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Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
SPro
Selbstscreen-Prodrom
Kurzabstract
Der Selbstscreen-Prodrom dient zur Differenzierung zwischen Gesunden, Psychose-(Risiko-)Patienten und Patienten mit anderen ICD-10-Diagnosen in einer ersten Screeningphase. Er wurde innerhalb der FePsy (= Früherkennung von Psychosen)-Studie entwickelt und umfasst 32 Items. Reliabilität: Cronbachs Alpha lag bei Alpha = .90 (Gesamt), Alpha = .89 (Patienten) und Alpha = .75 (Gesunde). Validität: Sowohl Psychose-(Risiko)-Patienten als auch Patienten mit anderen ICD-10-Diagnosen ließen sich von Gesunden anhand der Gesamtskala relativ gut differenzieren. Für den Vergleich zwischen Patienten und Gesunden ergaben sich bei einem Cut-off-Wert > = 6 eine Sensitivität über 85% und eine Spezifität über 81%. Auf der Ebene einzelner Items zeigte sich, dass Psychose-(Risiko)-Patienten im Vergleich zu Gesunden bei allen ausgeführten Symptomen signifikant häufiger angaben, dass diese in den letzten Jahren neu aufgetreten seien. Beim Vergleich von Psychose-(Risiko)-Patienten mit Patienten mit anderen ICD-10-Diagnosen ergaben sich signifikante Unterschiede bei sechs Einzelitems, die zur Subskala "Psychose-Risiko" zusammengefasst wurden. Im Hinblick auf die prädiktive Validität zeigte sich, dass der SPro die psychose-ähnlichen Symptome des SCL-90-R besser vorhersagte als das Eppendorf Schizophrenia Inventory. Die konvergente Validität der SPro-Gesamtskala konnte durch eine hohe Korrelation mit dem SCL-90-R Global Severity Index bestätigt werden.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2019). Open Test Archive: SPro. Selbstscreen-Prodrom. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9006100
Zitierung
Kammermann, J., Stieglitz, R.-D. & Riecher-Rössler, A. (2011). SPro. Selbstscreen-Prodrom [Verfahrensdokumentation und Fragebogen]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.6582
Kurzinformationen
Kurzname SPro
Engl. Name Self-Screen Prodrome
Autoren Kammermann, J., Stieglitz, R.-D., Riecher-Rössler, A.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2011
Copyright/Lizenz Copyright Autoren; CC-BY-NC-ND 3.0
Schlagworte Psychische Störungen, Psychose, Risikoerfassung
Sprachversionen deu
Konstrukt Psychose
Altersbereich 18-60 Jahre
Itemzahl 32 Items
Subskalen (1) psychopathologischen Veränderungen mit unspezifischen, negativen und positiven Symptomen einer Psychose, (2) Funktionsniveau in Bezug auf Arbeit, Ausbildung und Beziehung, (3) Risikofaktoren einer Psychose
Durchführungszeit Wenige Minuten.
Auswertungsdauer Keine Angaben.
Interne Konsistenz: Cronbachs Alpha = .90 (Gesamt), Alpha = .89 (Patienten), Alpha = .75 (Gesunde).
Befunde zur konvergenten und prädiktive Validität; Sensitivität und Spezifität, Unterschiede zwischen gesunden und verschiedenen klinischen Gruppen.
Keine; Referenzdaten: Cut-off-Wert.
Anwendungsbereich Differentialdiagnostik; Therapie, Beratung
Diagnostische Zielsetzung
Der Selbstscreen-Prodrom (SPro; Kammermann, Stieglitz & Riecher-Rössler, 2009) ist ein Selbstbeurteilungsinstrument, welches zur Differenzierung zwischen Gesunden, Psychose-(Risiko)-Patienten und Patienten mit anderen ICD-10-Diagnosen in einer ersten Screeningphase eingesetzt werden soll. Die einfache und vielfältige Anwendung in unterschiedlichen Kontexten macht dieses Selbstbeurteilungsverfahren sehr nützlich als erste Stufe im Screeningprozess und ist geeignet z.B. für Hausarztpraxen, Beratungsstellen oder auch Online-Anwendungen. Gescreente Personen könnten dann an psychiatrische Praxen oder Polikliniken für eine Fremdbeurteilung überwiesen werden oder sich selbst zuweisen. Ziel ist, möglichst viele Personen mit einem Psychose-Risiko in einem frühen Stadium der beginnenden Erkrankung (Prodromal-Phase) zu erkennen.
