Testinstrumente sortiert
Ansprechpartnerin
Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
SoAg
Social Agency Skala
Kurzabstract
Die Social Agency Skala misst die subjektiv wahrgenommenen Social Agency beim Lesen von schriftlichem Lernmaterial. Basierend auf der Social Agency Theory (Mayer, 2014) umfasst sie 12 Items, die den folgenden vier Facettenzugeordnet sind: (1) Gesprächscharakter, (2) Sympathie und emotionale Verbindung, (3) Erklärungsbemühen und (4) Verarbeitungstiefe. Reliabilität: Die interne Konsistenz der vier Facetten liegt zwischen Cronbachs α = .82. und α = .90. Validität: Die Skala ist inhaltsvalide und durch explorative Faktorenanalysen empirisch gestützt. Signifikante Gruppenunterschiede (Vorgabe personalisierter vs. nicht-personalisierter Lernmaterialien) belegen die Differenzierungsfähigkeit der Skala.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2025). Open Test Archive: SoAg. Social Agency Skala. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9009025
Zitierung
Lindhaus, M. & Dutke, S. (2025). SoAg. Social Agency Skala [Verfahrensdokumentation, Fragebogen]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.20580
Kurzinformationen
Kurzname SoAg
Engl. Name Social Agency Scale
Autoren Lindhaus, M. & Dutke, S.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2025
Copyright/Lizenz Copyright AutorInnen; CC-BY-SA 4.0
Sprachversionen deu
Konstrukt Social Agency
Altersbereich ab 8. Jahrgangsstufe
Itemzahl 12 Items
Subskalen (1) Gesprächscharakter, (2) Sympathie und emotionale Verbindung, (3) Erklärungsbemühen, (4) Verarbeitungstiefe
Durchführungszeit 5-10 Minuten für die Skala (zusätzliche Zeit für Text/Lernmaterial einkalkulieren)
Auswertungsdauer 1 Minute pro Fall (manuell)
Interne Konsistenz: Cronbachs α = .82.-.90.
Angaben zur Inhalts- und Konstruktvalidität. Signifikante Mittelwertunterschiede in der SoAg nach dem Einsatz personalisierter vs. nicht-personalisierter Lernmaterialien.
Keine.
Anwendungsbereich Forschung, Schulkontext
Diagnostische Zielsetzung
Die Social Agency Skala dient der Erfassung der subjektiv wahrgenommenen Social Agency beim Lesen von schriftlichem Lernmaterial. Ziel ist es, zu erfassen, inwiefern Leser/-innen sich als Teil eines virtuellen Kommunikationsprozesses mit den Autor/-innen eines Textes fühlen, diese als sozial präsent wahrnehmen, eine emotionale Verbindung aufbauen, deren Erklärungsbemühen erkennen und motiviert sind, sich intensiver mit dem Textinhalt auseinanderzusetzen.
Aufbau
Die finale Version der Skala besteht aus 12 Items, verteilt auf vier Facetten: (1) Gesprächscharakter [Conversational Character] (CC), (2) Sympathie und emotionale Verbindung [Sympathy and Emotional Connection] (SE), (3) Erklärungsbemühen [Explanatory Effect] (EE) und (4) Verarbeitungstiefe [Task Involvement] (TI). Die Items werden nach dem Lesen eines Lernmaterials auf einer 6-stufigen Likert-Skala (1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft voll und ganz zu“) beantwortet. Es erfolgt eine getrennte Auswertung der Facetten sowie die Bildung eines Gesamtwerts.
Grundlagen und Konstruktion
Die Skala basiert auf der Social Agency Theory (Mayer, 2014) und wurde in mehreren Schritten entwickelt. Nach einer ersten Pilotierung (n = 171) der Vorversion (16 Items) wurde die Skala überarbeitet. Die finale Version wurde erneut erprobt (n = 116) und basiert auf vier theoretisch abgeleiteten Facetten. Die Items wurden konstruiert, um die Wahrnehmung sozialer Präsenz der Autor/-innen und persönliche Eingebundenheit der Leser/-innen differenziert zu erfassen.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Die interne Konsistenz der vier Facetten ist hoch: CC (α = .90), SE (α = .82), EE (α = .82), TI (α = .83).
