Testinstrumente sortiert
Ansprechpartnerin
Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
Zuständigkeit: Open Test Archive
+49 (0)651 201-4934 (Mi-Do vormittags)
guek@leibniz-psychology.org
Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
CPI
Complex Personality Inventory
Kurzabstract
Das Complex Personality Inventory (CPI) nach Himmer-Gurdan (2007) ist ein modernes bimodales Messinstrument zur Erfassung komplexer, vielschichtiger und facettenreicher Persönlichkeit. Angelehnt an das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (Costa & McCrae, 1985) wurden die fünf Dimensionen Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen und Neurotizismus eigenständig operationalisiert und zu jedem dieser Faktoren die jeweils komplementäre Dimension entwickelt. Es beinhaltet 13 Skalen und insgesamt 70 Items. Reliabilität: Die Reliabilität der einzelnen Skalen (Cronbachs Alpha) liegt zwischen α =.72 und α = .86. Validität: Die Konstrukt- und Kriteriumsvalidierung erfolgte mit dem NEO-FFI von Borkenau und Ostendorf (1993, dt. Übersetzung; Original von Costa & McCrae, 1985) sowie an verschiedenen Außenkriterien.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2022). Open Test Archive: CPI. Complex Personality Inventory. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9008500
Zitierung
Gurdan, S. (2022). CPI. Complex Personality Inventory [Verfahrensdokumentation unter Mitarbeit von Susanne Catteau und Fragebogen]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.6903
Kurzinformationen
Kurzname CPI
Engl. Name Complex Personality Inventory
Autoren Gurdan, S.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2022
Copyright/Lizenz Copyright Autorin; CC-BY-SA 4.0
Schlagworte Extraversion; Introversion; Fünffaktorenmodell der Persönlichkeit; Offenheit für Erfahrungen; Neurotizismus; Verträglichkeit (Persönlichkeit); Gewissenhaftigkeit
Sprachversionen deu
Konstrukt Big Five
Altersbereich 14-80 Jahre
Itemzahl 70 Items
Subskalen 13 Subskalen
Durchführungszeit 10-15 Minuten
Auswertungsdauer 5-10 Minuten
Interne Konsistenz: Cronbachs Alpha liegt zwischen α =.72 und α = .86.
Hinweise zur Konstrukt- und Kriteriumsvalidität.
N = 881; Normierungsjahr: 2006 (n1 = 120), 2014/15 (n2 = 413) und 2017/18 (n3 = 348).
Anwendungsbereich Forschung; Persönlichkeitsdiagnostik; Berufsberatung; Personalauswahl
Diagnostische Zielsetzung
Das Complex Personality Inventory (CPI) nach Himmer-Gurdan (2007) ist ein modernes bimoda-les Messinstrument zur Erfassung komplexer, vielschichtiger und facettenreicher Persönlichkeit.
Aufbau
Das CPI beinhaltet 13 Skalen und insgesamt 70 Items. Die einzelnen Items werden auf einer fünf-stufigen Likert-Skala beantwortet von 1: „trifft nicht zu bis 5: trifft voll zu. Die Skalen des CPI lauten: Extraversion, Introversion, Gewissenhaftigkeit, Gelassenheit, Soziale Orientierung, Autonome Orientierung, Offenheit, Traditionsbewusstsein, Selbstreflexion, Selbst-vertrauen, Sensitivität, Resilienz und Fluides Selbstkonzept.
Grundlagen und Konstruktion
Das CPI wurde auf der Grundlage der klassischen Testtheorie konstruiert. Angelehnt an das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (Costa & McCrae, 1985) wurden die fünf Dimensionen Extra-version, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen und Neurotizismus eigen-ständig operationalisiert und zu jedem dieser Faktoren die jeweils komplementäre Dimension entwickelt.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Die Reliabilität der einzelnen Skalen (Cronbachs Alpha) liegt zwischen α =.72 und α = .86.
Validität: Die Validierung erfolgte an den Big Five (erfasst mit dem NEO-FFI von Borkenau & Ostendorf, 1993, dt. Übersetzung; Original von Costa & McCrae, 1985) sowie verschiedenen Außenkriterien. Die Ergebnisse indizieren Konstrukt- und Kriteriumsvalidität (Himmer-Gurdan, 2007).
Normen: Tabelle 1 unter „Testaufbau“ zeigt die Referenzwerte zur Interpretation der CPI-Daten (siehe vollständige Beschreibung). Die Normstichprobe umfasst N = 881 Personen aus der Allgemeinbevölkerung.