Aufbau
Der SPro wurde innerhalb der FePsy (= Früh-Erkennung von Psychosen)-Studie entwickelt (Riecher-Rössler et al., 2007). Es umfasst 32 Items. Die Person gibt mit der dichotomen Antwortmöglichkeit "trifft zu/trifft nicht zu" an, ob die Beschwerden bei ihr in den letzten fünf Jahren neu aufgetreten sind. Die Items 1-24 erfassen dabei die psychopathologischen Veränderungen mit unspezifischen, negativen und positiven Symptomen einer Psychose. Die Items 25-29 bilden das Funktionsniveau in Bezug auf Arbeit, Ausbildung und Beziehung ab. Items 30-31 plus eine Zusatzfrage (Item 32) erschließen die möglichen Risikofaktoren einer Psychose, wie genetische Belastung oder Drogenkonsum. Die Items 10, 13, 15, 17, 19 und 32 werden zur Subskala "Psychose-Risiko" zusammengefasst. Wenn der Patient mindestens zwei der sechs Fragen dieser Subskala positiv beantwortet, so sollte er in eine Spezialsprechstunde zur Früherkennung von Psychosen überwiesen werden. Ein Gesamtwert von > = 6 gibt allgemeine Hinweise auf eine psychische Erkrankung.
Grundlagen und Konstruktion
Bei der Entwicklung wurden auf Basis umfangreicher Literaturrecherchen die häufigsten Prodromi, Frühwarnzeichen und Risikoindikatoren einer beginnenden Psychose berücksichtigt. Erfasst werden zum einen positive psychotische Symptome wie Beziehungsideen oder Erleben von Fremdbeeinträchtigungen, zum anderen neu aufgetretene unspezifische Symptome, z. B. Konzentrationsstörungen, erhöhte Sensibilität/Dünnhäutigkeit, depressive Verstimmung oder auch beginnende Veränderung der Wahrnehmung, wie sie aus dem Prodromalstadium der schizophrenen Psychosen bekannt sind. Gleichzeitig wird erhoben, ob es in der letzten Zeit zur Verschlechterung bzgl. des Funktionsniveaus in verschiedenen sozialen Rollen kam, also ob ein sog. "Knick in der Lebenslinie" vorliegt. Dieser zeigte sich in der ABC-Studie (Häfner et al., 1998) als wichtiger Indikator einer beginnenden Psychose. Bei vulnerablen Personen kann der Konsum illegaler Substanzen eine Psychose auslösen (Drewe, Drewe & Riecher-Rössler, 2004). Zusätzlich wurden die psychiatrischen Vorbehandlungen als Indikator einer beginnenden psychiatrischen Störung erfasst. Als unumstrittenen Risikofaktor wird zudem das genetische Risiko erhoben. Im Gegensatz zu anderen Selbstbeurteilungsinstrumenten berücksichtigt die Subskala "Psychose-Risiko" des SPro zusätzlich unspezifische und negative Symptome, die als entscheidende Prodromal-Symptome gelten.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Die Gütekriterien des SPro wurden in einer Stichprobe von insgesamt N = 519 Patienten (n = 81 im Rahmen der FePsy-Studie und n = 438 aus dem allgemeinen klinischen Setting der Psychiatrischen Poliklinik) orientiert an Kriterien der Klassischen Testtheorie überprüft (Kammermann et al., 2009). Faktorielle Struktur: Eine Faktorenanalyse ergab, dass die Bildung eines Gesamtwerts zulässig ist. Dieser Befund konnte zudem in einer späteren Studie mit einer Stichprobe von N = 12 380 männlichen Rekruten bestätigt werden (Mueller et al., 2009). Reliabilität: Die Reliabilität des Gesamtwerts ist als hinreichend bis gut zu bewerten. Über die Gruppen ergab sich ein Cronbach Alpha von a = .90. Bei den Psychose-(Risiko)-Patienten