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Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
BPDSI-IV
Borderline Personality Disorder Severity Index (Version IV) - deutsche Fassung
Kurzabstract
Der aus dem Amerikanischen ins Holländische und dann ins Deutsche übersetzte BPDSI-IV ist ein semistrukturiertes, klinisches Interviewverfahren, welches spezifische BPS-Symptome der letzten drei Monate erfasst. Er erfasst in seiner 70-Itemfassung analog zu den DSM-IV-Kriterien die neun Symptombereiche (1) Verlassen werden, (2) Zwischenmenschliche Beziehungen, (3) Identität, (4) Impulsivität, (5) Parasuizidales Verhalten, (6) Affektive Instabilität, (7) Gefühl der Leere, (8) Wutausbrüche und (9) Dissoziation und paranoide Vorstellungen. Reliabilität: Die interne Konsistenz liegt über Alpha = .90 (Gesamtscore) bzw. zwischen Alpha = .49 und .89 (Skalen). Iteminterkorrelationen der Gesamtgruppe fallen höher aus mit r = .33 bis .73 als die der BPS-Patienten (r = .22-.52). Validität: Es konnten hohe Korrelationen mit ähnlichen Instrumenten (MSI-BPD, SKID-II) und einzelnen Skalen von verschiedenen Selbstbeurteilungsverfahren (z. B. BDI, BSI, FDS), Unterschiede zwischen den erreichten Mittelwerten (BPS > Achse-I-Störung > ohne Störung) sowie die Veränderungssensitivität nachgewiesen werden. Die Eindimensionalität des Verfahrens konnte nicht bestätigt werden. Berechnungen der Skaleninterkorrelation fielen heterogen aus. Das Verfahren weist eine Sensitivität von 94 % und eine Spezifität von 93 % auf. Normen: Es liegen Cut-off-Werte vor.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2019). Open Test Archive: BPDSI-IV. Borderline Personality Disorder Severity Index (Version IV) - deutsche Fassung. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9007150
Zitierung
Kröger, C., Vonau, M., Kliem, S., Roepke, S., Kosfelder, J. & Arntz, A. (2016). BPDSI-IV. Borderline Personality Disorder Severity Index (Version IV) - deutsche Fassung [Verfahrensdokumentation, Interviewleitfaden deutsch und englisch, Bewertungsbogen]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.4532
Kurzinformationen
Kurzname BPDSI-IV
Engl. Name Borderline Personality Disorder Severity Index - German version
Autoren Kröger, C., Vonau, M., Kliem, S., Roepke, S., Kosfelder, J., Arntz, A.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2016
Copyright/Lizenz Copyright Autoren; CC-BY-SA 4.0
Schlagworte Borderline-Persönlichkeit, Borderline-Zustände, Selbstzerstörerisches Verhalten, Symptome
Sprachversionen deu eng
Konstrukt Borderline-Persönlichkeitsstörung
Altersbereich BPS-Patienten (18-60 Jahre)
Itemzahl 70 Items
Subskalen (1) Verlassen werden, (2) Zwischenmenschliche Beziehungen, (3) Identität, (4) Impulsivität, (5) Parasuizidales Verhalten, (6) Affektive Instabilität, (7) Gefühl der Leere, (8) Wutausbrüche, (9) Dissoziation und paranoide Vorstellungen
Durchführungszeit ca. 1-1,5 Std.
Auswertungsdauer Keine Angaben.
Interne Konsistenz: Cronbach Alpha = .90 (Gesamtscore) bzw. Alpha = .49-.89 (Skalen).
Befunde zur konvergenten Validität und Veränderungssensitivität; Mittelwertunterschiede (BPS > Achse-I-Störung > ohne Störung); Eindimensionalität wiederlegt;Skaleninterkorrelation heterogen; Sensitivität: 94 %, Spezifität: 93 %.
Cut-off-Werte
Anwendungsbereich Psychiatrie, Psychotherapie
Diagnostische Zielsetzung
Der BPDSI-IV ist ein semistrukturiertes, klinisches Interviewverfahren, welches spezifische BPS-Symptome der letzten drei Monate erfasst. Er eignet sich hauptsächlich für den psychotherapeutischen und psychiatrischen Bereich zur Diagnose von BPS-Patienten und zur weiteren Therapieverlaufsmessung. Ebenso kann er in der Forschung eingesetzt werden.
Aufbau
Der BPDSI-IV erfasst in seiner 70-Itemfassung analog zu den DSM-IV-Kriterien folgende neun Symptombereiche, die möglicherweise in den letzten drei Monaten in Erscheinung traten: (1) Verlassenwerden, (2) Zwischenmenschliche Beziehungen (Partnerbeziehung, andere Beziehungen), (3) Identität, (4) Impulsivität, (5) Parasuizidales Verhalten (Selbstschädigendes Verhalten mit Selbstverletzung als direkte Konsequenz, d. h. Gewebeverletzungen, körperliche Schmerzen, ohne Suizidabsicht vs. Suizid (Pläne/Versuche)), (6) Affektive Instabilität, (7) Gefühl der Leere, (8) Wutausbrüche und (9) Dissoziation (Depersonalisation, Derealisation, Bewusstsein, Gedächtnis) und paranoide Vorstellungen. Bei der Skala "Identität" werden die Items auf einer fünfstufigen Ratingskala beantwortet. Bei den anderen acht Subskalen wurde eine 11-stufige Häufigkeitsskala gewählt.
Grundlagen und Konstruktion
Das Originalinterview stammt von Weaver und Clum (1993), welches Arntz und Kollegen (2003) aus dem Amerikanischen ins Holländische übersetzt und aufgrund von psychometrischen Untersuchungsergebnissen verändert haben. Eine bilinguale Psychologin übertrug die Items ins Deutsche, die dann von einem australischstämmigen Psychologen rückübersetzt wurden. Einzelne Abweichungen in den Übersetzungen wurden besprochen und behoben. Der BPDSI-IV wurde an einer deutschen Stichprobe validiert.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Für den Gesamtscore liegt die Interne Konsistenz bei Alpha = .90 (BPS-Patienten) bzw. .96 (Gesamtgruppe); für die einzelnen Subskalen bei Alpha zwischen .49 und .76 (BPS-Patienten) bzw. .69-.89 (Gesamtgruppe). Eine Berechnung zur Skalenhomogenität ergab folgende Ergebnisse: Iteminterkorrelationen der Gesamtgruppe fallen höher aus mit r = .33 ("Impulsivität") bis r = .73 ("Affektive Instabilität") als die der BPS-Patienten, die sich zwischen r = .22 und .52 bewegen.
Validität: Die konvergente und divergente Validität des BPDSI-IV wird durch hohe Korrelationen mit ähnlichen Instrumenten (MSI-BPD, SKID-II) und einzelnen Skalen von verschiedenen Selbstbeurteilungsverfahren (z. B. BDI, BSI, FDS) sowie Unterschiede zwischen den erreichten Mittelwerten (BPS > Achse-I-Störung > ohne Störung) nachgewiesen. Eine konfirmatorische Faktorenanalyse ergab keine Eindimensionalität des Verfahrens. Auch die Berechnungen der Interkorrelation der Skalen fielen heterogen aus. Einige Skalen korrelierten sehr schwach miteinander (z. B. r = .09 für "Gefühl der Leere" und "Verlassenwerden" ). Den höchsten Wert findet man zwischen der Skala "Gefühl der Leere" und "Affektive Instabilität" mit r = .48. Mit dem Gesamtwert korreliert die Skala "Identität" mit r = .71 am höchsten. Die Veränderungssensitivität des BPDSI-IV wurde nachgewiesen. Das Verfahren weist eine Sensitivität von 94 % und eine Spezifität von 93 % auf.
Normen: Zur Interpretation des Gesamtscores liegen Cut-off-Werte vor, die eine Klassifizierung von Probanden in drei Gruppen erlauben: BPS vs. auffälliger Wert vs. keine BPS. Weitere Angaben zur Normierung fehlen.