Testkonzept
Theoretischer Hintergrund
Im Zeitalter der Globalisierung, Diversität und des technologischen Fortschritts wächst die Vielfalt an Entwicklungs- und Verwirklichungsmöglichkeiten für das Individuum, so dass ein facettenreiches, breites intraindividuelles Persönlichkeitsspektrum wertvoll bei der Anpassung an sich verändernde Bedingungen sein kann (Himmer-Gurdan, 2007). Das Complex Personality Inventory (CPI) nach Himmer-Gurdan (2007) ist ein modernes bimodales Messinstrument zur Erfassung komplexer, vielschichtiger und facettenreicher Persönlichkeit.
Dem Inventar liegt eine Betrachtungsweise zugrunde, die die Möglichkeit einer gleichzeitigen und gleichwertigen Existenz gegensätzlicher Persönlichkeitsanteile innerhalb eines Menschen zulässt, ohne dass diese Anteile sich gegenseitig ausschließen müssen. Mittels CPI lassen sich gegensätzliche Eigenschaften, wie etwa Extraversion und Introversion, intraindividuell unabhängig voneinander einschätzen und kombiniert betrachten (Himmer-Gurdan, 2007). Auf diese Weise lässt sich die potenzielle Adaptivität der Vielschichtigkeit und ein möglicher Mehrwert der kombinierten Betrachtung von Eigenschaft und Komplement bei der Erklärung und Vorhersage menschlichen Erlebens und Verhaltens empirisch überprüfen.
Das CPI ermöglicht die getrennte, bimodale Erfassung gegensätzlicher Eigenschaften und unterscheidet sich dahingehend von Persönlichkeitsinventaren, die eine bipolare Messung entlang zweier sich gegensätzlich ausschließender Pole vornehmen (Himmer-Gurdan, 2007). Die Vorteile einer bimodalen Erfassung liegen vor allem in einer hohen Akzeptanz bei den Testpersonen, differenzierteren Messungen der Persönlichkeit und inkrementeller Validität durch verbesserte Regressionswerte in Bezug auf unterschiedliche Außenkriterien (ebd.).
Angelehnt an das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (Costa & McCrae, 1985) wurden die fünf Dimensionen Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen und Neurotizismus eigenständig operationalisiert und zu jedem dieser Faktoren die jeweils komplementäre Dimension entwickelt (Himmer-Gurdan, 2007).
Tabelle 1
Eigenschaften und komplementäre Eigenschaften (CPI)
Eigenschaft | Komplementäre Eigenschaft |
---|---|
Extraversion | Introversion |
Gewissenhaftigkeit | Gelassenheit |
Soziale Orientierung (Verträglichkeit) | Autonome Orientierung |
Offenheit | Traditionsbewusstsein |
Selbstreflexion (Blick auf die Schwächen) | Selbstvertrauen (Blick auf die Stärken) |
Sensitivität (Berührbarkeit, Anfälligkeit) | Resilienz (Widerstandsfähigkeit) |
Anmerkung. Fluides Selbstkonzept als 13. Faktor nicht aufgeführt.
Tabelle 1 zeigt die komplementären Eigenschaftspaare: Introversion als Komplement zu Extraversion, Gelassenheit als Komplement zu Gewissenhaftigkeit, autonome Orientierung als Komplement zu sozialer Orientierung (Verträglichkeit), Traditionsbewusstsein als Komplement zu Offenheit. Der Faktor Neurotizismus wurde zur Verringerung sozial erwünschten Antwortverhaltens aufgespalten in Sensitivität (Berührbarkeit, Anfälligkeit) und Selbstreflexion (Blick auf die Schwächen), die dazu komplementären Eigenschaften sind Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und Selbstvertrauen (Blick auf die Stärken). Das fluide Selbstkonzept als 13. Faktor bildet unabhängig von den ersten 12 Faktoren die individuelle Wandelbarkeit und Flexibilität einer Person ab.
Diesem Ansatz zur Persönlichkeitsbeschreibung liegt die Sichtweise zugrunde, dass sowohl die Big Five als auch ihre Komplemente wertvolle und potenziell adaptive menschliche Qualitäten darstellen. Verlässt man die Ebene einzelner Faktoren und betrachtet man Eigenschaft und Komplement in Kombination, werden Facettenreichtum, Komplexität und Vielschichtigkeit innerhalb der menschlichen Persönlichkeit sichtbar, die gegensätzliche Eigenschaften in sich vereinen kann.