sowie bei Patienten mit anderen psychiatrischen Diagnosen ergab sich ein Cronbach Alpha von a = .89 und bei den Gesunden von a = .75. Validität: Sowohl Psychose-(Risiko)-Patienten als auch Patienten mit anderen ICD-10-Diagnosen liessen sich von Gesunden anhand der Gesamtskala relativ gut differenzieren. Für den Vergleich zwischen Psychose-(Risiko)-Patienten und Gesunden ergaben sich bei einem Cut-off-Wert von > = 6 eine Sensitivität von 85% und eine Spezifität von 91%. Beim Vergleich zwischen Patienten mit anderen Diagnosen und Gesunden betrug die Sensitivität 87%, die Spezifität 81%. Auf der Ebene einzelner Items zeigte sich, dass Psychose-(Risiko)-Patienten im Vergleich zu Gesunden bei allen ausgeführten Symptomen signifikant häufiger angaben, dass diese in den letzten Jahren neu aufgetreten seien. Beim Vergleich von Psychose-(Risiko)-Patienten mit Patienten mit anderen ICD-10-Diagnosen ergaben sich signifikante Unterschiede bei sechs Einzelitems: Psychose-(Risiko)-Patienten berichteten signifikant häufiger über depressive Verstimmung, Konzentrationsstörungen, geringere Belastbarkeit, Veränderung der Wahrnehmung, sich beobachtet/beeinträchtigt fühlen, psychische Erkrankungen in Verwandtschaft. Durch diese sechs Items, die zur Subskala "Psychose-Risiko" zusammengefasst wurden, können Psychose-Risiko-von Patienten mit anderen ICD-10-Diagnosen differenziert werden (Cut-off-Wert: > = 2, Sensitivität: 85% und Spezifität: 39%). Die prädiktive Validität wurde zudem in einer Stichprobe von 920 männlichen Rekruten untersucht, indem psychose-ähnliche Symptome der Symptom Checklist 90 Revised (SCL-90-R) durch den SPro und den Eppendorf Schizophrenia Inventory (ESI) vorhergesagt wurden. Es zeigte sich, dass der SPro die psychose-ähnlichen Symptome des SCL-90-R besser vorhersagte als das ESI (Müller et al., 2010). Die konvergente Validität der SPro-Gesamtskala konnte durch eine hohe Korrelation mit dem SCL-90-R Global Severity Index bestätigt werden (Mueller et al., 2009). Normen: Die Ergebnisinterpretation erfolgt auf Basis des genannten Cut-off-Werts; eine Normierung wurde nicht vorgenommen.
Testkonzept
Items
- Erhöhte Sensibilität, Dünnhäutigkeit
- Überempfindlichkeit
- Irritierbarkeit
- Reizbarkeit
- Nervosität, innere Unruhe
- Schlafstörungen
- Mangel an Energie, Antrieb, Initiative oder Interesse
- Misstrauen
- Ängste
- Depressive Verstimmung
- Weniger Gefühle empfinden
- Starke Stimmungsschwankungen
- Konzentrationsstörungen
- Erhöhte Ablenkbarkeit
- Geringere Belastbarkeit
- Veränderungen von Interessen (z.B. ungewohntes Interesse an Religiösem, Übernatürlichem)
- Veränderung der Wahrnehmung (z.B. ungewöhnliche Dinge hören, sehen, riechen, schmecken)
- Ereignisse und Dinge mehr auf sich beziehen
- Sich beobachtet, beeinträchtigt oder bedroht fühlen
- Sich von anderen beeinflusst oder gesteuert fühlen
- Ungewöhnliche Schwierigkeiten in Beziehungen
- Sich abkapseln, sich zurückziehen, sich isolieren
- Veränderungen im Verhalten (z.B. Selbstgespräche in der Öffentlichkeit)
- Aussagen von anderen, dass sich Ihre Sprache verändert habe (z.B. nicht mehr so recht verständlich sei)
- Auffälliger Leistungsknick, eventuell mit Schwierigkeiten im Beruf, in der Schule usw.