Validität: Die Inhalte der Skala sind theoretisch fundiert und durch explorative Faktorenanalysen empirisch gestützt. Zwei Pilots tudien (n = 171 und n = 116) mit Experimental- und Kontrollgruppen haben signifikante Unterschiede zwischen personalisierten und nicht-personalisierten Lernmaterialien gezeigt und belegen die Differenzierungsfähigkeit der Skala, insbesondere für die Facetten CC, SE und TI.
Normen: Es liegen keine Normwerte vor.
Testkonzept
Theoretischer Hintergrund
Mayer (2014) nimmt in seiner Social Agency Theory an, dass personalisierte Lernmaterialien eine soziale Aktivierung auslösen, die zu einer tieferen kognitiven Verarbeitung führt und folglich in besseren Lernleistungen resultiert. Auf Grundlage dieser Theorie wurden Annahmen zur inhaltlichen Charakterisierung dieser Variable gemacht und eine Skala zur Messung von Social Agency konstruiert, genannt als Social Agency Skala (SoAg) oder „Skala zur Erfassung von Social Agency“ (Lindhaus et al., 2024). Die Skala besteht aus den folgenden vier aus der Theorie abgeleiteten Facetten: (1) Gesprächscharakter [Conversational Character] (CC), (2) Sympathie und emotionale Verbindung [Sympathy and Emotional Connection] (SE), (3) Erklärungsbemühen [Explanatory Effect] (EE) und (4) Verarbeitungstiefe [Task Involvement] (TI).
Facette 1: Gesprächscharakter [Conversational Character] (CC)
Die erste Facette Gesprächscharakter [Conversational Character] (CC) basiert auf Befunden, die zeigen, dass Social Presence mit einer verbesserten Merkfähigkeit von Studierenden in Verbindung steht (Cobb, 2009; Richardson & Lowenthal, 2017). Da auch die sprachliche Personalisierung von Instruktionsmaterialien in verschiedenen Untersuchungen in einem verbesserten Lernergebnis resultierten, lag die Vermutung nahe, dass Social Presence als Bestandteil der Social Agency Theory Einfluss auf den Personalisierungseffekt (Ginns et al., 2013) ausübt. Zudem zeigte sich, dass Personen, die den Verfassenden eines Textes als präsent wahrnehmen, den Eindruck entwickeln, sich in einem sozialen Austauschprozess zu befinden (Biocca & Harms, 2002; Mayer et al., 2003). Daher wurden Items konstruiert, die erfassen, inwieweit Lesende eines Textes den Autor im Sinne der Instructor Social Presence als anwesend wahrnehmen und infolgedessen den Eindruck haben, mit einer anderen Person zu interagieren.
Beispielitem: „Der Text hat mir das Gefühl vermittelt, mit einer anderen Person zu kommunizieren“.
Facette 2: Sympathie und emotionale Verbindung [Sympathy and emotional Connection] (SE)
Eine weitere Annahme der Social Agency Theory ist, dass Lesende, die die Autorin oder den Autor eines Textes als Person wahrnehmen, eine emotionale Verbindung zu ihr (oder ihm) aufbauen (Moreno et al., 2001), was in der zweiten Facette Sympathie und emotionale Verbindung (SE) aufgegriffen wird. Befunde zeigen, dass Texte, die den/die Leser/-in direkt ansprechen, zu einer größeren Sympathie des/der Lesers/Leserin gegenüber dem Verfasser bzw. der Verfasserin des Textes führen (de Koning & van der Schoot, 2019). Weiterhin stellte sich heraus, dass personalisierte Materialien die wahrgenommene Freundlichkeit der Materialien erhöhen (Ginns et al., 2013; Moreno & Mayer, 2000). Die Sympathie gegenüber der Autorin oder dem Autor des Textes kann demnach ein Indiz dafür sein, ob der/die Leser/-in die Autorin oder den Autor im Rahmen sozialer Skripte bewertet – in Analogie zu einer realen sozialen Interaktion (Mayer et al., 2003). Demnach wurde vermutet, dass Sympathie einen Bestandteil von Social Agency abbilden könnte und somit erfasst werden sollte.