Durch die integrative Struktur des CPI kann einem möglichen Problem bei der Beantwortung von Fragebogenitems entgegengewirkt werden. Es kann Personen schwerfallen, sich für eine Antwortmöglichkeit zu entscheiden, wenn verschiedene, gegensätzliche Ausprägungen in unterschiedlichen Situationen zutreffen. Das CPI ermöglicht, diese Gegensätze unabhängig voneinander einzuschätzen und lässt damit ein Sowohl-als-auch zu, anstatt ein Entweder-oder zu forcieren. Gegensätze und scheinbare Unvereinbarkeiten werden auf diese Weise als Komponenten von Vielschichtigkeit sichtbar und können innerhalb einer komplexen Persönlichkeitsstruktur gleichwertig koexistieren (Himmer-Gurdan, 2007).
Profile von Personen, die ein breites Eigenschaftsspektrum integrieren, werden durch eine eindimensionale Betrachtung nicht adäquat abgebildet, wenn höhere Werte der gegensätzlichen Eigenschaft durch Umpolung als niedrige Werte der Eigenschaft in die Berechnung der Gesamtskala der Eigenschaft eingehen (Himmer-Gurdan, 2007). Auf diese Weise mitteln sich hohe Ausprägungen auf beiden Polen gegenseitig aus (ebd.). Das Resultat wäre zum Beispiel eine mittlere Ausprägung auf der Skala Extraversion, die das tatsächliche Eigenschaftsprofil nicht reflektiert und Unterschiede im Persönlichkeitsspektrum verdeckt. Bedingt durch diesen Informationsverlust lassen sich interindividuelle Unterschiede im Verhalten, die auf solche Profilunterschiede zurückzuführen sind, nicht erklären (ebd.). Personen, die bei eindimensionaler Betrachtungsweise einen mittleren Wert auf der Skala Extraversion erreichen, können bei zweidimensionaler Betrachtung unterschiedliche Profile aufweisen:
- Mittlere Extraversion und mittlere Introversion,
- hohe Extraversion und hohe Introversion oder
- niedrige Extraversion und niedrige Introversion.
Durch die getrennte Erhebung beider Dimensionen werden diese Profilunterschiede sichtbar und können zur Erklärung von Verhaltensunterschieden beitragen (ebd.).
Himmer-Gurdan (2007) konnte zeigen, dass durch das erweiterte Persönlichkeitsspektrum im Vergleich zu den Big Five (erfasst mit dem NEO-FFI von Borkenau & Ostendorf, 1993, dt. Übersetzung; Original von Costa & McCrae, 1985) ein Zugewinn an Varianzaufklärung (≥ 8 %) für verschiedene Außenkriterien (vgl. 4.3 Validität) erreicht werden konnte.
Vielschichtige Persönlichkeiten, die ein breites Eigenschaftsspektrum in sich vereinen, erwiesen sich als besonders flexibel und kreativ (Himmer-Gurdan, 2007). Dies indizieren positive Zusammenhänge zwischen Vielschichtigkeit und situativer Flexibilität (r =.45, p < .01), sozialer Flexibilität (r = .64, p < .01), struktureller Flexibilität (r = .64, p < .01) und Kreativität (r = .43, p < .01) (ebd.).
Himmer-Gurdan (2007) untersuchte zudem Unterschiede in verschiedenen Außenkriterien in Abhängigkeit einzelner Persönlichkeitscluster:
Cluster 1: Eigenschaft (niedrige Ausprägung) und Komplement (niedrige Ausprägungen)
Cluster 2: Eigenschaft (hohe Ausprägung) und Komplement (niedrige Ausprägung)
Cluster 3: Eigenschaft (niedrige Ausprägung) und Komplement (hohe Ausprägung)
Cluster 4: Eigenschaft (hohe Ausprägung) und Komplement (hohe Ausprägung)
Sie konnte beispielsweise zeigen, dass Personen, die sich anhand ihrer Werte in Extraversion und Introversion verschiedenen Clustern zuordnen ließen, auch hinsichtlich ihrer sozialen und strukturellen Flexibilität unterschiedlich waren. Personen mit hoher Extraversion und hoher Introversion (Cluster 4) wiesen die höchsten Werte in sozialer Flexibilität und struktureller Flexibilität auf, Personen mit niedriger Extraversion und niedriger Introversion (Cluster 1) hingegen die niedrigsten Ausprägungen. Personen mit hoher Extraversion und niedriger Introversion (Cluster 2) wiesen die zweithöchsten Werte in sozialer und struktureller Flexibilität auf. Personen mit niedriger Extraversion und hoher Introversion (Cluster 3) folgten an dritter Stelle. Insgesamt resultierte hinsichtlich der sozialen und strukturellen Flexibilität: Cluster 1 < Cluster 2 < Cluster 3 < Cluster 4 (Himmer-Gurdan, 2007).