Testkonzept
Theoretischer Hintergrund
Die deutsche Übersetzung des "Borderline Personality Disorder Severity Index - Version IV" (BPDSI-IV; Arntz et al., 2003) von Kröger und Kollegen (2013) stellt ein halbstrukturiertes klinisches Interview dar. Es dient der Erfassung der Häufigkeit und des Schweregrads der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Eine BPS nach DSM-IV (Saß, Wittchen & Zaudig, 1996) gehört zur Clustergruppe B der Persönlichkeitsstörungen und wird mit folgenden Symptomen beschrieben: Instabilität in interpersonellen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie Impulsivität. Zu den Vorläufersymptomen der Störung zählen interpersonelle Schwierigkeiten, Impulsivität, exzessive Angst, gestörte Realitätsüberprüfung und Selbstwahrnehmung, emotionale Instabilität, selbstverletzendes Verhalten, Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens und posttraumatische Störungen. Für das Vorliegen einer BPS müssen nach DSM-IV fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein:
(1) Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden.
(2) Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
(3) Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.
(4) Impulsivität in mind. zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen (Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtloses Fahren, Fressanfälle).
(5) Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
(6) Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmung gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern).
(7) Chronisches Gefühl von Leere.
(8) Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren (z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen).
(9) Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.
Die Störung wird aufgrund der hohen Anzahl der Betroffen mit Selbstverletzungs- und sogar Suizidgefährdung (ca. 70-80%) als lebensbedrohlich eingestuft (Kröger, Vonau, Kliem & Kosfelder, 2010).
Testaufbau
Der BPDSI-IV erfasst analog zu den DSM-IV-Kriterien neun Symptombereiche, die möglicherweise in den letzten drei Monaten in Erscheinung traten:
(1) Verlassenwerden (7 Items)
(2) Zwischenmenschliche Beziehungen (8 Items: 2.1 bis 2.4 Partnerbeziehung, 2.5 bis 2.8 andere Beziehungen)
(3) Identität (8 Items)
(4) Impulsivität (11 Items)
(5) Parasuizidales Verhalten (13 Items: 5.1 bis 5.8 Selbstschädigendes Verhalten mit Selbstverletzung als direkte Konsequenz, d. h. Gewebeverletzungen, körperliche Schmerzen, ohne Suizidabsicht, 5.9 bis 5.13 Suizid (Pläne/Versuche))
(6) Affektive Instabilität (5 Items)
(7) Gefühl der Leere (4 Items)
(8) Wutausbrüche (6 Items)
(9) Dissoziation und paranoide Vorstellungen (8 Items: 9.1 Dissoziation: Depersonalisation, 9.2 Derealisation, 9.3 Bewusstsein, 9.4 und 9.5 Gedächtnis, 9.6 bis 9.8 Paranoide Vorstellungen).
Acht von neun Subskalen enthalten Items mit folgender elfstufiger Häufigkeitsskala: "0 = nie", "1 = 1 x in 3 Monaten", "2 = 2 x in 3 Monaten", "3 = 3 x in 3 Monaten/1 x im Monat", "4 = 4 bis 5 x in 3 Monaten/1 x in 3 Wochen", "5 = 6 bis 7 x in 3 Monaten/1 x in 2 Wochen", "6 = 8 bis 10 x in 3 Monaten/2 x in 3 Wochen", "7 = 1 x pro Woche/11 bis 15 x in 3 Monaten", "8 = mehrmals die Woche, aber weniger als die Hälfte der Tage", "9 = mehr als die Hälfte der Tage/fast täglich" und "10 = täglich". Die Items der Skala "Identität" werden auf einer fünfstufigen Ratingskala beantwortet (0-4: "trifft nicht zu" bis z. B. "dominante, eindeutige Instabilität"; Hinweis: Die Antwortskalen 1-4 sind nicht für alle Items diese Skala identisch).
Auswertungsmodus
Für jedes Item können maximal 10 Punkte vergeben werden mit Ausnahme der Items der Skala "Identität", in der bis zu 4 Punkte erreicht werden können. Die Gesamtpunktzahl aller Items wird durch die Anzahl der Items dividiert, um den Mittelwert (= maximal 10) zu erhalten. Bei der Skala "Identität" wird der Mittelwert mit 2.5 multipliziert, sodass auch hier ein Mittelwert von maximal 10 erzielt werden kann. Der Gesamtwert (max. 90) ergibt sich aus der Summe aller neun Mittelwerte (Kröger et al., 2013, S. 399).
Auswertungshilfen
Als Auswertungshilfe liegt der Bewertungsbogen zur Verfügung. Anmerkungen zu den einzelnen Items können rechts auf dem Bogen notiert werden. Ebenso wird der Gebrauch von Alkohol, "weicher" und "harter" Drogen mitnotiert.
Je höher der erreichte Subskalenwert, desto stärker ist die Symptomatik beim Patienten ausgeprägt. Die Höhe des Gesamtwertes beschreibt somit den Schweregrad der Störung (Vonau, Kröger & Hahlweg, 2008, S. 191). Für die Interpretation der Ergebnisse liegen zudem Cut-off-Werte vor (Arntz et al., 2003; Vonau, 2009; siehe unter "Normierung").
Auswertungszeit
Zur Auswertungsdauer liegen keine Angaben vor.
Itembeispiele
1.3 Haben Sie in den letzten drei Monaten jemanden angefleht oder darum gebettelt, nicht verlassen zu werden?
4.2 Wie häufig hatten Sie in den letzten drei Monaten Sex mit Menschen, die sie kaum oder gar nicht kannten?
5.9 Wie häufig wollten Sie sich in den letzten drei Monaten das Leben nehmen?
Items
Im Folgenden werden alle Items des BPDSI-IV vorgestellt. Die Items werden wortwörtlich vorgelesen. In Klammern stehen zusätzliche Hinweise für den Interviewer, z. B. Folgefragen. Alle Fragen nach der Häufigkeit werden auf einer 11-stufigen Skala beantwortet:
0. nie | 6. 8 bis 10 x in 3 Monaten/2 x in 3 Wochen |
1. 1 x in 3 Monaten | 7. 1 x pro Woche/11 bis 15 x in 3 Monaten |
2. 2 x in 3 Monaten | 8. mehrmals die Woche aber weniger als die Hälfte der Tage |
3. 3 x in 3 Monaten/ 1 x im Monat | 9. mehr als die Hälfte der Tage/fast täglich |
4. 4 bis 5 x in 3 Monaten/ 1 x in 3 Wochen | 10. täglich |
5. 6 bis 7 x in 3 Monaten/1 x in 2 Wochen |
- Verlassenwerden
Die folgenden Items beziehen sich auf die verzweifelten Bemühungen der interviewten Person, jemanden, mit dem die Person eine Beziehung eingegangen ist, von dem sie abhängig ist oder zu dem sie eine enge Verbindung hat, daran zu hindern, sie zu verlassen. Dies bezieht sich z. B. darauf, jemanden anzuflehen, nicht zu gehen, oder jemanden körperlich daran hindern zu wollen, zu gehen.
1.1 Waren Sie in den letzten drei Monaten verzweifelt, weil Sie glaubten, jemand, der Ihnen viel bedeutet, würde Sie verlassen? (wenn ja, dann Frage nach klaren Beispielen)
1.2 Haben Sie in den letzten drei Monaten versucht, jemanden, der Ihnen viel bedeutet und drohte, Sie zu verlassen (oder von dem Sie dachten, er würde Sie verlassen/vermeiden) mit extremen Mitteln daran zu hindern? (z. B. durch andauerndes Anrufen, übertrieben verführerisches Verhalten, verfolgen oder beobachten ... nur übertriebene, aufgezwungene Verhaltensweisen werden gewertet)
(Dieses Item umfasst tatsächliches und vermutetes Verlassenwerden; um das Item positiv zu beurteilen, müssen eindeutige Beispiele von Versuchen vorliegen) (Beispiele, die in 1.3, 1.4 oder 1.5 noch einmal auftauchen, können auch beurteilt werden)
1.3 Haben Sie in den letzten drei Monaten jemanden angefleht oder darum gebettelt, nicht verlassen zu werden?
1.4 Haben Sie in den letzten drei Monaten jemandem angedroht etwas zu tun, um zu erreichen, dass er/sie Sie nicht verlässt? (z. B. Lügen, Erpressung, Mord oder Selbstmord)
1.5 Haben Sie in den letzten drei Monaten auf körperliche Art und Weise versucht, jemanden davon abzuhalten, Sie zu verlassen? (z. B. durch sich in den Weg stellen, jemanden festhalten)
1.6 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten den Wunsch verspürt, von jemandem gesagt zu bekommen, dass er/sie Sie liebt, sich um Sie kümmert, Sie nicht verlässt, Sie attraktiv findet etc.?