Beispielitem: „Die Autorin/der Autor möchte, dass ich den Text gerne lese.“
Facette 3: Erklärungsbemühen [Explanatory Effect] (EE)
Hat der/die Lesende den Eindruck, in einen sozialen Austauschprozess eingebunden zu sein, sollte er/sie nach dem Cooperation Principle (Grice, 1975) davon ausgehen, dass die Autorin oder der Autor daran interessiert ist, dem/der Lesenden etwas beizubringen und dabei versucht, informativ, akkurat, relevant sowie prägnant zu sein (Mayer et al., 2003). Dieser Prozess (sense-making) führt dazu, dass sich Lernende anstrengen, die Bedeutung der neuen Informationen zu verstehen und beeinflusst, ob das neu Gelernte transferiert werden kann (Atkinson et al., 2005). Bereits der geringfügige Einbau von sozialen Hinweisreizen in einen Text, beispielsweise durch eine sprachbezogene Personalisierung, kann einen signifikanten Einfluss darauf haben, wie gut Lernende das Material verstehen (Mayer, 2014). Daher soll mithilfe dieser Konstruktfacette erfasst werden, inwiefern Lesende die Autorin oder den Autor verstanden und den Text als verständlich wahrgenommen haben.
Beispielitem: „Ich habe eine klare Vorstellung von dem, was der Text beschreibt.“
Facette 4: Verarbeitungstiefe [Task Involvement] (TI)
Weiterhin wird angenommen, dass das Konstrukt Social Agency in Verbindung mit der Motivation steht. Durch personalisierte Lernmaterialien sollten Lernende motivierter sein, den Lerninhalt zu verstehen und sich intensiver mit dem Text auseinanderzusetzen (Dutke et al., 2016; Ginns et al., 2013). Die verstärkte Auseinandersetzung mit dem Text kann zu einer tieferen Verarbeitung des Lerninhaltes führen und konstruktives Lernen fördern (Mayer et al., 2003; Moreno et al., 2001). Nach der Social Agency Theory (Mayer, 2014) resultiert diese erhöhte Motivation, sich mit den Materialien auseinanderzusetzen, aus dem Eindruck, sich in einem sozialen Austauschprozess zu befinden. Somit sollte eine verstärkte Bereitschaft der Auseinandersetzung sowie eine tiefere Verarbeitung Bestandteil von Social Agency sein, was mit der vierten Facette Task Involvement (TI) erfasst wird.
Beispielitem: „Der Text hat mich dazu gebracht, dass ich mich richtig in seine Inhalte vertieft habe.“
Testaufbau
Die SoAg besteht aus 12 Items. Diese verteilen sich auf vier theoretisch abgeleitete Subskalen: Gesprächscharakter [Conversational Character] (CC), Sympathie und emotionale Verbindung [Sympathy and Emotional Connection] (SE), Erklärungsbemühen [Explanatory Effect] (EE) und Verarbeitungstiefe [Task Involvement] (TI).
Die Social Agency Skala kann sowohl digital als Onlinefragebogen als auch in Papierform (Paper-Pencil-Verfahren) eingesetzt werden. Sie wird nach dem Lesen eines Lernmaterials vorgelegt und erfasst, wie stark der/die Leser/-in den Eindruck hat, über das Lernmaterial in einem sozialen Austausch mit dem/der Verfasser/-in des Lernmaterials zu stehen (quasi-soziale Interaktion). Die Skala erfasst somit die subjektiv wahrgenommene soziale Eingebundenheit der Leserin/des Lesers.
Teilnehmende geben ihre Einschätzung zu den Aussagen der Skala auf einer 6-stufigen Likert-Skala ab (1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 6 = „trifft voll und ganz zu“), indem sie angeben, inwieweit sie den einzelnen Aussagen zustimmen.
Auswertungsmodus
Pro Item werden die anhand der 6-stufigen Likert-Skala erfassten subjektiven Zustimmungswerte der Teilnehmer/-innen ausgewertet. Dazu werden Punkte von 1 (= trifft überhaupt nicht zu) bis 6 (= trifft voll und ganz zu) vergeben. Im Anschluss werden die Subskalenwerten für die Facetten CC, SE, EE, TI und der Social Agency Gesamtwert wie folgt gebildet:
- Bildung der Social Agency Facettenwerte:
- Zunächst werden die Summenwerte der der jeweiligen Facetten zugeordneten Items (siehe Tabelle 1) gebildet.