Bei eindimensionaler Betrachtung ließen sich Personen mit den höchsten (Cluster 4) und niedrigsten Flexibilitätswerten (Cluster 1) nicht voneinander unterscheiden, da durch das Herausmitteln der Unterschiede auf einer bipolaren Skala beide Personengruppen einen mittleren Wert erreichen würden. Die bimodale Betrachtung bietet die Möglichkeit, Variabilität in Außenkriterien durch solche strukturellen Unterschiede aufzuklären.
Geht man von der Annahme aus, dass Messungen potenziell reaktiv sind, d. h. durch den Messvorgang selbst die Ausprägungen im Messgegenstand verändert werden können, kann auch ein Persönlichkeitsfragebogen die Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeitsstruktur erweitern oder einschränken. Das CPI erlaubt einen erweiterten und wertschätzenden Blick auf die individuelle Persönlichkeitsstruktur und eröffnet damit neue Möglichkeiten der Selbstbeschreibung, die einen rückkoppelnden Effekt auf die Selbstwahrnehmung haben können (Himmer-Gurdan, 2007).
Persönlichkeit und Konsistenz
Der Begriff Konsistenz-Paradox (Mischel, 1983, zitiert nach Schneewind, 1992) bezeichnet das Phänomen, dass Menschen ihre Persönlichkeit konsistenter erleben als es objektive Verhaltensbeobachtungen indizieren. Bern und Allen (1974, zitiert nach Zimbardo & Gerrig., 1999, S. 528) weisen auf die Wichtigkeit hin, zwischen zeitlicher Stabilität und situationsübergreifender Konsistenz zu differenzieren.
Die Annahme, dass Personen komplementäre Eigenschaftspaare gleichzeitig verkörpern, lässt die Schlussfolgerung zu, dass Menschen in einigen Situationen beispielsweise hoch strukturiert und planvoll agieren können, während sie in anderen Bereichen eher Gelassenheit und Spontaneität zeigen. Dies bedeutet nicht, dass Personen mit komplexen Persönlichkeitsstrukturen keine relativ stabilen Eigenschaftsprofile aufweisen, denn auch eine intraindividuelle hohe Eigenschaftsbandbreite kann zeitlich stabil und interindividuell differenzierbar sein, d. h. Personen können sich in ihrer Eigenschaftsbandbreite voneinander unterscheiden (Himmer-Gurdan, 2007). Mischel beobachtete eine zeitlich stabile Inkonsistenz in eigenschaftsrelevanten Situationen, d. h. Menschen weisen eine stabile Vielfalt charakteristischer Verhaltensweisen auf (Mischel, 1983, zitiert nach Schneewind, 1992). Verhalten kann im Allgemeinen situationsabhängig sein, während interindividuelle Unterschiede im Verhalten konstant bleiben (Neyer & Asendorpf, 2018). Personen können sich über verschiedene Situationen hinweg inkonsistent verhalten, aber zeitstabile Situationsprofile aufweisen, d. h. die Rangfolge unterschiedlicher Personen in Bezug auf eine oder mehrere Merkmalsausprägungen bleibt dabei konsistent (Shoda & Mischel, 1994, zitiert nach Neyer & Asendorpf, 2018).
Persönlichkeit und Identität
Nach Keupp et al. (2002) verfügen Personen über verschiedene Teilidentitäten, die sich aus ihren Erfahrungen in unterschiedlichen Situationen und Lebensbereichen entwickeln. Diese Teilidentitäten bilden zusammen mit dem Kern und dem Wertesystem einer Person die kohärente Persönlichkeit oder Metaidentität eines Menschen.
Malloy, Albright und Kenny (1997, zitiert nach Himmer-Gurdan, 2007) zeigten in ihrer Studie zur Urteilerübereinstimmung und Rollenabhängigkeit des Verhaltens, wie verschieden diese Teilidentitäten sein können, indem sie die Persönlichkeit der Versuchspersonen (ermittelt aus den Big Five) aus verschiedenen Perspektiven erfassten. Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse der Studie. Die Quadrate symbolisieren die Fremdbilder, die Dreiecke die antizipierten Fremdbilder und der Kreis repräsentiert das Selbstbild der Person.