(Hierbei kann es sich sowohl um Partner als auch um Freunde/Familie handeln)
1.7 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten jemanden nach einer Bestätigung oder Versicherung gefragt, mit dem Ziel, die Gewissheit zu erlangen, nicht verlassen zu werden? - Zwischenmenschliche Beziehungen
Dieses Kriterium umfasst drei Charakteristika. Erstens muss ein Muster instabiler Beziehungen vorliegen, welches durch regelmäßige Konflikte sowie drohende oder tatsächliche Beziehungsabbrüche gekennzeichnet ist. Zweitens müssen diese Beziehungen sehr intensiv sein, d. h. bestimmt von starken Emotionen (Euphorie, Aversion, Wut, Groll, Verzweiflung). Drittens muss die befragte Person eine Tendenz zur Abwertung der anderen Person erkennen lassen (z. B. "er ist ein wirklich gemeiner Mensch"), während an anderer Stelle dieselbe Person idealisiert werden kann ("mein Freund ist der wundervollste, aufmerksamste und stärkste Mensch, den ich je getroffen habe"). Die psychoanalytische Terminologie spricht hierbei vom Spalten als Abwehrmechanismus.
Partnerbeziehung
2.1 Gab es in den letzten drei Monaten Momente, in denen Sie dachten, Ihr Partner sei alles, was Sie sich immer gewünscht haben, und andere Momente, in denen Sie dachten, er/sie sei ein schrecklicher Mensch? (hierbei ist die intrapsychische Überzeugung entscheidend, nicht unbedingt die tatsächliche Beziehung)
2.2 Wie häufig gab es in den letzten drei Monaten Höhen und Tiefen in Ihrer Partnerschaft? (Hierbei liegt der Fokus auf der tatsächlichen Beziehung)
2.3 Wie oft haben Sie in den letzten drei Monaten die Beziehung beendet und sind dann wieder zusammen gekommen? (Jede Veränderung wird separat gewertet, d. h. zweimal Beziehungsende und Wiederbeginn zählt als 4 Mal)
2.4 Wie oft haben Sie in den letzten drei Monaten eine oder mehrere neue Beziehungen begonnen und/oder beendet? (Jede Veränderung wird separat gewertet)
Andere Beziehungen
2.5 Gab es in den letzten drei Monaten Momente, in denen Sie dachten, einzelne Familienmitglieder/Kollegen/Freunde oder andere wichtige Personen seien genau so, wie Sie es sich immer gewünscht haben, und andere Momente, in denen Sie dachten, er/sie sei ein schrecklicher Mensch? (hierbei ist die intrapsychische Überzeugung entscheidend, nicht unbedingt die tatsächliche Beziehung)
2.6 Wie häufig gab es in den letzten drei Monaten Höhen und Tiefen in Ihren Beziehungen zu Freunden/Kollegen/Familienmitgliedern oder anderen wichtigen Personen? (Hierbei liegt der Fokus auf den tatsächlichen Beziehungen)
2.7 Wie oft haben Sie in den letzten drei Monaten eine Beziehung zu einem Freund/Kollegen/Familienmitglied oder einer anderen wichtigen Person beendet und sind dann wieder zusammen gekommen? (Beziehungsende und Wiederbeginn werden separat bewertet)
2.8 Wie oft haben Sie in den letzten drei Monaten eine oder mehrere neue Beziehungen zu Freunden/Familienmitgliedern/Kollegen oder anderen wichtigen Personen begonnen und/oder beendet? (Beziehungsende und Wiederbeginn werden separat bewertet)
3. Identität
Identität ist ein stabiles Gefühl über sich, welches die überdauernde Einheit der Persönlichkeit wahrt. Die für die Borderline-Persönlichkeitsstörung typische Art der Identitätsstörung ist gekennzeichnet von extremen Schwankungen des Selbstbildes der betreffenden Person (wer bin ich). Diese Schwankungen manifestieren sich in plötzlichen Veränderungen von Karrierezielen, des Arbeitsplatzes, der sexuellen Orientierung, der persönlichen Ziele, persönlicher Werte und Freunde und des fundamentalen Gefühls von sich selbst (z. B. als gut oder schlecht). Die Items werden nur dann bewertet, wenn die Identitätsstörungen nicht mit dem Entwicklungsalter der Person zu erklären sind (d. h. normale Identitätsschwankungen im Erwachsenenalter sind nicht zu berücksichtigen).
3.1 Waren Sie in den letzten drei Monaten in unterschiedlichen Situationen mit unterschiedlichen Menschen so verschieden, dass Sie sich nicht immer wie dieselbe Person verhielten und gar nicht mehr wussten, wer Sie eigentlich wirklich sind?
0. trifft nicht zu
1. fraglich/wenig belegt
2. wahrscheinlich nicht wissend wer er/sie ist, allerdings nicht eindeutig belegt
3. nicht wissend wer er/sie ist, nicht sehr dominant
4. dominant, eindeutig und gut belegt/nicht wissend wer er/sie ist
3.2 Ist es in den letzten drei Monaten vorgekommen, dass Ihre Vorstellung von dem, wer Sie sind, sich stark geändert hat?
0. trifft nicht zu
1. fraglich/wenig belegt
2. wahrscheinliche Instabilität des Selbstbildes
3. ziemlich eindeutige Instabilität des Selbstbildes
4. dominante, eindeutige Instabilität des Selbstbildes
3.3 Ist es in den letzten drei Monaten vorgekommen, dass Ihr Gefühl davon, ob Sie ein guter oder schlechter Mensch sind, sich stark geändert hat?
0. trifft nicht zu
1. fraglich/wenig belegt
2. wahrscheinliche Instabilität des Selbstgefühls
3. ziemlich eindeutige Instabilität des Selbstgefühls
4. dominante, eindeutige Instabilität des Selbstgefühls
3.4 Welche langfristigen Pläne hatten Sie in den letzten drei Monaten? Zum Beispiel was für eine Ausbildung, berufliche Tätigkeit oder Karriere möchten Sie anstreben oder wünschen Sie sich? Haben diese Ziele sich in den letzten drei Monaten geändert?
(Patienten in Behandlung nennen als einziges Ziel oftmals, dass es ihnen besser gehen möge oder sie die Behandlung beenden wollen. Dies wird als Vermeidung (3) gewertet)
0. trifft nicht zu
1. fraglich/wenig belegt
2. wahrscheinliche Instabilität langfristiger Ziele/wahrscheinliche Vermeidung, sich mit langfristigen Ziele auseinander zu setzen
3. ziemlich eindeutige Instabilität langfristiger Ziele, nicht sehr dominant/ziemlich eindeutige Vermeidung, sich mit langfristigen Zielen auseinander zu setzen, nicht sehr dominant
4. dominante, eindeutige Instabilität langfristiger Ziele/dominante, eindeutige Vermeidung, sich mit langfristigen Zielen auseinanderzusetzen
3.5 Haben Sie in den letzten drei Monaten Ihre Einstellung geändert bezüglich dessen, was richtig oder falsch ist? (...Ihre Einstellungen über Werte und Normen/darüber was Sie können und was nicht, was gut oder schlecht ist?) (Fragen nach Intensität/Richtung der Einstellungsänderungen/Häufigkeit der Einstellungsänderungen)
0. trifft nicht zu
1. fraglich/wenig belegt
2. wahrscheinliche Instabilität moralischer Werte
3. ziemlich eindeutige Instabilität moralischer Werte, nicht sehr dominant
4. dominante, eindeutige Instabilität moralischer Werte
3.6 Hatten Sie in den letzten drei Monaten Schwierigkeiten zu entscheiden, was Ihnen im Leben wichtig ist? Hat sich das in den letzten drei Monaten geändert?