- Achtung: bei negativen Items (Item 10, Item 12) müssen die Werte umkodiert werden.
- Im Anschluss wird der Mittelwert der Facetten gebildet (Summenwert/Anzahl der Items).
- Bildung des Social Agency Gesamtwertes:
- Summe der Mittelwerte der Facetten.
Fehlende Werte fließen mit einer 0 in die Facettenwerte mit ein. Falls die Antwort zu mehr als drei Items fehlt, sollten die Daten der Versuchsperson nicht für die weitere Analyse berücksichtigt werden.
Auswertungshilfen
Angaben zur Auswertung liegen vor (siehe „Auswertungsmodus“).
Auswertungszeit
Der Zeitaufwand für die manuelle Auswertung liegt bei ca. 1 Minute pro Fall. Zur schnelleren und automatisierten Auswertung der Fälle können Skripte (z. B. mithilfe MS Excel oder gängigen Statistikprogrammen) angefertigt werden.
Itembeispiele
Siehe unter „Items“.
Items
Im Folgenden werden die Items mit ihrer zugehörigen Facette tabellarisch aufgeführt.
Tabelle 1
Items und Facettenzuordnung der Items auf Basis der EFA im Rahmen der Pilotstudie (modifiziert nach Lindhaus, Bolin, Weßeling, Oest & Dutke, 2024; Anhang C)
Nr. | Items | Facette |
---|---|---|
1 | Ich hatte während des Lesens das Gefühl, mit dem/der Autor/-in in Kontakt zu sein. | CC |
2 | Der Text hat mir das Gefühl vermittelt, mit einer anderen Person zu kommunizieren. | CC |
3 | Der/Die Autor/-in hat sich Mühe gegeben, diesen Text für mich zu schreiben. | SE |
4 | Ich hatte richtig Lust, den Text bis zum Ende zu lesen. | TI |
5 | Der/Die Autor/-in hat mich dazu angeregt, mich mit den Textinhalten auseinanderzusetzen. | TI |
6 | Der Text bringt die wichtigen Informationen auf den Punkt. | EE |
7 | Ich habe eine klare Vorstellung von dem, was der Text beschreibt. | EE |
8 | Der/Die Autor/-in möchte, dass ich den Text gerne lese. | SE |
9 | Der/Die Autor/-in hat einen freundlichen Text geschrieben. | SE |
10 | Ich hatte während des Lesens nicht das Gefühl, mit dem/der Autor/-in in Kontakt zu sein. | CC |
11 | Der Text hat mich dazu gebracht, dass ich mich richtig in seine Inhalte vertieft habe. | TI |
12 | Ich hatte keine Lust, den Text bis zum Ende zu lesen. | TI |
Anmerkung. Die Bezeichnungen für die Facetten finden sich unter „Testaufbau“.
Durchführung
Testformen
Der Test wird als Einzeltest durchgeführt, um die subjektiv wahrgenommene Social Agency des Lesers/der Leserin hervorgerufen durch einen vorher präsentierten Text zu erfassen. Der Fragebogen kann digital als Onlinefragebogen durchgeführt werden oder als ausgedruckte Version im Paper-Pencil-Format.
Altersbereiche
Die Social Agency Skala ist für Erwachsene und Jugendliche ab der 8. Klasse erprobt.
Durchführungszeit
Die Testdurchführung steht in Abhängigkeit von einem vor der Social Agency Skala präsentierten Text und somit ist die Durchführungszeit abhängig von der Textlänge. Die reine Ausfüllzeit des Social Agency Fragebogens beträgt je nach Alter der Testpersonen 5 bis 10 Minuten.
Material
Zu dem durch die Testleitung ausgewählten Lerninhalt wird ein Text bzw. sonstiges Lernmaterial benötigt. Die Wahl der Texte für die anhand des Fragebogens die Social Agency gemessen werden soll, kann frei gewählt werden (z. B. Sachtexte, narrative Texte, Informationstexte, wie z. B. E-Mails, Informationsschreiben). Zudem wird der Fragebogen inkl. Instruktionen benötigt (siehe auf der Skala) benötigt. Der Fragebogen in Paper-Pencil-Form und die vorliegende Verfahrensdokumentation können unter „Downloads“ heruntergeladen werden. Des Weiteren wird ein Schreibgerät oder eine technische Ausstattung für eine Online-Erhebung benötigt.