Abb. 1: Teilidentitäten nach einer Untersuchung von Malloy et al. (1997)
Personen erreichen somit Stabilität auf Grundlage interner Variabilität. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass bei großer interner Vielfalt der Persönlichkeitseigenschaften die Anpassung des Menschen an neue, unterschiedliche Situationen leichter fallen sollte.
Die Vielfalt der Zustände beruht nach Ulrich (1970, zitiert nach Himmer-Gurdan, 2007) nicht ausschließlich auf der Anzahl der Elemente - z. B. der Persönlichkeitseigenschaften - selbst, sondern kann individuelle Vielfalt durch Vielseitigkeit, die aus der situationsspezifischen Adjustierung der einzelnen Persönlichkeitsfacetten resultiert, charakterisiert sein.
Da eine Stasis den Stillstand eines selbstregulierenden Systems bezeichnen würde, das nicht mehr in der Lage ist, sich seinen verändernden Umweltbedingungen anzupassen, plädierten Varela und Maturana (1980, zitiert nach Himmer-Gurdan, 2007) dafür, den Begriff der Homöostase wegen der wechselseitigen Interaktion, der Beeinflussung des Systems und des Fließgleichgewichts, durch den Begriff der Homöodynamik zu ersetzen. Als gesellschaftliche Normalform wäre demnach weniger ein einheitliches Identitätssystem, sondern vielmehr ein Patchwork unterschiedlicher Teilidentitäten zu erwarten, die jeweils unterschiedlichen Eigenlogiken folgen.
Proteische Persönlichkeit
Lifton (1993) prägte die Begriffe des protean man sowie dessen protean style of self-process, die er als zeitgemäße „Persönlichkeitsschablone“ bezeichnete. Die Entwicklung der Menschen hin zu fluideren und vielseitigeren Persönlichkeiten beschrieb er als positiven Trend in der modernen Gesellschaft und die kontinuierliche Erkundung, die Entfaltung des Selbst und das Experimentieren mit unterschiedlichen Facetten der Persönlichkeit betrachtete er als eine wichtige Grundlage für geistige Gesundheit.
Der Begriff der proteischen Persönlichkeit wurde anschließend von Rifkin (2000, zitiert nach Gasteiger 2006) aufgegriffen als Bezeichnung für den vernetzten Menschen des 21. Jahrhunderts, der Generation Alpha. Der proteische Mensch ist charakterisiert durch eine extreme Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, wobei er sein Leben als Bühne betrachtet, auf der er verschiedene Rollen spielen und seine Vielfalt entwickeln und ausleben kann (ebd.).
Eine proteische Laufbahn ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Selbstverantwortlichkeit bezüglich der beruflichen Weiterentwicklung, durch Lern- und Wachstumsmotivation und durch die autonome Gestaltung des eigenen Wegs auf der Grundlage der individuellen Fähigkeiten, Ideen und Werte (zitiert nach Gasteiger, 2006).
Keupps (2005) Konzept einer Patchwork-Identität beschreibt den modernen Menschen als Architekten seines Identitätsgehäuses, das immer wieder neu konstruiert werden muss. Mit dieser veränderten Betrachtungsweise ändern sich auch die Vorstellungen und Bilder, die mit einem gelungenen Leben oder einer erfolgreichen Identitätsbildung assoziiert werden (ebd.). Die Rede ist von der „Chamäleon-Identität“: Die Identitätsgrenzen werden in Abhängigkeit verschiedener Situationen und Kontexte flüssiger, durchlässiger, veränderbarer, wechselbarer und variabler. Wichtig für eine gelingende Lebensbewältigung sind nach Keupp et al. (2002) die Fähigkeiten zur Selbstorganisation, zur Verknüpfung von Ansprüchen auf ein gutes und authentisches Leben mit den verfügbaren Ressourcen und die innere Selbstschöpfung von Lebenssinn.
Entscheidend hierbei ist, dass es nicht etwa um eine nicht mehr vorhandene Identität oder Persönlichkeit geht, sondern um einen Menschen, der sich als Resultat seiner schöpferischen Möglichkeiten neu entdecken, entfalten und finden kann ohne uneins mit sich selbst zu werden, da ihm eine Vielschichtigkeit inhärent ist (ebd.).
Testaufbau
Das CPI beinhaltet 13 Skalen und insgesamt 70 Likert-Items. Die Items werden auf einer fünfstufigen Skala beantwortet von 1 = „trifft nicht zu“ bis 5 = „trifft voll zu“.