0. trifft nicht zu
1. fraglich/wenig belegt
2. wahrscheinliche Instabilität persönlicher Werte/wahrscheinliche Vermeidung
3. ziemlich eindeutige Instabilität persönlicher Werte, nicht sehr dominant/wahrscheinliche Vermeidung, nicht sehr dominant
4. dominante, eindeutige Instabilität persönlicher Werte/klare und eindeutige Vermeidung
3.7 Hatten Sie in den letzten drei Monaten Schwierigkeiten zu entscheiden, was für Freunde Sie gerne hätten? Ändert sich die Art Ihrer Freunde häufig? (Manche Menschen antworten, sie hätten keine Freunde. Dies wird als Vermeidung (3) bewertet)
0. trifft nicht zu
1. fraglich/wenig belegt
2. wahrscheinliche Instabilität in Bezug auf Freunde/wahrscheinliche Vermeidung in Bezug auf Freunde
3. ziemlich eindeutige Instabilität in Bezug auf Freunde, nicht sehr dominant/wahrscheinliche Vermeidung in Bezug auf Freunde, nicht sehr dominant
4. dominante, eindeutige Instabilität in Bezug auf Freunde/klare und eindeutige Vermeidung in Bezug auf Freunde
3.8 Haben Sie in den letzten drei Monaten mal daran gezweifelt, ob Sie sexuelle Beziehungen zu Männern oder Frauen haben wollen? Nach der Antwort der befragten Person: Wie oft hat sich das in den letzten drei Monaten geändert? (stabile heterosexuelle/bisexuelle/homosexuelle Orientierung wird mit 0 bewertet)
0. trifft nicht zu
1. kaum
2. hat wahrscheinlich Zweifel bezüglich der sexuellen Orientierung
3. hat ziemlich eindeutig Zweifel bezüglich der sexuellen Orientierung
4. hat ernste Zweifel bezüglich der sexuellen Orientierung
4. Impulsivität
Es folgen einige Beispiele, wie Menschen impulsiv handeln können. Dinge von denen Sie später dachten, Sie hätten sie besser nicht getan oder Dinge die Probleme für Sie und ihre Umwelt zur Folge hatten oder hätten haben können. (ausschlaggebend sind Verhaltensweisen mit dem Ziel, negative Gefühle zu eliminieren oder positive Gefühle auszulösen, nicht solche Verhaltensweisen mit dem primären Ziel sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen)
Das Hauptmerkmal dieses Kriteriums ist die Unfähigkeit der Person, ihre Impulse zu kontrollieren, was zur Folge hat, dass Verhaltensweisen auftreten, die kurzfristige Befriedigung verschaffen, langfristig aber Schaden anrichten können. Die unten aufgeführten Verhaltensweisen sind Beispiele und decken nicht das gesamte Spektrum impulsiver Verhaltensweisen ab.
4.1 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten auf verantwortungslose Weise Geld ausgegeben/oder gaben mehr Geld aus, als Sie eigentlich ausgeben konnten? (z. B. Glücksspiel, impulsives Einkaufen, viele lange Telefonate führen)
4.2 Wie häufig hatten Sie in den letzten drei Monaten Sex mit Menschen, die sie kaum oder gar nicht kannten?
4.3 Wie häufig hatten Sie in den letzten drei Monaten ungeschützten Sex? (Sex ohne an die Möglichkeit selbstschädigender Konsequenzen und/oder Schwangerschaft zu denken)
4.4 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten zu viel Alkohol getrunken und/oder haben zur falschen Zeit getrunken? (Für Alkoholiker: siehe Standards bei 4.4.A auf dem Bewertungsbogen, alles darüber hinaus wird bei 4.4 bewertet)
4.5 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten "weiche" Drogen verwendet und/oder haben zur falschen Zeit solche Drogen verwendet? (Für Drogenabhängige: siehe Standards bei 4.5.A auf dem Bewertungsbogen, alles darüber hinaus wird bei 4.5 bewertet)
4.6 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten Medikamente genommen? (nicht mit dem Ziel, sich zu suizidieren, sondern um "high" zu sein)
4.7 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten "harte" Drogen verwendet? Für Drogenabhängige: siehe Standards bei 4.6.A auf dem Bewertungsbogen, alles darüber hinaus wird bei 4.6 bewertet)
4.8 Wie oft hatten Sie in den letzten drei Monaten Episoden mit Essanfällen? (alle Essattacken werden bewertet, also mit oder ohne Kontrollverlust sowie geplant oder ungeplant etc.)
4.9 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten rücksichtslos im Straßenverkehr verhalten? (z. B. zu schnelles Fahren oder Fahren unter Einfluss von Alkohol) (nicht durch Dissoziation verursacht)
4.10 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten Diebstähle begangen? (mit welcher Absicht? Es ist entscheidend, dass die Diebstähle begangen worden sind, um ein gutes Gefühl zu bekommen oder einen schlechten Gefühlszustand zu beenden, nicht um sich selbst zu bereichern)
4.11 Wie oft haben Sie in den letzten drei Monaten impulsive Dinge getan, die Ihnen Ärger eingebracht haben oder hätten einbringen können? (z. B. Verabredungen absagen, Vereinbarungen nicht einhalten, sich für einen Kurs anmelden, eine Reise buchen) (kein selbstschädigendes Verhalten oder suizidale Handlungen, auf Bewertungsbogen vermerken)
5. Parasuizidales Verhalten
Die nächsten Fragen befassen sich damit, ob Sie in den letzten drei Monaten versucht haben, sich zu verletzten oder Wunden zuzufügen.
Selbstschädigendes Verhalten mit Selbstverletzung als direkte Konsequenz,
d.h. Gewebeverletzungen, körperliche Schmerzen, ohne Suizidabsicht.
5.1 Wie oft haben Sie sich in den letzten drei Monaten absichtlich geschlagen, den Kopf, die Faust, die Knöchel oder einen anderen Körperteil gegen etwas geschlagen? Oder mit der Faust oder einem anderen Körperteil eine Scheibe eingeschlagen?
5.2 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten gekratzt oder gekniffen?
5.3 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten gebissen? (so dass es schmerzte, also kein Nägelbeißen)
5.4 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten an den Haaren gerissen/Haare ausgerissen? (kann auch das Ausreißen von Augenbrauen, Wimpern sein)
5.5 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten geschnitten? (auch nur sehr oberflächliche Schnitte, so dass nur Kratzer entstehen)
5.6 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten Verbrennungen zugefügt? (Zigarette, Bügeleisen)
5.7 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten mit Nadeln oder Ähnlichem gestochen?
5.8 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten absichtlich selbst Schaden zugefügt? (z. B. scharfe Gegenstände geschluckt, gefährliche Substanzen eingenommen, scharfe, gefährliche Objekte in Körperöffnungen wie Vagina, Penis, Ohren etc. gesteckt; sorgfältig auf dem Bewertungsbogen vermerken)
Suizid (Pläne/Versuche)
5.9 Wie häufig wollten Sie sich in den letzten drei Monaten das Leben nehmen?
5.10 Wie häufig haben Sie anderen Menschen in den letzten drei Monaten gesagt, dass Sie sich das Leben nehmen wollen? (passiv suizidale Äußerungen wie "Ich wünschte, ich wäre tot" werden hier nicht gewertet)
5.11 Wie oft haben Sie in den letzten drei Monaten geplant, sich das Leben zu nehmen? (wenn diese Pläne zu konkreten Handlungen geführt haben, bitte bei 5.12 bewerten)
5.12 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten konkrete Schritte unternommen, sich das Leben zu nehmen? (wenn diese Schritte zu einem Suizidversuch geführt haben, bitte bei 5.13 bewerten)
5.13 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten versucht, sich das Leben zu nehmen?
- Affektive Instabilität
Ich möchte Sie nun zu Stimmungsschwankungen befragen. Damit sind auffallende Wechsel der Stimmung hin zu niedergeschlagen/depressiver, ängstlicher, verzweifelter, reizbarer oder wütender Stimmung gemeint.
Affektinstabilität bezieht sich auf wechselnde, instabile Stimmungsqualitäten der befragten Person. Auch wenn diese Stimmungsveränderungen oftmals abrupt beginnen, ist ein plötzliches Auftreten der Stimmungsschwankungen hier nicht ausschlaggebend. Stattdessen beschreibt dieses Kriterium häufige affektive Stimmungswechsel, die sehr stark aber von relativ kurzer Dauer sind (eher einige Stunden als Tage oder Wochen).