Instruktion
Im Folgenden wird die standardisierte Instruktion vorgegeben:
"Instruktion:
Im Folgenden erhältst Du mehrere Aussagen, die sich auf den gerade gelesenen Text beziehen. Bitte schätze ein, inwieweit Du den Aussagen jeweils zustimmst oder nicht zustimmst. Bitte gib für jede Aussage eine Einschätzung ab und setze jeweils nur ein Kreuz pro Aussage.
Ein wichtiger Hinweis zur Bearbeitung:
Die Aussagen beziehen sich nicht auf die fachlichen Inhalte des Textes, sondern auf die Art und Weise, wie der Text geschrieben ist und wie er auf Dich persönlich wirkt.
Ein Beispiel: Die Aussage „Mir gefällt es, wie die Autorin/der Autor mich anspricht.“ Meint nicht, dass Du Dich von den Inhalten des Textes angesprochen fühlst, sondern dass dir der Schreibstil, den die Autorin/der Autor gewählt hat, gefällt. Bitte behalte diesen Hinweis beim Lesen der Aussagen im Kopf.
Bitte gib nun an, inwieweit die Aussagen auf Dich zutreffen."
Durchführungsvoraussetzungen
Der Fragebogen sollte in Einzelarbeit ausgeführt werden, da er die subjektiv wahrgenommene Social Agency des Individuums erfasst. Social Agency ist ein Merkmal, das in der Auseinandersetzung mit einem Lernmaterial entsteht. Es kann deshalb nur gemessen werden, wenn die Person mit einem konkreten Lernmaterial konfrontiert wird.
Testkonstruktion
Die 16 Items umfassende ursprüngliche Fassung der Social Agency Skala wurde zunächst in Form einer Onlineumfrage an einer Stichprobe von N = 171 Versuchspersonen (Studierende und Teilnehmer/-innen einer offenen Onlineumfrage) pilotiert. Ihre Items wurden auf Grundlage der Pilotierungsergebnisse angepasst. Die überarbeitete, finale Skala besteht aus 12 Items und wurde in einem zweiten Schritt an einer Stichprobe von N = 116 Studierenden erneut untersucht. In beiden Schritten erhielten die Versuchspersonen zur Pilotierung der Social Agency Skala unterschiedliche Textvarianten zum Herz-Kreislauf-System. Die Experimentalgruppe erhielt eine personalisierte Textversion, während die Kontrollgruppe eine nichtpersonalisierte Variante des gleichen Textes bekam (für ausführliche Pilotierungsergebnisse siehe unter „Validität“). In anschließenden Hauptuntersuchungen wurde die Social Agency Skala an größeren Stichproben und mit unterschiedlichen Materialien validiert (siehe Lindhaus et al., 2024).
Gütekriterien
Objektivität
Instruktion, Durchführung und Auswertung sind standardisiert, sodass unterschiedliche Testleiter/-innen bei denselben Antworten zu gleichen Ergebnissen gelangen und die Objektivität gewährleistet wird.
Reliabilität
Die Reliabilität der Skala ist gegeben. Die internen Konsistenzen (Cronbach α) für alle vier Konstruktfacetten CC (α = .90), SE (α = .82), EE (α = .82) und TI (α = .83) liegen im hohen Bereich.
Validität
Die Inhaltsvalidität der Skala ist gegeben, da sie das Konstrukt, das gemessen werden soll, inhaltlich zutreffend und theoretisch fundiert erfasst. Die Skala basiert auf einem klar definierten theoretischen Rahmen, und die enthaltenen Items wurden so ausgewählt, dass sie alle relevanten Aspekte des Zielkonstrukts abbilden.