Vorbeugen einer Tendenz zur Mitte
Die Testpersonen tragen ihre individuellen Werte als Zahlen von 1-5 auf der Likert-Skala in dafür vorgesehene Kästchen ein, anstatt Kreuze bei den entsprechenden Skalenstufen zu setzen. Dadurch sollen Antwortautomatismen, wie die Tendenz zur Mitte, erschwert werden.
Personen entscheiden sich möglicherweise auch dann für die Mitte der Skala, wenn für sie gegensätzliche Ausprägungen in unterschiedlichen Situationen zutreffen. Gerade in diesen Fällen kann die Struktur des CPI, die die Koexistenz gegensätzlicher Eigenschaften innerhalb einer Person zulässt, es erleichtern spezifischer zu antworten.
Auswertungsmodus
Für jede Skala werden die Antwortpunkte der Items zu einem Summenrohwert addiert und anschließend die Mittelwerte für alle Skalen errechnet.
Auswertungshilfen
Tabelle 2 zeigt die Referenzwerte zur Interpretation der Ergebnisse (Himmer-Gurdan, 2007).
Tabelle 2
Referenzwerte
Extraversion | Wert | Introversion | Wert |
---|---|---|---|
Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.1 | Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-1.9 |
unterdurchschnittlich | 2.2-3.2 | unterdurchschnittlich | 2.0-2.7 |
Mittlere Ausprägung | 3.3-3.8 | Mittlere Ausprägung | 2.8-3.2 |
überdurchschnittlich | 3.9-4.5 | überdurchschnittlich | 3.3-3.7 |
Sehr überdurchschnittlich | 4.6-5.0 | Sehr überdurchschnittlich | 3.7-5.0 |
Gewissenhaftigkeit | Wert | Gelassenheit | Wert |
Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.2 | Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-1.9 |
unterdurchschnittlich | 2.3-3.4 | unterdurchschnittlich | 2.0-2.5 |
Mittlere Ausprägung | 3.5-3.9 | Mittlere Ausprägung | 2.6-3.2 |
überdurchschnittlich | 4.0-4.6 | überdurchschnittlich | 3.3-4.0 |
Sehr überdurchschnittlich | 4.7-5.0 | Sehr überdurchschnittlich | 4.1-5.0 |
Soziale Orientierung | Wert | Autonome Orientierung | Wert |
Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.4 | Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.2 |
unterdurchschnittlich | 2.5-3.0 | unterdurchschnittlich | 2.3-2.9 |
Mittlere Ausprägung | 3.1-3.8 | Mittlere Ausprägung | 3.0-3.8 |
überdurchschnittlich | 3.9-4.6 | überdurchschnittlich | 3.9-4.5 |
Sehr überdurchschnittlich | 4.7-5.0 | Sehr überdurchschnittlich | 4.6-5.0 |
Offenheit | Wert | Tradition | Wert |
Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-1.6 | Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-1.9 |
unterdurchschnittlich | 1.7-2.7 | unterdurchschnittlich | 2.0-2.7 |
Mittlere Ausprägung | 2.8-3.5 | Mittlere Ausprägung | 2.8-3.2 |
überdurchschnittlich | 3.6-4.0 | überdurchschnittlich | 3.3-3.7 |
Sehr überdurchschnittlich | 4.1-5.0 | Sehr überdurchschnittlich | 3.7-5.0 |
Selbstvertrauen | Wert | Selbstreflexion | Wert |
Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.5 | Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.0 |
unterdurchschnittlich | 2.6-3.5 | unterdurchschnittlich | 2.1-2.8 |
Mittlere Ausprägung | 3.6-4.1 | Mittlere Ausprägung | 2.9-3.3 |
überdurchschnittlich | 4.2-4.6 | überdurchschnittlich | 3.4-3.7 |
Sehr überdurchschnittlich | 4.7-5.0 | Sehr überdurchschnittlich | 3.7-5.0 |
Resilienz | Wert | Sensitivität | Wert |
Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.0 | Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-2.4 |
unterdurchschnittlich | 2.1-3.0 | unterdurchschnittlich | 2.5-3.2 |
Mittlere Ausprägung | 3.1-3.7 | Mittlere Ausprägung | 3.3-3.8 |
überdurchschnittlich | 3.8-4.5 | überdurchschnittlich | 3.9-4.5 |
Sehr überdurchschnittlich | 4.6-5.0 | Sehr überdurchschnittlich | 4.6-5.0 |
Fluides Selbstkonzept | Wert | ||
Sehr unterdurchschnittlich | 1.0-1.9 | ||
unterdurchschnittlich | 2.0-2.6 | ||
Mittlere Ausprägung | 2.7-3.6 | ||
überdurchschnittlich | 3.7-4.2 | ||
Sehr überdurchschnittlich | 4.3-5.0 |
Auswertungszeit
Die Auswertungszeit pro Testperson beträgt etwa 5-10 Minuten.