6.1 Kennen Sie Stimmungsveränderungen hin zu einer niedergeschlagenen (depressiven) Stimmungslage?
Wie häufig ist so etwas in den letzten drei Monaten vorgekommen? (Nicht aufgrund einer Achse-I-Diagnose (z. B. Depression: nachfragen, außerdem SKID-I-Ergebnis überprüfen))
6.2 Und wie häufig kam so eine Stimmungsveränderung in den letzten drei Monaten hin zu reizbarer, nervöser Stimmung vor? (Nicht aufgrund einer Achse-I-Störung)
6.3 Und wie häufig kam so eine Stimmungsveränderung in den letzten drei Monaten hin zu ängstlicher Stimmung vor? (Nicht aufgrund einer Achse-I-Störung, z. B. Angststörung)
6.4 Und wie häufig kam so eine Stimmungsveränderung in den letzten drei Monaten hin zu verzweifelter Stimmung vor? (Nicht aufgrund einer Achse-I-Störung, z. B. Depression)
6.5 Und wie häufig kam so eine Stimmungsveränderung in den letzten drei Monaten hin zu wütender, ärgerlicher Stimmung vor? (Nicht aufgrund einer Achse-I-Störung)
(Wenn der Einfluss von Achse-I-Diagnosen zweifelhaft: dieses Item bitte bewerten, aber notieren und mit einem erfahrenen Kliniker diskutieren)
- Gefühl der Leere Das chronische Gefühl der Leere ist oftmals verbunden mit dem Gefühl von Langeweile, Einsamkeit, Wertlosigkeit oder einem Gefühl "was man nicht beschreiben kann".
7.1 Wie häufig haben Sie sich in den letzten drei Monaten gelangweilt oder innerlich leer gefühlt?
(Hier geht es um Gefühle von Leere oder Langeweile, die in Stress oder inadäquates Verhalten münden. Inadäquates Verhalten umfasst auch den negativen Einfluss dieser Gefühle auf normale oder adäquate Verhaltensweisen, z. B. etwas nicht tun zu können oder nicht zur gewünschten oder notwendigen Zeit tun zu können.)
7.2 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten aufgrund dieser Gefühle von Langeweile und Leere nichts unternommen, obwohl Sie eigentlich etwas unternehmen wollten?
(z. B. im Bett bleiben anstatt einkaufen zu gehen)
7.3 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten aufgrund dieser Gefühle von Langeweile und Leere etwas getan, obwohl Sie eigentlich etwas ganz anderes tun wollten?
(z. B. ausgehen anstatt zur Arbeit zu gehen, Alkohol- und Drogenmissbrauch können auch zu diesem Kriterium gehören)
7.4 Wie häufig ist es in den letzten drei Monaten vorgekommen, dass sie sich keinen Moment ausruhen konnten?
(z. B. putzen oder auf- und ablaufen, dies wird als Vermeidung von Ruhe, um die Gefühle der Leere fern zu halten, bewertet)
- Wutausbrüche
Die nächsten Fragen beziehen sich auf Ausbrüche von Wut oder Ärger.
Unangemessene Wut bezieht sich auf die Intensität der Wut einer Person, die in unverhältnismäßigem Zusammenhang zur Ursache der Wut steht. Manifestationen in extrem körperlichem (gewalttätigem) Verhalten, z. B. Menschen zu schlagen oder Gegenstände zu schmeißen, weisen auf die Unfähigkeit hin, diese Wut zu kontrollieren. Diese Wut wird oftmals im Zusammenhang mit dem tatsächlichen oder empfundenen Fehlen von Aufmerksamkeit/Interesse von anderen, Verlust oder Vernachlässigung zum Ausdruck gebracht.
8.1 Passiert es Ihnen, dass Sie manchmal sehr schlechter Laune sind oder plötzliche Wutausbrüche haben?
Wie häufig ist das in den letzten drei Monaten vorgekommen?
8.2 Wie häufig reagierten Sie in den letzten drei Monaten auf andere Menschen auf zynische oder sarkastische Art und Weise? (Sticheleien, höhnische Bemerkungen, Spott)
8.3 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten geflucht, Türen geschlagen oder geschrien? (Lärm machen)
8.4 Wie häufig waren Sie in den letzten drei Monaten so wütend, dass Sie nicht mehr ansprechbar waren oder zur Vernunft gebracht werden konnten? (Wutausbruch)
8.5 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten mit Gegenständen geworfen, Sachen zerstört etc.?
8.6 Wie häufig haben Sie in den letzten drei Monaten einen anderen Menschen angegriffen? (körperlich)
- Dissoziation und paranoide Vorstellungen
Manche Menschen reagieren auf Stress in extremer Art und Weise.
Manche Menschen mit Borderline Persönlichkeitsstörung entwickeln flüchtige paranoide oder dissoziative Symptome im Zusammenhang mit belastenden Ereignissen. Selten sind diese Symptome so schwerwiegend, das eine separate Diagnose gestellt werden kann (z. B. F 44.x). Der Stressor ist oftmals eine tatsächliche, vorgestellte oder antizipierte Abwesenheit einer wichtigen Person (Partner, Elternteil, Therapeut). In solchen Situation kann die tatsächliche oder vorgestellte Rückkehr dieser Person bereits zur Remission der Symptome führen. Die dissoziativen Symptome können bestehen aus Perioden dissoziativer Amnesie (manchmal ausgedrückt durch das Gefühl, die "Zeit zu verlieren"), Depersonalisation (d. h. das Gefühl, sich von sich selbst zu entfremden oder zu entfernen) oder Derealisation (d. h. das Gefühl, die Umwelt sei unrealistisch oder ungewöhnlich).
Diese Perioden dauern in der Regel einige Minuten bis Stunden an.
Dissoziation: Depersonalisation (9.1), Derealisation (9.2), Bewusstsein (9.3), Gedächtnis (9.4 und 9.5)
9.1 Depersonalisation:
Wie häufig fühlten Sie sich in den letzten drei Monaten nicht mehr wie Sie selbst, als ob sie außerhalb von sich selbst stehen würden, oder erlebten Sie sich selbst wie in einem Film oder Traum? (Anm.: ..."selbst" bezieht sich auf Körper und Geist, nicht aufgrund von Drogen)
9.2 Derealisation:
Wie häufig empfanden Sie ihre Umwelt in den letzten drei Monaten als völlig verändert oder als ob Sie sie ganz anders wahrnehmen würden, so dass es Ihnen seltsam und unrealistisch vorkommt? (z. B. andere Menschen sehen unbekannt oder wie Roboter aus, nicht aufgrund von Drogen)
9.3 Bewusstsein:
Wie häufig erging es Ihnen in den letzten drei Monaten so, dass Sie nicht mehr wussten, was Sie taten oder wo Sie waren? (Nicht aufgrund von Drogen)
9.4 Gedächtnis:
Wie häufig erging es Ihnen in den letzten drei Monaten so, dass Sie Ihnen vertraute Menschen oder Dinge nicht mehr erkannten? (Nicht aufgrund von Drogen)
9.5 Gedächtnis:
Wie häufig konnten Sie sich in den letzten drei Monaten nicht mehr an wichtige Dinge erinnern? (klinische Einschätzung dessen, welche Dinge wichtig sind; nicht nur aus der Sicht der befragten Person; nicht aufgrund von Drogen)
Paranoide Vorstellungen
9.6 Wie häufig hatten Sie in den letzten drei Monaten Probleme damit, sehr misstrauisch anderen gegenüber zu sein? (Die Vorstellung ist hier entscheidend, nicht aufgrund von Drogen)
9.7 Wie häufig waren Sie in den letzten drei Monaten überzeugt davon, andere hätten es auf Sie abgesehen oder würden Sie verfolgen? (In diesem Item geht es um vorübergehende Wahnvorstellungen, nicht aufgrund von Drogen)
9.8 Wie häufig waren Sie in den letzten drei Monaten überzeugt davon, dass Sie von anderen Menschen unfair behandelt werden? (In diesem Item geht es um vorübergehende Wahnvorstellungen, nicht aufgrund von Drogen)
Durchführung
Testformen
Der BPDSI-IV wird als Einzeltest durchgeführt. Es gibt eine holländische Version jeweils für Jugendliche und für Eltern (BPDSI-IV-ado und BPDSI-IV-p; Schuppert, Nauta & Giesen-Bloo, 2007).
Altersbereiche
Das Verfahren eignet sich für BPS-Patienten im Alter von 18 bis 60 Jahren (Kröger et al., 2013, S. 397).
Durchführungszeit
Das Interview dauert eine bis anderthalb Stunden (Kröger et al., 2013, S. 399).
Material
Zu den Materialien zählen der Interviewleitfaden und der Bewertungsbogen.
Instruktion
Das Interview enthält die Instruktionen und Durchführungshinweise. Die Fragen werden vom Testleiter wortwörtlich vorgelesen. Da es sich um ein semistrukturiertes Interview handelt, sind frei formulierte Fragestellungen möglich, die sich speziell auf den Interviewten beziehen.