Pilotierung 1 der Social Agency Skala (Version 1)
Mit der Ursprungsversion (16-Itemversion) der Social Agency Skala fand eine Pilotierung statt, um zu überprüfen, wie gut die Items in der Lage sind, das Konstrukt Social Agency zu erfassen. Dafür wurde eine personalisierte und eine nicht-personalisierte Version eines Sachtextes zum menschlichen Herzen für das Fach Biologie erstellt, die 2009 zum möglichen Lerninhalt für Achtklässler/-innen der Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen gehörten. Für die Pilotierung erhielten 171 Versuchspersonen (Studierende und Teilnehmer/-innen einer offenen Onlineumfrage) randomisiert eine der beiden Textversionen sowie die konstruierte Skala zur Erfassung von Social Agency. Die Daten wurden teilweise im Paper-Pencil-Format (n = 21) und im Rahmen einer Onlinefragebogens (n = 150) erhoben.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Versuchspersonen, die die personalisierte Textvariante gelesen hatten, höhere Gesamtwerte in der Social Agency Skala (M = 4.20, SD = 0.71) zeigten als die Gruppe, die die nicht-personalisierte Textvariante (M = 3.96, SD = 0.65) gelesen hatte. Betrachtet man die vier Konstruktfacetten einzeln, fällt auf, dass nur die Facetten CC und SE einen signifikanten Mittelwertsunterschied zwischen den beiden Bedingungen zeigten. Für die Facetten EE und TI zeigten sich keine signifikanten Mittelwertsunterschiede zwischen den Bedingungen. Tabelle 2 fasst die Mittelwerte, Standardabweichungen und die Ergebnisse der ungepaarten t-Tests zu den Gruppenunterschieden (nicht-personalisiert vs. personalisiert) auf Facettenebene zusammen.
Tabelle 2
Pilotierung der Social Agency Skala (Ursprungsversion – Version 1): Ergebnisse der ungepaarten t-Tests zu den Unterschieden zwischen personalisiertem und nicht-personalisiertem Lernmaterial (modifiziert nach Lindhaus, Bolin, Weßeling, Oest & Dutke, 2024; Anhang B)
Social Agency Facette | Nicht-personalisierterText | Personalisierter Text | t (169) | p | ||
---|---|---|---|---|---|---|
M | SD | M | SD | |||
Conversational character (CC) | 2.67 | 1.16 | 3.59 | 1.18 | 5.15 | < .001 |
Sympathy and emotional connection (SE) | 4.09 | 0.89 | 4.40 | 0.86 | 2.42 | .017 |
Explanatory effect (EE) | 5.11 | 0.59 | 4.97 | 0.69 | 1.44 | .152 |
Task involvement (TI) | 3.98 | 1.00 | 3.84 | 1.01 | 0.868 | .387 |
Um zu überprüfen, inwiefern die Zuordnung der einzelnen Items zu den Konstruktfacetten sinnvoll ist, wurden die internen Konsistenzen nach Cronbachs Alpha für die einzelnen Facetten bestimmt. Ein Wert größer als α = .70 spricht für eine akzeptable interne Konsistenz (Field, 2011). Die internen Konsistenzen der Konstruktfacetten zeigten dabei sehr gute Werte mit Alpha = .89 für CC, Alpha = .84 für TI und einen guten Wert mit Alpha = .71 für SE. Eine Ausnahme bildet die Konstruktfacette EE, welche mit Alpha = .64 lediglich eine niedrigere interne Konsistenz aufweist. Die Pilotierungsstichproben waren ausreichend groß für die Berechnung einer explorativen Faktorenanalyse. In der Durchführung wurde die Maximum-Likelihood Methode mit Varimax-Rotation gewählt und die Extraktion von vier Faktoren vorgegeben. Das Kaiser-Meyer-Olkin Kriterium und der Bartlett-Test bestätigten die Eignung der Items zur Durchführung der Faktorenanalyse. Es zeigte sich die rotierte 4-faktorielle Lösung, bei der die Zuordnung der Items zu den Facetten CC, TI und EE durch die Ergebnisse größtenteils gestützt wurden. Zwei der vier Items der Facette SE konnten nicht richtig zugeordnet werden.
Aufgrund der Ergebnisse wurde geschlussfolgert, dass die Social Agency Skala generell in der Lage ist, Unterschiede zwischen personalisierten und nicht-personalisierten Texten zu identifizieren, wenn auch CC und SE besser dafür geeignet scheinen als EE und TI. Auch die Anzahl der einzelnen Konstruktfacetten wurde durch die Faktorenanalyse bestätigt, lediglich die Verteilung der Items wich von den vorherigen Überlegungen ab und es wurden Items identifiziert, die aus der Skala ausgeschlossen werden sollten. Auf der Basis dieser Pilotierungsergebnisse wurde die Social Agency Skala überarbeitet und die neue, finale Version mit 12 Items (siehe unter „Items“) erneut pilotiert.