Itembeispiele
Tabelle 3 zeigt je ein Beispielitem pro Skala.
Tabelle 3
Beispielitems
Skala | Beispielitem |
---|---|
Extraversion | Ich bin gesellig und gerne unter Menschen. |
Introversion | Ich brauche Zeit für mich allein. |
Gewissenhaftigkeit | Ich verfolge Pläne zielstrebig und exakt. |
Gelassenheit | Ich gehe mit Zielen und Plänen flexibel um. |
Soziale Orientierung | Mir ist es wichtig, dass andere mich mögen. |
Autonome Orientierung | Ich bin konfliktfähig und kann mich selbst behaupten. |
Traditionsbewusstsein | Stabilität ist mir sehr wichtig. |
Selbstvertrauen | Ich kenne meine Stärken. |
Selbstreflexion | Ich denke oft daran, was ich an mir noch verbessern könnte. |
Sensitivität | Manchmal beschäftigen mich Ereignisse sehr lange. |
Resilienz | Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen. |
Fluides Selbstkonzept | Es ist mir wichtig, möglichst viele Facetten von mir auszuschöpfen. |
Items
Tabelle 4 zeigt die CPI-Skalen mit den zugehörigen Items.
Tabelle 4
CPI Items
Extraversion |
1. Ich bin im Umgang mit anderen Menschen offen und vertrauensvoll. |
2. Ich bin gesellig und gerne unter Menschen. |
3. Ich brauche Aufregung und Aktivität in meinem Leben. |
4. Ich bin gesprächig. |
5. Ich gehe offen auf neue Menschen zu. |
6. Ich fühle mich wohl unter vielen Menschen. |
7. Ich bin lebhaft. |
Introversion |
1. Ich bin im Umgang mit Menschen vorsichtig und zurückhaltend. |
2. Ich brauche Zeit für mich allein. |
3. Ich ziehe einen ruhigen Abend mit wenigen guten Freunden einer großen Party vor. |
4. Wenn mich etwas bedrückt, mache ich das lieber mit mir allein aus. |
5. Die Wenigsten wissen, was ich wirklich denke. |
6. Ich verbringe meine Freizeit gerne allein. |
Gewissenhaftigkeit |
1. Ich bin fleißig und strebsam. |
2. Ich verfolge Pläne zielstrebig und exakt. |
3. Ich bin strukturiert und plane gerne voraus. |
4. Ich arbeite hart, um meine gesteckten Ziele zu erreichen. |
Gelassenheit |
1. Ich nehme die Dinge gelassen. |
2. Ich gehe mit Zielen und Plänen flexibel um. |
3. Ich arbeite gerne einfach darauf los, ohne alles geplant zu haben. |
4. Man muss die Dinge auf sich zukommen lassen können. |
5. Ich fange bei Aufgaben irgendwo an und schaue dann, wie es weitergeht. |
6. Ich passe meine Arbeit den Entwicklungen und Veränderungen an. |
Soziale Orientierung |
1. Mich macht es schon glücklich, wenn andere Menschen glücklich sind. |
2. Ich bin kompromissbereit. |
3. Wenn es anderen Menschen nicht gut geht, leide ich mit. |
4. Ich möchte mich mit allen Menschen verstehen. |
5. Mir ist es wichtig, dass andere mich mögen. |
6. Mir ist wichtig, was mich mit anderen verbindet. |
7. Ich bin gerne für andere Menschen da, wenn sie mich brauchen. |
Autonome Orientierung |
1. Ich achte sehr auf meine eigenen Bedürfnisse. |
2. Wenn sich Widerstände auftun, finde ich Mittel und Wege mich durchzusetzen. |
3. Mir ist es wichtig, dass es mir selbst gut geht. |
4. Mir macht es nichts aus, meine Meinung zu vertreten, auch wenn alle anderen anders denken als ich. |
5. Ich bin konfliktfähig und kann mich selbst behaupten. |
6. Ich kann "gegen den Strom schwimmen". |
Traditionsbewusstsein |
1. Ich fühle mich am wohlsten, wenn alles seinen gewohnten Gang geht. |
2. Stabilität ist mir sehr wichtig. |
3. Mir ist es wichtig, dass vieles so bleibt, wie es ist. |
4. Ich vertraue auf Bewährtes. |
5. Ich mag es, wenn Dinge vorhersagbar und berechenbar sind. |