Durchführungsvoraussetzungen
Das Verfahren kann ausschließlich von Personen durchgeführt werden, die klinisch geschult sind. Es kann wiederholt eingesetzt werden - jedoch vom selben Testleiter - und es sollten neben den Standardfragen weitere Fragen (z. B. Fragen nach Beispielen, besonderen Geschehnissen oder Depersonalisation nach Drogenmissbrauch in den letzten drei Monaten) gestellt werden, um eine sichere Bewertung des Kriteriums zu gewährleisten. Unklarheiten und Unsicherheiten sollten auf dem Bewertungsbogen mitnotiert werden.
Testkonstruktion
Das semistrukturierte Interview ist die deutsche Übersetzung des BPDSI - Version IV (Arntz et al., 2003; Giesen-Bloo, Wachters, Schouten & Arntz, 2006; Schuppert et al., 2007). Das Originalinterview stammte von Weaver und Clum (1993), welches Arntz und Kollegen (2003, S. 46-47) aus dem Amerikanischen ins Holländische übersetzt und leicht verändert haben. Erfasst wurden die BPS-Symptome aus den letzten 12 Monaten mit 71 Items. Das Interview wurde an 19 Patienten mit unterschiedlichen Störungsbildern getestet. Eine Faktorenanalyse und Analyse der Reliabilität führte zur Reduzierung der Itemzahl auf 63 und einer internen Konsistenz (Cronbachs Alpha) von .98 für den Gesamtwert (BPS-Patienten). Das Item "calling friends to avoid boredom or emptiness" wies mit r = -.09 die geringste Iteminterkorrelation auf. Die "Affektive Instabilität" wurde mit drei statt vier Items erhoben. Der Gebrauch von Alkohol und Drogen wurde getrennt erfasst. Anschließend wurden sieben neue Items aufgenommen zur Ermittlung des im DSM-IV hinzugefügten neunten Kriteriums (= Dissoziation). Zudem bezogen sich die Items nun auf die letzten drei Monate. Eine elfstufige Skalierung wurde gewählt (Ausnahme "Identität" mit fünfstufiger Ratingskala). In einer weiteren Studie von Arntz und Kollegen (2003, S. 56) wurden die psychometrischen Daten erneut erhoben und drei Cut-off-Werte nach den Kriterien von Jacobson und Truax (1991) festgelegt: Bei einem Gesamtwert im BPDSI-IV über 15 liegt eine BPS vor, Werte zwischen 10 und 15 gelten als grenzwertig und unter 10 als unauffällig. Eine psychometrische Überprüfung der holländischen Version für Jugendliche und für Eltern wird berichtet von Schuppert, Bloo, Minderaa, Emmelkamp und Nauta (2012).
Eine bilinguale Psychologin übertrug die Items ins Deutsche, die dann von ihrem bilingual aufgewachsenen Ehemann mit australischer Herkunft, der ebenfalls Psychologe ist, rückübersetzt wurden. Zusammen mit dem Erstautor Kröger wurden einzelne Abweichungen in den Übersetzungen besprochen und behoben (Kröger et al., 2013, S. 398). Der BPDSI-IV wurde an einer deutschen Stichprobe validiert. Die Items weisen einen mittleren Schwierigkeitsindex von P = .33 (SD = .23) auf. Die korrigierten Trennschärfekoeffizienten nach Pearson und Spearman variieren sehr stark in der BPS-Gruppe (ritc < .05-.66). In den anderen Gruppen ist die Anzahl an nicht-trennscharfen Items höher. Iteminterkorrelationen (nach Pearson) innerhalb einer Skala liegen zwischen r = .14 ("Impulsivität") bis r = .61 ("Affektive Instabilität"). Unabhängig der Skalen wird eine mittlere Iteminterkorrelation von r = .18 erreicht. Anhand einer konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA) wurde die Eindimensionalität der Skalen bzw. des Tests untersucht bzw. ob die neun Skalen die neun DSM-IV-Kriterien abbilden. Das Ergebnis der CFA dieser Daten fällt heterogen aus (Vonau, 2009; siehe unter "Validität").
Gütekriterien
Objektivität
Aufgrund der Semistrukturiertheit des Verfahrens ist die Objektivität des Verfahrens nie vollständig gegeben. Trotz der standardisierten Instruktion sowie des Einsatzes von geschulten Interviewern wird die Durchführungsobjektivität durch Interaktionseffekte eingeschränkt. Die Interraterreliabilität wurde anhand einer Blindeinschätzung durch einen Rater ermittelt. Der Rater erhielt 20 Videoaufnahmen von 20 Interviewten, von denen 16 eine BPS und sechs eine Achse-I-Störung hatten. Die Interviews wurden von drei Personen durchgeführt. Für den Gesamtwert wurde eine Intraklassenkorrelation von ICC = .97 erzielt; die ICCs der Subskalen bewegen sich zwischen .87 und .99, was auf eine gute Auswertungsobjektivität hinweist. Die Interpretationsobjektivität wird durch Mittelwerte und Cut-off-Werte gewährleistet, jedoch ist zu beachten, dass die Zusammensetzung der Werte auf Skalenebene bei jedem Patienten unterschiedlich sein kann und somit zwei identische Skalenwerte keine identische Symptomausprägung abbilden müssen (Vonau, 2009, S. 85).
Reliabilität
Die Skalenhomogenität und die Interne Konsistenz (Cronbachs Alpha) wurden berechnet, jeweils getrennt mit BPS-Patienten und der Gesamtgruppe (Kröger et al., 2013; Vonau, 2009, S. 86). Für den Gesamtscore liegt die Interne Konsistenz bei Alpha = .90 (BPS-Patienten) bzw. .96 (Gesamtgruppe). Für die einzelnen Subskalen ergeben sich niedrigere Koeffizienten (BPS-Gruppe mit Alpha = .49-.76; Gesamtgruppe mit Alpha = .69-.89). Der niedrigste Wert findet sich für die Skala "Gefühl der Leere", was auf die geringe Itemanzahl zurückzuführen ist. "Impulsivität" mit Alpha = .54 weist die niedrigste Iteminterkorrelation auf (r = .22, BPS-Gruppe). Mit r = .30 und r = .33 folgen die Skalen "Gefühl der Leere" und "Identität". Alle weiteren Skalen weisen mittelhohe Werte, die sich zwischen r = .40 und .52 bewegen. Diese Werte beziehen sich auf die BPS-Gruppe. Die Werte der Gesamtgruppe fallen höher aus mit r = .33 ("Impulsivität") bis r = .73 ("Affektive Instabilität").
Validität
Die konvergente und divergente Validität wurden berechnet. BPS-Patienten (n = 163) erreichen erwartungsgemäß höhere Scores (Mittelwerte) im BPDSI-IV und im BPS-Modul des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV, Achse II (SKID-II; Fydrich, Renneberg, Schmitz & Wittchen, 1997) als andere Gruppen (Gruppe mit einer gemischten psychiatrischen Störung (n = 58) und gesunde Gruppe (n = 43); Kröger et al., 2013, S. 399-400, Table 3). So erreicht die BPS-Gruppe im BPDSI-IV einen mittleren Gesamtwert von M = 34.65 (SD = 10.27) und im SKID-II liegt der Mittelwert für den BPS-Modul bei M = 23.66 (SD = 1.88). Die Mittelwerte der anderen beiden Gruppen in den beiden Instrumenten fallen vergleichsweise niedriger aus (Gemischte psychiatrische Störung: M = 12.43, SD = 5.88 im BPDSI-IV, M = 11.20, SD = 1.78 im SKID-II BPD-Modul; Gesunde Gruppe: M = 3.59, SD = 2.74 im BPDSI-IV, M = 9.79, SD = 1.46 im SKID-II BPD-Modul). Auch finden sich in drei Selbsteinschätzungsverfahren, Beck-Depressions-Inventar (BDI; Hautzinger, Bailer, Worall & Keller, 1995), Fragebogen zu dissoziativen Symptomen (FDS; Freyberger, Spitzer & Stieglitz, 1999) und Barratt Impulsiveness Scale - deutsche Version (BIS-11; Preuss et al., 2008) relativ hohe Mittelwerte (Kröger et al., 2013, S. 400). Korrelationsberechnungen (nach Spearman) mit den BPDSI-IV-Skalen und den BPS-Kriterien des SKID-II und dem D-Score belegen, dass die korrespondierenden Subskalen erwartungsgemäß signifikant miteinander korrelieren. Die Werte verteilen sich zwischen r = .16 für "Zwischenmenschliche Beziehungen" und .52 für "BPS-SKID-II-D-Wert" und dem Gesamtwert in BPDSI-IV (Kröger et al., 2013). In der Dissertation von Vonau (2009) findet sich zusätzlich eine Tabelle mit den Ergebnissen der Gesamtgruppe (S. 63, Tabelle 16). Die Korrelationskoeffizienten der Gesamtgruppe fallen vergleichsweise höher aus, was auf die höhere Varianz in der gesamten Gruppe zurückgeführt wird. Kröger et al. (2013) sowie Vonau (2009) berichten jedoch auch von korrelativen Zusammenhängen zwischen den BPDSI-IV-Subskalen und den Selbsteinschätzungsverfahren BDI, FDS, BIS-11 - bei Vonau zusätzlich die Skala zur Erfassung der Impulsivität der Borderline-Persönlichkeitsstörung (IS-27 bzw. IES-27; Kröger & Kosfelder, 2011; Kröger, Theysohn, Hartung, Vonau, Lammers, Kosfelder, 2010) sowie das Brief Symptom Inventory (BSI; Geisheim et al., 2002; siehe Tabelle 2). Es wurden mit Ausnahme der korrespondierenden BPDSI-IV-Subskalen niedrigere Zusammenhänge erwartet. Kröger und Kollegen (2010, 2013) weisen darauf hin, das BPS durch eine hohe Komorbiditätsrate mit anderen psychischen Störungen gekennzeichnet ist. Dies kann als Erklärung z. B. für die relativ hohen Korrelationswerte der BPS-Patienten mit dem BDI herangezogen werden.
