mich wie abgetrennt von meiner Umgebung oder diese erscheint mir unwirklich, so als ob ein Schleier zwischen mir und der äußeren Welt wäre.
14. Es kommt mir vor, als ob Dinge, die ich kürzlich getan habe, bereits lange Zeit zurückliegen. Zum Beispiel etwas, was ich heute morgen getan habe, kommt mir vor, als ob ich es bereits vor Wochen gemacht hätte.
16. Ich komme mir wie abgetrennt von Erinnerungen an Ereignisse meines Lebens vor, so als ob ich nicht daran beteiligt gewesen wäre.
23. Es kommt mir vor, als ob ich mich außerhalb meines Körpers befinde.
24. Wenn ich mich bewege, habe ich nicht den Eindruck, dass ich meine Bewegungen steuere, so dass ich mir "automatenhaft" und mechanisch vorkomme, als ob ich ein "Roboter" wäre.
27. Ich muss mich selbst anfassen, um mich zu vergewissern, dass ich einen Körper habe und wirklich existiere.
Items
- Aus heiterem Himmel fühle ich mich fremd, als ob ich nicht wirklich wäre oder als ob ich von der Welt abgeschnitten wäre.
- Was ich sehe, sieht "flach" oder "leblos" aus, so als ob ich ein Bild anschaue.
- Teile meines Körpers kommen mir vor, als ob sie nicht zu mir gehören würden.
- Ich verspürte keine Furcht in Situationen, die man normalerweise als beängstigend oder belastend erlebt.
- Meine Lieblingsaktivitäten kann ich nicht mehr genießen.
- Während ich etwas tue, habe ich das Gefühl, als ob ich ein von mir "abgetrennter Beobachter" meiner selbst wäre.
- Der Geschmack von Speisen ruft bei mir weder Genuss noch Ekel hervor.
- Mein Körper scheint sehr leicht zu sein, so als ob er in der Luft schwebt.
- Wenn ich weine oder lache, kommt es mir vor, als ob ich dabei keine Gefühle empfinde.
- Ich habe die Empfindung, als ob ich überhaupt keine Gedanken mehr hätte. Wenn ich spreche, kommt es mir vor, als ob ein "Roboter" die Worte äußert.
- Vertraute Stimmen (einschließlich meiner eigenen) klingen entfernt oder unwirklich.
- Ich habe das Gefühl, als ob meine Hände oder Füße kleiner oder größer geworden wären.
- Ich erlebe mich wie abgetrennt von meiner Umgebung oder diese erscheint mir unwirklich, so als ob ein Schleier zwischen mir und der äußeren Welt wäre.
- Es kommt mir vor, als ob Dinge, die ich kürzlich getan habe, bereits lange Zeit zurückliegen. Zum Beispiel etwas, was ich heute morgen getan habe, kommt mir vor, als ob ich es bereits vor Wochen gemacht hätte.
- Während ich ganz wach bin, habe ich "Traumbilder", in denen ich mich wie von außerhalb sehe, so als ob ich mein Bild in einem Spiegel betrachte.
- Ich komme mir wie abgetrennt von Erinnerungen an Ereignisse meines Lebens vor, so als ob ich nicht daran beteiligt gewesen wäre.
- Eine neue Situation kommt mir so vor, als ob ich sie bereits schon einmal erlebt hätte.
- Aus heiterem Himmel bemerke ich, dass ich jede emotionale Verbundenheit mit Familienmitgliedern und engen Freunden verliere.
- Gegenstände in meiner Umgebung kommen mir kleiner oder weiter entfernt liegend vor.
- Es kommt mir so vor, als ob ich Gegenstände, die ich berühre, nicht richtig spüre, so als ob ich nicht derjenige wäre, der sie berührt.
- Ich scheine nicht fähig zu sein, mir Dinge bildlich vorzustellen, zum Beispiel das Gesicht eines vertrauten Freundes oder einen vertrauten Ort.
- Wenn ein Teil meines Körpers schmerzt, komme ich mir so abgelöst von dem Schmerz vor, "als ob es der Schmerz eines anderen wäre".
- Es kommt mir vor, als ob ich mich außerhalb meines Körpers befinde.
- Wenn ich mich bewege, habe ich nicht den Eindruck, dass ich meine Bewegungen steuere, so dass ich mir "automatenhaft" und mechanisch vorkomme, als ob ich ein "Roboter" wäre.