Pilotierung 2 der finalen Social Agency Skala
Die überarbeitete Skala wurde mit einer neuen Stichprobe von N = 116 Studierenden (89 weiblich, 27 männlich), die an zwei Vorlesungen für Lehramtsstudierende an der Universität Münster teilnahmen, pilotiert. Den Teilnehmer/-innen wurde nach dem Zufallsprinzip eine personalisierte oder nicht-personalisierte Version des in der ersten Pilotstudie verwendeten Textes vorgelegt. In der personalisierten Version wurden die Teilnehmer/-innen zusätzlich darüber informiert, dass sich der Inhalt des Textes auf den Abschlusstest in der Vorlesung am Ende des Semesters bezog. Diese Information wurde gegeben, um die Relevanz des Lernmaterials zu unterstreichen. Die Teilnehmer/-innen, die mit den nicht-personalisierten Materialien arbeiteten, erhielten diese Information unmittelbar nach der Pilotstudie.
Der Vergleich zwischen der personalisierten und nicht-personalisierten Gruppe zeigte signifikante Unterschiede für die Facetten CC, SE und TI mit höheren Werten in der personalisierten Bedingung (Tabelle 3). Die Ergebnisse zeigen, dass die Skala grundsätzlich zur Differenzierung personalisierten und nicht-personalisierten Materials geeignet ist. Die Ergebnisse der explorativen Faktorenanalyse (EFA) nach Maximum-Likelihood Methode mit Varimax-Rotation bestätigten die Faktorenzuordnung der 12 Items. Die internen Konsistenzen (Cronbachs Alpha) waren für alle vier Konstruktfacetten hoch, CC (α = .90), SE (α = .82), EE (α = .82) und TI (α = .83). Die Skala wurde in einer anschließenden Hauptuntersuchung an einer größeren Stichprobe mit unterschiedlichen Lernmaterialien validiert (siehe Experiment 2 in Lindhaus et al., 2024).
Tabelle 3
Pilotierung der Social Agency Skala (finale Version – Version 2): Ergebnisse der ungepaarten t-Tests zu den Unterschieden zwischen personalisiertem und nicht-personalisiertem Lernmaterial (modifiziert nach Lindhaus, Bolin, Weßeling, Oest & Dutke, 2024; Anhang D)
Social Agency Facette | Nicht-personalisierterText | Personalisierter Text | t (169) | p | ||
---|---|---|---|---|---|---|
M | SD | M | SD | |||
Conversational character (CC) | 2.32 | 1.00 | 3.67 | 1.40 | 5.986 | < .001 |
Sympathy and emotional connection (SE) | 3.64 | .93 | 4.55 | 1.14 | 106.32 | < .001 |
Explanatory effect (EE) | 5.34 | .51 | 5.20 | 1.09 | -.933 | .353 |
Task involvement (TI) | 3.61 | 1.06 | 4.03 | 1.07 | 2.101 | .038 |
Anmerkungen. N = 116; M = Mittelwert, SD = Standardabweichung, t = t-Test, p = Signifikanzniveau.
Normierung
Es liegen keine Normwerte vor. Eine Normierung der Skala ist nicht sinnvoll, da die Texte, auf die die Skala angewendet werden kann, individuell unterschiedlich sind und somit nicht vergleichend normiert werden können.
Anwendungsmöglichkeiten
Die Social Agency Skala (SoAg) ist für den Einsatz in der Forschung und/oder zur Evaluation von schriftlichem Lernmaterial konzipiert, insbesondere zur Untersuchung der Wirkung personalisierter Lernmaterialien auf die soziale Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung.
Die SoAg kann auf unterschiedliche Lernmaterialien angewendet werden, insbesondere in experimentellen Designs, bei denen die Wirkung von Textvariationen untersucht wird. Die Skala ist ab der 8. Jahrgangsstufe einsetzbar.