Tabelle 1
Korrelationen zwischen BPDSI-IV und SKID-II-D (n = 163 BPS-Patienten; modifiziert nach Kröger et al., 2013, S. 401, Table 4; Vonau, 2009, S. 64, Tabelle 17)
BPDSI-IV | SKID-II-Kriterien für BPS | |||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | D-Wert | |
1 | .33** | .11 | .04 | .09 | -.13 | .02 | .04 | .19** | -.15 | -.26** |
2 | .20** | .16* | .03 | .10 | -.08 | .10 | .14* | .24** | -.10 | .34** |
3 | .02 | .15* | .39** | .06 | .01 | .05 | .18* | -.07 | .04 | .36** |
4 | .04 | .00 | .09 | .45** | .04 | -.03 | .11 | .16* | .05 | .35** |
5 | -.05 | -.14* | .13 | .08 | .40** | -.02 | .17* | -.10 | .17* | .20** |
6 | -.07 | .10 | .23** | .06 | .16* | .18* | .06 | .11 | .01 | .33** |
7 | -.04 | .03 | .16* | .22** | -.09 | -.03 | .25** | .12 | .08 | .30** |
8 | .06 | .12 | .01 | .10 | -.07 | .09 | .04 | .50** | -.08 | .33* |
9 | .02 | .05 | .13 | .12 | -.01 | .05 | .10 | .07 | .40** | .40** |
Gesamt | .07 | .13 | .23** | .22** | -.01 | .09 | .19** | .24** | .04 | .52** |
Tabelle 2
Korrelationen zwischen BPDSI-IV und drei Selbst- und zwei Fremdeinschätzungsverfahren (n = 163 BPS-Patienten; modifiziert nach Kröger et al., 2013, S. 401, Table 4; Vonau, 2009, S. 65, Tabelle 18)
BPDSI-IV | BDI | FDS | BIS-11 | BSI (GSI) | IS-27 |
---|---|---|---|---|---|
1 | .03 | .26** | .11 | .21** | .26** |
2 | .10 | .17* | .17* | .23** | .28** |
3 | .35** | .29** | .10 | .39** | .41** |
4 | .33** | .28** | .36** | .41** | .50** |
5 | .63** | .32** | .07 | .49** | .51** |
6 | .43** | .31** | .19** | .48** | .50** |
7 | .35** | .30** | .30** | .48** | .37** |
8 | .21** | .24** | .25** | .35** | .39** |
9 | .41** | .54** | .22** | .56** | .47** |
Gesamt | .48** | .47** | .31** | .68** | .63** |
Einen weiteren Hinweis für die konvergente Validität des BPDSI-IV liefern Kröger et al. (2010). Sie führten eine Korrelationsberechnung (nach Spearman) mit der deutschen Version des McLean Screening Instrument for Borderline Personality Disorder (MSI-BPD; Zanarini et al., 2003) und dem BPDSI-IV-Gesamtwert durch und erhielten einen hochsignifikanten Koeffizienten von r = .78 in der BPS-Gruppe (vs. Gruppe ohne BPS: r = .44). Für den Nachweis der Konstruktvalidität wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt, die jedoch sehr heterogen ausfiel. Insgesamt konnten vier der neun Skalen als eindimensional interpretiert werden (Vonau, 2009, S. 66). Zudem wurden die Zusammenhänge zwischen den Subskalen berechnet. Die Skala "Gefühl der Leere" und "Verlassenwerden" korrelieren an niedrigsten mit r = .09 (nach Spearman r = .08); die höchste Korrelation findet man zwischen der Skala "Gefühl der Leere" und "Affektive Instabilität" mit r = .48 (non-parametrisch r = .47). Die höchste Korrelation zeigt die Skala "Identität" mit dem Gesamtwert des BPDSI-IV (r = .71; Vonau, 2009, S. 65-66). Die Veränderungssensitivität des BPDSI-IV wurde in einem Zeitraum von 12 Wochen an n = 40 stationären BPS-Patienten untersucht (Vonau, 2009; Vonau, Kröger & Hahlweg, 2008). Die Mittelwerte zu Behandlungsbeginn und -ende wurden miteinander verglichen, die Differenzen der Prä-Post-Mittelwerte wurden miteinander korreliert, die Effektstärken sowie Cronbachs Alpha zur Überprüfung der Veränderung der internen Konsistenz wurden berechnet. Zu erwarten war, dass die Werte zum Behandlungsende (t2) niedriger sind als zu Anfang (t1). In Tabelle 3 sind alle Ergebnisse zusammengefasst.
Tabelle 3
Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD) der Prä- und Postwerte, Cronbachs Alpha (a), t-Statistik mit entsprechendem p sowie die Intra-Gruppen-Effektstärken (ES) mit dem jeweiligen 95%-Konfidenzintervall (95%-KI; modifiziert nach Vonau, 2009, S. 74, Tabelle 21).
BPDSI-IV- Skalen | Prä | Post | t | p | ES | 95%-KI | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
M | (SD) | a | M | (SD) | a | |||||
1 | 3.12 | (1.99) | .76 | 2.58 | (1.88) | .81 | 2.40 | .05 | .28 | .04 - .51 |
2 | 2.89 | (1.62) | .73 | 2.83 | (1.36) | .62 | 0.28 | .78 | .04 | -.23 - .31 |
3 | 3.77 | (2.06) | .70 | 3.48 | (2.13) | .76 | 0.79 | .44 | .14 | -.21 - .48 |
4 | 1.96 | (1.09) | .46 | 1.13 | (0.79) | .49 | 6.00 | .01 | .88 | .54 -1.21 |
5 | 2.29 | (1.30) | .72 | 1.45 | (1.07) | .75 | 6.26 | .01 | .71 | .44 - .97 |
6 | 7.43 | (1.60) | .68 | 6.89 | (1.63) | .68 | 2.26 | .05 | .33 | .03 - .64 |
7 | 6.06 | (2.40) | .72 | 5.13 | (1.91) | .58 | 2.67 | .01 | .43 | .10 - .76 |
8 | 3.31 | (1.98) | .76 | 2.49 | (1.48) | .62 | 2.91 | .01 | .47 | .14 - .80 |
9 | 3.80 | (2.05) | .76 | 3.57 | (1.77) | .78 | 0.77 | .45 | .12 | .17 - .42 |
Gesamt | 34.65 | (10.11) | .92 | 29.55 | (9.34) | .92 | 4.34 | .01 | .52 | .26 - .79 |
Aus der Tabelle 3 wird ersichtlich, dass in sechs Subskalen (Verlassenwerden, Impulsivität, Parasuizidale Verhaltensweisen, Affektive Instabilität, Gefühl der Leere sowie Wutausbrüche) signifikante Mittelwertsunterschiede zwischen Prä- und Posttestung gefunden wurden. Die Interne Konsistenz blieb sowohl im Gesamtwert als auch innerhalb der Subskalen ziemlich unverändert. Nur der Alpha-Wert der Skala "Gefühl der Leere" sank von Alpha = .72 auf .58. Die Berechnung der Intra-Gruppen-Effektstärke wurde aufgrund fehlender Kontrollgruppe gewählt. Innerhalb der Subskalen variierten die Effektstärken zwischen ES = .04 (95%-KI = -.23 - .31, "Zwischenmenschliche Beziehungen") und ES = .88 (95%-KI = .54 - 1.21, "Impulsivität"). Der Gesamtwert liegt im mittleren Bereich (Vonau, 2009, S. 72-73). Der BPDSI-IV weist eine Sensitivität von 94% und eine Spezifität von 93% auf (S. 78).