- Gerüche rufen bei mir weder angenehme Empfindungen noch Ekel hervor.
- Ich komme mir wie abgelöst von meinen Gedanken vor, so als ob diese unabhängig von mir existieren.
- Ich muss mich selbst anfassen, um mich zu vergewissern, dass ich einen Körper habe und wirklich existiere.
- Es kommt mir vor, als ob ich körperliche Empfindungen (z.B. Hunger und Durst) verloren habe, so dass Essen oder Trinken mir wie eine automatische Routine erscheint.
- Früher vertraute Plätze erscheinen mir fremd, so als ob ich sie zuvor nie gesehen hätte.
- Wenn ich in den Spiegel schaue, kommt es mir vor, als ob ich mich nicht darin erkenne.
(Das Zusatzitem Nr. 30 geht nicht in die Scorebildung ein)
Durchführung
Testformen
Die deutsche Version der Cambridge Depersonalisation Scale (Michal et al., 2004) entspricht weitgehend der englischen Originalfassung (Sierra & Berrios, 2000). Neben der deutschsprachigen Langform wurde eine Kurzskala mit 9 Items (CDS-9) erstellt. Neben der hier beschriebenen Trait-Version des Fragebogens existiert auch eine State-Version (22 Items) zur Erfassung des aktuellen Depersonalisationserlebens, die derzeit empirisch überprüft wird.
Altersbereiche
Das Verfahren ist für Erwachsene konzipiert, spezifische Altersgrenzen werden nicht angegeben.
Durchführungszeit
Die Durchführung der Langversion (30 Items) inklusive Instruktion beansprucht ca. 20 Minuten; die Durchführung der Kurzskala CDS-9 (9 Items) ist innerhalb von weniger als ca. 5-10 Minuten möglich.
Material
Der Fragebogen der deutschen Version der CDS kann als PDF-Dokument aus dem Internet herunterladen werden. Außer einem Schreibgerät ist kein weiteres Material vorgesehen.
Instruktion
Die Druckvorlage des Fragebogens enthält eine kurze Instruktion zur Benutzung der beiden Antwortskalen zu Häufigkeit und Dauer der Erlebnisse.
Durchführungsvoraussetzungen
Michal et al. (2004) nennen keine konkreten Durchführungsvoraussetzungen.
Testkonstruktion
Die Entwicklung der englischen Originalversion der CDS durch Berrios und Sierra (1997; Sierra & Berrios, 1998, 2000) beruht auf ihrer "eingehenden Beschäftigung mit Geschichte und Phänomenologie der Depersonalisation sowie dem Sammeln eigener reicher klinischer Erfahrung" (Michal et al., 2004, S. 369).
Die Übersetzung der englischen Originalversion ins Deutsche durch Michal wurde von einem bilingualen Akademiker kontrolliert, an Patienten mit und ohne Depersonalisation hinsichtlich ihrer Verständlichkeit erprobt und von Berrios hinsichtlich der Übersetzungstreue geprüft. Die Items wurden möglichst konkret und mit großer Nähe zum Depersonalisationserleben formuliert.
Zu den 29 übersetzten Items haben die Autoren der deutschen Version ein weiteres Item angefügt, welches das Erleben beschreibt, sich selbst beim Blick in den Spiegel nicht zu erkennen. Dieses Item fließt nicht in die Routine-Auswertung der deutschen Version der CDS ein.
Die Analyse der Testkennwerte gemäß der Klassischen Testtheorie erfolgte an einer Stichprobe von n = 91 konsekutiv rekrutierten stationären Psychotherapiepatienten. Bei 43 Patienten (47%) wurde mittels des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV Dissoziative Störungen (SKID-D; Gast, Oswald, Zündorf & Hofmann, 2000) ein klinisch relevantes Depersonalisations-Derealisations-Syndrom diagnostiziert. Die Patientengruppen mit und ohne pathologische Depersonalisation unterscheiden sich nicht signifikant hinsichtlich des Alters (M = 30.6 bzw. 30.3 Jahre), des Geschlechts (Anteil der Frauen 79% bzw. 77%) und des Schulabschlusses. Patienten mit Depersonalisation weisen eine signifikant höhere Zahl komorbider Achse-I- und Achse-II-Störungen auf (Michal et al., 2004, S. 371). Die Depersonalisation begann durchschnittlich im Alter von 15.9 Jahren (SD = 11.3) und dauerte im Mittel bereits 14.7 Jahre an (SD = 13.4; S. 370).