Sie bietet sich auch zur Weiterentwicklung und Evaluation von digitalen Lernumgebungen (z. B. tutorielle Systeme, E-Learning) an, in denen soziale Interaktionsmerkmale eine Rolle spielen.
Bewertung
Im Folgenden werden stichpunktartig Vor- und Nachteile aufgeführt:
Vorteile:
- Theoretisch fundierte Konstruktion auf Basis der Social Agency Theory.
- Hohe Reliabilität der Facetten, d. h. die einzelnen Items der Facetten messen in hohem Maße dasselbe Konstrukt und stehen in einem konsistenten Zusammenhang zueinander.
- Differenzierte Erfassung verschiedener Aspekte der Social Agency durch vier Facetten.
- Geeignet zur Prüfung der Wirksamkeit von Personalisierung von Lernmaterialien in Bildungssettings.
- Einsatz sowohl digital (Onlinefragebogen) als auch analog (Paper-Pencil) im Präsenz- oder Distanzformat möglich.
- Kurz und schnell durchführbar.
Nachteile:
- Generalisierbarkeit auf andere Kontexte noch nicht umfassend geprüft.
- Der diagnostische Nutzen ist stark kontextabhängig, da die Skala immer auf einen spezifischen Text bezogen ist.
- Es ist unklar, inwieweit externe Faktoren (z. B. thematisches Interesse, Lesekompetenz) die Antworten auf die Skala beeinflussen.
- Die Facette EE zeigte in den bisherigen Pilotierungen keine signifikanten Unterschiede zwischen Experimentalbedingungen. Dies könnte in den durchgeführten Pilotierungen durch hohen Bildungsgrad der bisherigen Teilnehmer/-innen und deren vermutlich hohen Textverstehenskompetenzen erklärt werden.
Fazit, Ausblick, Weiterentwicklungen, geplante Untersuchungen:
Die Social Agency Skala ist ein reliables und theoretisch fundiertes Instrument zur Messung von Social Agency in der Auseinandersetzung mit schriftlichen Lernmaterialien anhand der vier Facetten. Sie eignet sich besonders für den Einsatz in pädagogisch-psychologischer oder fachdidaktischer Forschung. Zukünftige Entwicklungen sollten sich auf die Erweiterung der potentiellen Zielgruppen und der Anwendungsfelder richten. Eine auf jüngere Schüler/-innen angepasste Version der Social Agency Skala (3. – 8. Klasse) existiert bereits, ebenso eine Adaption der Skala auf Lernvideos.
Erstmals publiziert in:
Lindhaus, M., Oest, L., Kätker, L. & Dutke, S. (2022). Social Agency Skala (SoAg). Münster: University of Münster, Institute for Psychology in Education, Research Group - Prof. Dr. S. Dutke.
Literatur
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Cobb, S. C. (2009). Social presence and online learning: A current view from a research perspective. Journal of Interactive Online Learning, 8(3), 241–254.
de Koning, B. B. & van der Schoot, M. (2019). Becoming part of the story! Refueling children’s engagement during narrative comprehension. Educational Psychology Review, 31(2), 723–743. https://doi.org/10.1007/s10648-019-09472-3
Dutke, S., Grefe, A. C. & Leopold, C. (2016). Learning from scientific texts: Personalizing the text increases transfer performance and task involvement. European Journal of Psychology of Education, 31(4), 499–513. https://doi.org/10.1007/s10212-015-0281-6
Field, A. (2011). Discovering statistics using SPSS (3rd ed.). Sage.
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Grice, H. P. (1975). Logic and conversation. In P. Cole & J. L. Morgan (Eds.), Syntax and semantics (Vol. 3, pp. 41–58). Academic Press.
Lindhaus, M., Bolin, J. S., Weßeling, L., Oest, L. & Dutke, S. (2024). Toward the role of social agency in explaining the personalization effect. Frontiers in Psychology, 15, Article 1405308. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1405308
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Kontaktdaten
M. Sc. Maike Lindhaus, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Psychologie in Bildung und Erziehung, Universität Münster, Fliednerstraße 21, D-49149 Münster
Prof. Dr. Stephan Dutke, Chair of the Research Group, Institut für Psychologie in Bildung und Erziehung, Universität Münster, Fliednerstraße 21, D49149 Münster