Normierung
Es liegen drei Cut-off-Werte vor (Arntz et al., 2013):
(1) Gesamtwert über 15 = BPS liegt vor;
(2) Werte zwischen 10 und 15 = grenzwertig und
(3) Wert unter 10 = unauffällig.
Weitere Angaben zur Normierung fehlen.
Anwendungsmöglichkeiten
Als klinisches Verfahren erfasst der BPDSI-IV spezifische BPS-Symptome und kann insbesondere zur Therapieerfolgsmessung eingesetzt werden (Arntz et al., 2003, S. 57, Vonau, 2009, S. 22). Zudem sollte er in der Forschung zur Identifikation von klinischen Normen auf internationaler Ebene sowie zur Bestimmung von Einflussfaktoren, wie z. B. der Komorbidität mit Achse-I-Störungen, angewendet werden (S. 57).
Bewertung
Der BPDSI-IV ist ein semistrukturiertes, klinisches Interviewverfahren, welches spezifische BPS-Symptome der letzten drei Monate erfasst. Mit seinen neun Subskalen (Verlassenwerden, Zwischenmenschliche Beziehungen, Identität, Impulsivität, Parasuizidales Verhalten, Affektive Instabilität, Gefühl der Leere, Wutausbrüche, Dissoziation und Paranoide Vorstellungen) orientiert es sich an den DSM-IV-Kriterien. Die Testkonstruktion ist nachvollziehbar, die Objektivität aufgrund seiner Halbstrukturiertheit nicht völlig gewährleistet, das Verfahren ist jedoch reliabel und valide. Die Interne Konsistenz des Gesamtwertes ist sehr hoch, die der einzelnen Subskalen fallen niedriger aus. Als Nachweis der Stabilität der Werte wird eine Analyse der Retestreliabilität von Kröger und Kollegen (2013, S. 401) angestrebt. In Bezug auf die Validität wurden zahlreiche Berechnungen durchgeführt. Mit Ausnahme der faktoriellen Validität konnten gute Ergebnisse (signifikante Korrelationen mit ähnlichen Testverfahren und ähnlichen Skalen, signifikante Mittelwertsvergleiche) erzielt werden. Die Autoren kritisieren jedoch, dass die Interviewer über das Störungsbild der Patienten Bescheid wussten und somit die Ergebnisse des Verfahrens gesteigert und die Validität beeinflusst sein könnte (Kröger et al., 2013).
Das Verfahren gilt als veränderungssensitiv, sodass es zur Therapieerfolgsmessung eingesetzt werden kann. Neben seiner hohen Praxistauglichkeit (Vonau et al., 2008), erfasst der BPDSI-IV im Vergleich zu anderen Tests spezifische BPS-Beschwerden innerhalb der letzten drei Monate, was sich positiv auf die Qualität und den Verlauf einer Therapie auswirkt (Kröger et al., 2013, S. 401).
Erstmals publiziert in:
Kröger, C., Vonau, M., Kliem, S., Roepke, S., Kosfelder, J. & Arntz, A. (2016). BPDSI-IV. Borderline Personality Disorder Severity Index - Version IV. In Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) (Hrsg.), Elektronisches Testarchiv. Trier: ZPID. https://doi.org/10.23668/psycharchives.455 PSYNDEX Dok.-Nr. 9007150
Literatur
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Freyberger, H. J., Spitzer, C. & Stieglitz, R.-D. (1999). Fragebogen zu dissoziativen Symptomen. FDS. Ein Selbstbeurteilungsverfahren zur syndromalen Diagnostik dissoziativer Phänomene. Deutsche Adaptation der Dissociative Experience Scale (DES) von E. Bernstein und F. W. Putnam. Bern: Huber. PSYNDEX Dok.-Nr. 9003772
Fydrich, T., Renneberg, B., Schmitz, B. & Wittchen, H.-U. (1997). Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, Achse-II (SKID-II). Göttingen: Hogrefe. PSYNDEX Dok.-Nr. 0353324
Geisheim, C., Hahlweg, K., Fiegenbaum, W., Frank, M, Schröder, B. & von Witzleben, I. (2002). Das Brief Symptom Inventory (BSI) als Instrument zur Qualitätssicherung in der Psychotherapie. Diagnostica, 48, 28-36. PSYNDEX Dok.-Nr. 0152739
Giesen-Bloo, J. H., Wachters, L. M., Schouten, E. & Arntz, A. (2006). Assessment of borderline personality disorder with the Borderline Personality Disorder Severity Index-IV: psychometric evaluation and dimensional structure. In J. H. Giesen-Bloo (Ed.), Crossing Borders: Theory, assessment and treatment in Borderline Personality Disorder (pp. 69-84). Maastricht: Universiteit Maastricht: Universiteit Maastricht.
Hautzinger, M., Bailer, M., Worall, H. & Keller, F. (1995). Beck-Depressions-Inventar (BDI) (2., überarbeitete Auflage). Bern: Huber.
Jacobson, N. S. & Truax, P. (1991). Clinical significance: A statistical approach to defining meaningful change in psychotherapy research. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 59, 12-19.
Kröger, C. & Kosfelder, J. (2011). IES-27. Skala zur Erfassung der Impulsivität und emotionalen Dysregulation der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Göttingen: Hogrefe. PSYNDEX Dok.-Nr. 9005969
Kröger, C., Theysohn, S., Hartung, D., Vonau, M. K., Lammers, C.-H. & Kosfelder, J. (2010). Die Skala zur Erfassung der Impulsivität der Borderline-Persönlichkeitsstörung (IS-27) Ein Beitrag zur Qualitätssicherung in der Psychotherapie. Diagnostica, 56 (3), 178-189. PSYNDEX Dok.-Nr. 0229732
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Orginalfassung/Anderssprachlige Fassungen
Schuppert, H. M., Nauta, M. H. & Giesen-Bloo, J. (2007). Borderline Personality Disorder Severity Index - IV - adolescent and parent version. Groningen, Accare: Universitair Centrum voor Kinder- en Jeugdpsychiatrie Groningen.
Weaver, T. L. & Clum, G. A. (1993). Early family environments and traumatic experiences associated with Borderline Personality Disorder. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 61, 1068-1075.
Rückmeldeformular
Rückmeldung über die Anwendung eines Verfahrens aus dem Testarchiv des Leibniz-Instituts für Psychologie (ZPID) an die Testautoren/-innen
Kontaktdaten
Hon. Prof. Dr. Melanie Vonau, Technische Universität Braunschweig, Institut für Pädagogische Psychologie, Universitätsplatz 2, D-38106 Braunschweig
Prof. Dr. A. R. Arnoud Arntz, Faculty of Social and Behavioural Sciences Programme group Clinical Psychology, REC G Nieuwe Achtergracht 129, NL-1018 WS Amsterdam, Niederlande
Prof. Dr. Christoph Kröger, Stiftung Universität Hildesheim, Institut für Psychologie, Hochschulambulanz für Forschung und Lehre (Erwachsene), Universitätsplatz 1, D-31141 Hildesheim
Prof. Dr. Sören Kliem, Dipl.-Psych., Ernst-Abbe-Hochschule Jena, Fachbereich Sozialwesen, Carl-Zeiss-Promenade 2, D-07745 Jena
Prof. Dr. Joachim Kosfelder, Dipl.-Psych., Hochschule Düsseldorf - University of Applied Sciences (HSD), Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, Münsterstraße 156, Gebäude 3 Etage 2, D-40476 Düsseldorf
Prof. Dr. med. Stefan Röpke, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Oberarzt, Leiter des Bereichs Persönlichkeitsstörungen, Posttraumatische Belastungsstörung sowie der Autismusambulanz, Campus Benjamin Franklin, Hindenburgdamm 30, D-12200 Berlin