Die Trennschärfe-Koeffizienten der Items liegen zwischen .29 und .83. Die Analyse der Ergebnisse für die gesamte CDS sowie für die positiv beantworteten Items ergibt, dass mit zunehmender Schwere der Depersonalisation nach SKID-D "mehr Erlebniszugänge des Selbst betroffen sind und die Depersonalisationsphänomene häufiger und mit größerer Dauer erlebt werden" (Michal et al., 2004, S. 370).
Anhand einer kanonischen Diskriminanzfunktion wurden die 9 differenzierungsfähigsten Items (Ladungen > .4 in der Strukturmatrix) ermittelt und zur Kurzskala CDS-9 zusammengestellt.
Im Vergleich zur englischsprachigen Originalversion der CDS liegt der von Michal et al. (2004, S. 372) berichtete optimale Cut-off-Wert 5 Punkte niedriger bei 65.
Gütekriterien
Objektivität
Aufgrund der Fragebogenform und der schriftlichen Instruktion ist die Durchführungsobjektivität gewährleistet. Die vorgegebenen Antwortalternativen und der Cut-Off-Wert stellen Auswertungs- und Interpretationsobjektivität sicher.
Reliabilität
Die interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) und die Split-half-Reliabilität (Guttmannn) der CDS liegen für die Gesamtstichprobe der Patienten mit und ohne Depersonalisation (n = 91; siehe unter "Testkonstruktion") jeweils bei .95 (Michal et al., 2004, S. 370). Für die Kurzskala CDS-9 ergaben sich Cronbachs Alpha = .92 und Guttmann Split-half = .90 (S. 372)
Die Retestreliabilität (Spearman-Rho) liegt für die CDS nach 10-14 Tagen bei rtt = .89 (n = 67), für die Kurzskala CDS-9 bei rtt = .86 (Michal et al., 2004, S. 371 f.).
Validität
Zur Konstruktvalidierung wurden die in Tabelle 1 ersichtlichen Korrelationen der CDS mit den Schweregradeinteilungen des SKID-D (Gast et al., 2000) sowie mit den Skalen des Fragebogens zu Dissoziativen Symptomen (FDS; Freyberger et al., 1999) ermittelt. Beim Vergleich der Patienten mit und ohne pathologische Depersonalisation ergaben sich signifikante Unterschiede (Mann-Withney-U-Test) sowohl hinsichtlich ihres CDS-Ergebnisses als auch hinsichtlich der SKID-D-Schweregradeinteilungen und der FDS-Skalenwerte (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1
Korrelation der CDS mit Skalen des SKID-D und des FDS sowie Skalenmittelwerte der Patientengruppen mit und ohne pathologische Depersonalisation bei CDS, SKID-D und FDS (Michal et al., 2004, S. 371)
Patientengruppe mit/ ohne pathologische Depersonalisation | |||
---|---|---|---|
rtc | M | M | |
SKID-D: Depersonalisation | .16 - .69 | 3.4 | 1.5 |
SKID-D: Derealisation | .19 - .66 | 2.7 | 1.0 |
SKID-D (Gesamt-Schweregrad) | .18 - .71 | ||
FDS | .76 | 28.0 | 10.6 |
FDS: Konversion | .62 | 23.4 | 7.5 |
FDS: DES | .74 | 31.7 | 12.4 |
FDS: Taxon-DES | .74 | 25.7 | 7.3 |
FDS: Absorption | .64 | 37.4 | 18.6 |
FDS: Amnesie | .58 | 17.6 | 5.5 |
FDS: Depersonalisation | .75 | 32.5 | 9.8 |
CDS | - | 106.98 | 40.1 |
n | 91 | 48 | 43 |
Zur Absicherung der diskriminanten Validität wurden die Skalenkorrelationen auch getrennt für die beiden Patientengruppen bestimmt. Bei Patienten mit Depersonalisation korreliert die CDS nach Bonferroni-Korrektur signifikant auf Skalenebene nur mit der Depersonalisationsskala des FDS (Spearman-Rho rtc = .46), nicht jedoch mit den anderen Skalen des FDS und der SCL-90-R (Symptom-Checkliste von Derogatis - Deutsche Version; Franke, 1995). Bei Patienten ohne Depersonalisation zeigen sich signifikante Korrelationen mit allen Skalen des FDS (Spearman-Rho rtc = .45 - .71) sowie mit der Skala Psychotizismus der SCL-90-R (Spearman-Rho rtc = .52; Michal et al., 2004, S. 371).