- Vernachlässigung von Aufgaben und Pflichten
- Beruflicher Abstieg
- Verlust des Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes
- Verschlechterung in der Beziehungsfähigkeit (z.B. Partnerschaft, Familie, Beruf)
- Regelmäßigen Konsum von Drogen begonnen (Alkohol, Cannabis, Kokain, Opiate, Beruhigungsmittel)
- Bisherige psychiatrische oder psychologische Behandlung
- Abschließend möchten wir Ihnen noch einige Fragen zu Ihrer Familie stellen. Gab es in Ihrer Blutsverwandtschaft psychische Erkrankungen?
Durchführung
Altersbereiche
Das Selbstscreen-Prodrom ist für Erwachsene ab 18 bis ca. 60 Jahren geeignet.
Durchführungszeit
Wenige Minuten.
Bewertung
Das Selbstscreen-Prodrom ist ein kurzes und nützliches Selbstbeurteilungsinstrument, das als erste Stufe im Screening-Prozess für die Differenzierung zwischen psychisch Kranken und Gesunden eingesetzt werden soll. Mit der Subskala "Psychose-Risiko" können Psychose-(Risiko)-Patienten und Patienten mit anderen psychiatrischen ICD-10-Diagnosen gut differenziert und für ein weiteres Screening herausgefiltert werden.
Erstmals publiziert in:
Kammermann, J., Stieglitz, R.-D. & Riecher-Rössler, A. (2009). "Selbstscreen-Prodrom" - Ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Früherkennung von psychischen Erkrankungen und Psychosen. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie, 77 (5), 278-284. PSYNDEX Dok.-Nr. 0218140
Literatur
Drewe, M., Drewe, J. & Riecher-Rössler, A. (2004). Cannabis and risk of psychosis. Swiss Medical Weekly, 134 (45-46), 659-663.
Häfner, H., Maurer, K., Löffler, W., an der Heiden, W., Munk-Jørgensen, P., Hambrecht, M. & Riecher-Rössler, A. (1998). The ABC schizophrenia study: a preliminary overview of the results. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 33 (8), 380-386. doi: 10.1007/s001270050069 PSYNDEX Dok.-Nr. 0123977
Kammermann, J., Stieglitz, R.-D. & Riecher-Rössler, A. (2009). "Selbstscreen-Prodrom" - Ein Selbstbeurteilungsinstrument zur Früherkennung von psychischen Erkrankungen und Psychosen. [Self-Screen Prodrome"- Self-Rating for the Early Detection of Mental Disorders and Psychoses]. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie, 77 (5), 278-284. doi: 10.1055/s-0028-1109227 PSYNDEX Dok.-Nr. 0218140
Mueller, M., Riecher, A., Kammermann, J., Stieglitz, R.D., Stettbacher, G.A. & Vetter, S. (2009). Prediction of caseness for mental pathology in Swiss conscripts: The Self-Screen Prodrome. Military Medicine, 174 (12), 1270-1275.
Müller, M., Vetter, S., Buchli-Kammermann, J., Stieglitz, R.-D., Stettbacher, A. & Riecher-Rössler, A. (2010). The Self-Screen-Prodrome as a short screening tool for pre-psychotic states. Schizophrenia Research, 123 (2-3), 217-224. doi: DOI: 10.1016/j.schres.2010.08.018
Riecher-Rössler, A., Gschwandtner, U., Aston, J., Borgwardt, S., Drewe, M., Fuhr, P., Pflüger, M., Radü, W., Schindler, C. & Stieglitz, R.D. (2007). The Basel early-detection-of-psychosis (FEPSY)-study - design and preliminary results. Acta Psychiatrica Scandinavica, 115 (2), 114-125. doi: 10.1111/j.1600-0447.2006.00854.x
Wichtige neuere Publikationen
Buchli-Kammermann, J. (2011). Wie können beginnende schizophrene Psychosen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Erwachsenenalter besser erkannt werden? Screening und ein klinisches Interview bei ADHS im Erwachsenenalter. Kumulative Dissertation, Universität Basel, Fakultät für Psychologie, Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie. PSYNDEX Dok.-Nr. 0251895
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Prof. Dr. med. Anita Riecher-Rössler, Emerita, Medizinische Fakultät, Department Klinische Forschung (DKF), Schanzenstrasse 55, CH-4031 Basel, Schweiz
Prof. Dr. Rolf-Dieter Stieglitz, Emeritus, Klinische Psychologie und Psychotherapie, Missionsstrasse 60/62, 4055 Basel, Schweiz