Die Screeningeigenschaften der CDS und der Kurzskala CDS-9 wurden durch die Analyse der Receiver Operating Characteristics (ROC) ermittelt. Für den Cut-off-Wert der CDS von 65 ergaben sich eine Sensitivität von 76.7% und eine Spezifität von 87.5%. Beim Cut-off-Wert der CDS-9 von 19 liegt die Sensitivität bei 90.7% und die Spezifität bei 87.5% (Michal et al., 2004, S. 372).
Normierung
In der Stichprobe von N = 91 stationären Psychotherapiepatienten (siehe unter "Testkonstruktion") wurde für die CDS sowie für die Kurzskala CDS-9 jeweils ein optimaler Cut-off-Wert ermittelt, für den jeweils Sensitivität und Spezifität angegeben werden. Die Stichprobe wird bezüglich ihres Alters, Geschlechts, Schulabschlusses und des Auftretens komorbider Störungen beschrieben; der Erhebungszeitraum wird nicht genannt.
Eine Tabelle (Michal et al., 2004, S. 370) liefert für die vier anhand des SKID-D-Schweregrades der Depersonalisation eingeteilten Gruppen (Depersonalisation nichtvorhanden, leicht, mäßig, schwer) die Mediane, Mittelwerte und Standardabweichungen für folgende Testwerte:
- CDS insgesamt,
- CDS-Median positiver Items,
- CDS-Score der positiven Items,
- CDS-Frequenz der positiven Items,
- CDS-Dauer der positiven Items.
Anwendungsmöglichkeiten
Ziel der CDS ist die "umfassende Erhebung des Depersonalisations-Derealisations-Syndroms bei klinischen Stichproben" (Michal et al., 2004, S. 372). Als Selbstauskunftsinstrumente mit guten Screeningeigenschaften bieten sich die CDS und die Kurzskala CDS-9 zum einen für die Diagnose des Syndroms im Einzelfall an. Hierbei ermöglicht die Ausrichtung der Items auf die letzten sechs Monate auch die Evaluation der Therapie (S. 373). Aufgrund der komplexen Erfassung der Phänomenologie des Syndroms kann die CDS zum anderen Forschungsprojekte zur klinisch-therapeutischen Bedeutung des Syndroms unterstützen.
Die Ökonomie des Verfahrens und seine kostenfreie Verfügbarkeit im Internet stellen Vorteile in beiden Einsatzbereichen dar. Im Vergleich zum FDS bildet die CDS aufgrund ihrer größeren Itemzahl das Depersonalisationssyndrom zugleich komplexer und hinsichtlich einzelner Symptome spezifischer ab (Michal et al., 2004, S. 373).
Bewertung
Die deutsche Version der Cambridge Depersonalisation Scale erfasst die Kernsymptome des Depersonalisation-Derealisations-Syndroms zugleich spezifisch und umfassend. Die freie Zugänglichkeit des Fragebogens und seine ökonomische Anwendung werden seinen Einsatz vor allem in der Beforschung des Syndroms fördern. Die guten Screeningeigenschaften der CDS und der Kurzskala CDS-9 empfehlen ihren Einsatz auch in der Individualdiagnostik und Therapieevaluation. Die Autoren beklagen hier eine mangelnde Beachtung des Syndroms, die seiner nachgewiesenen Bedeutung für Störungsnosologie, -verlauf und -behandlung widerspricht. Inwieweit die Veröffentlichung der CDS die Diagnosevergabe befördern kann, bleibt abzuwarten.
Die berichteten Befunde zur Reliabilität und Validität der deutschen Version der CDS sind viel versprechend, sie beruhen jedoch bislang auf einer Stichprobe von 91 Patienten, davon 43 mit klinisch relevanter Depersonalisation. Der Einsatz des Verfahrens - auch zur Sammlung weiterer Datensätze - ist zu empfehlen.
Erstmals publiziert in:
Michal, M., Sann, U., Niebecker, M., Lazanowsky, C., Kernhof, K., Aurich, S., Overbeck, G., Sierra, M. & Berrios, G.E. (2004). Die Erfassung des Depersonalisations-Derealisations-Syndroms mit der deutschen Version der Cambridge Depersonalisation Scale (CDS). Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 54 (9-10), 367-374. PSYNDEX Dok.-Nr. 0174273
Literatur
Bernstein, E.M. & Putnam, F.W. (1986). Development, reliability, and validity of a dissociation scale. Journal of Nervous and Mental Disease, 174, 727-735.
Berrios, G.E. & Sierra, M. (1997). Depersonalization: a conceptual history. History of Psychiatry, 8, 213-229.
Franke, G.H. (1995). SCL-90-R. Die Symptom-Checkliste von Derogatis - Deutsche Version. Weinheim: Beltz.
Gast, U., Oswald, T., Zündorf, F. & Hofmann, A. (2000). SKID-D. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV. Dissoziative Störungen. Göttingen: Hogrefe. PSYNDEX Dok.-Nr. 9004002
Freyberger, H.J., Spitzer, C. & Stieglitz, R.-D. (1999). Fragebogen zu Dissoziativen Symptomen (FDS). Ein Selbstbeurteilungsverfahren zur syndromalen Diagnostik dissoziativer Symptome. Deutsche Adaptation der Dissociative Experience Scale (DES) von E. Bernstein-Carlson und F.W. Putnam. Bern: Huber.
Gill, D. & Lambourn, J. (1979). Indications for electric convulsion therapy and its use by senior psychiatrists. British Medical Journal, 1, 1169-1171.
Golombek, U. (2001). Progressive Muskelentspannung nach Jacobson in einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Abteilung - empirische Ergebnisse. Psychiatrische Praxis, 28, 402-404. PSYNDEX Dok.-Nr. 0149891
Kaplan, M.J. & Klinetob, N.A. (2000). Childhood emotional trauma and chronic posttraumatic stress disorder in adult outpatients with treatment-resistant depression. Journal of Nervous and Mental Disease, 188, 596-601.
Maggini, C., Raballo, A. & Salvatore, P. (2002). Depersonalization and basic symptoms in schizophrenia. Psychopathology, 35, 17-24.
Michal, M., Sann, U., Niebecker, M., Lazanowsky, C., Kernhof, K., Aurich, S., Overbeck, G., Sierra, M. & Berrios, G.E. (2004). Die Erfassung des Depersonalisations-Derealisations-Syndroms mit der deutschen Version der Cambridge Depersonalisation Scale (CDS). Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 54 (9-10), 367-374. PSYNDEX Dok.-Nr. 0174273
Sierra, M. & Berrios, G.E. (1998). Depersonalization: neurobiological perspectives. Biological Psychiatry, 44, 898-908.
Sierra, M. & Berrios, G.E. (2000). The Cambridge Depersonalization Scale: a new instrument for the measurement of depersonalization. Psychiatry Research, 93, 153-164.
Steinberg, M. (1991). The spectrum of depersonalization: Assessment and treatment. Annual Rewiew of Psychiatry, 10, 223-247.
Wichtige neuere Publikationen
Michal, M., Glaesmer, H., Zwerenz, R., Knebel, A., Wiltink, J., Brähler, E. & Beutel, M. (2011). Base rates for depersonalization according to the 2-item version of the Cambridge Depersonalization Scale (CDS-2) and its associations with depression/anxiety in the general population. Journal of Affective Disorders, 128 (1-2), 106-111. PSYNDEX Dok.-Nr. 0238014
Michal, M., Zwerenz, R., Tschan, R., Edinger, J., Lichy, M., Knebel, A., Tuin, I. & Beutel, M. (2010). Screening nach Depersonalisation-Derealisation mittels zweier Items der Cambridge Depersonalisation Scale. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 60 (5), 175-179. PSYNDEX Dok.-Nr. 0228155
Sierra, M. & Berrios, G.E. (2000). The Cambridge Depersonalization Scale: a new instrument for the measurement of depersonalization. Psychiatry Research, 93, 153-164.
Kontaktdaten
Univ.-Prof. Dr. med. Matthias Michal, Leiter der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Untere Zahlbacher Straße 8, D-55131 Mainz