6. Ich brauche das Vertraute. |
Offenheit |
1. Ich fühle mich wohl, wenn sich Situationen oft verändern. |
2. Ich brauche Veränderungen. |
3. Ich bin experimentierfreudig und mache gerne neue Erfahrungen. |
4. Ich probiere gerne Neues und Ungewöhnliches aus. |
Selbstvertrauen |
1. Ich bin selbstbewusst. |
2. Ich habe viele gute Seiten. |
3. Ich kenne meine Stärken. |
Selbstreflexion |
1. Ich bin selbstkritisch und reflektiert. |
2. Ich denke oft daran, was ich an mir noch verbessern könnte. |
3. Wenn irgendetwas nicht gut gelaufen ist, suche ich den Fehler zuerst bei mir. |
4. Ich möchte mich ständig weiterentwickeln. |
5. Ich denke viel über mich nach. |
6. Ich überlege intensiv, bevor ich handle. |
Sensitivität |
1. Manchmal beschäftigen mich Ereignisse sehr lange. |
2. Ich mache mir oft Gedanken über mich, Andere oder meine Zukunft. |
3. Ich bin sehr emotional. |
4. Ich bin sensibel und empfindsam. |
5. Ich kann sehr verletzlich sein. |
6. Ich fühle intensiv. |
7. Ich bin sehr empfänglich für die Stimmungen der Menschen um mich herum. |
Resilienz |
1. Was auch immer passiert, ich werde schon klarkommen. |
2. Schwierigkeiten sehe ich gelassen, weil ich meinen Fähigkeiten immer vertrauen kann. |
3. Für jedes Problem kann ich eine Lösung finden. |
4. Wenn ein Problem auftaucht, kann ich es aus eigener Kraft meistern. |
Fluides Selbstkonzept |
1. Ich lerne immer wieder Neues über mich und erweitere ständig das Bild von mir. |
2. Es ist mir wichtig, möglichst viele Facetten von mir auszuschöpfen. |
3. Es haben schon Menschen Seiten an mir entdeckt, die ich zuvor noch nie an mir gesehen habe. |
4. Ich habe sehr viele verschiedene Seiten in mir. |
Durchführung
Testformen
Das CPI ist als Einzel- oder Gruppentest durchführbar.
Altersbereiche
Das CPI ist für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen geeignet.
Durchführungszeit
Es gibt keine zeitlichen Begrenzungen bei der Durchführung des Tests. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Person liegt bei 10-15 Minuten.
Material
Für die Bearbeitung im Rahmen von Online-Befragungen benötigen die Testpersonen ein internetfähiges Gerät (z. B. Computer, Smartphone oder Tablet). Für die Paper-und-Pencil Variante ist lediglich ein Stift zum Ausfüllen der Bögen erforderlich.
Instruktion
Die Instruktion erfolgt zu Beginn in schriftlicher Form.
Liebe Teilnehmer*innen,
Menschen können sehr unterschiedlich sein und auch jedes Individuum kann eine ihm eigene
Bandbreite an Eigenschaften aufweisen.
Gegensätze müssen sich auch dabei nicht ausschließen.
Somit gibt es bei der Persönlichkeit viele verschiedene Möglichkeiten und keine richtigen oder
falschen Antworten.
Bitte geben Sie an, wie sehr Aussagen auf Sie zutreffen
1: trifft nicht zu
2: trifft selten zu
3: trifft manchmal zu
4: trifft häufig zu
5: trifft voll zu
Bsp.
Ich bin gern unter Menschen ..4.. vs. ich brauche Zeit für mich allein ..4..
Antworten Sie dabei von links nach rechts.
Alle Daten werden selbstverständlich vertraulich behandelt.
Danke, dass Sie den Fragebogen ehrlich und vollständig ausfüllen.
Durchführungsvoraussetzungen
Qualifikation der Versuchsleitung: Die Durchführung, Auswertung und Interpretation des CPI erfolgt durch Psycholog(inn)en oder andere einschlägig ausgebildete Personen. Auch für Student(inn)en eignet sich das CPI, beispielsweise im Rahmen von Studienprojekten oder Abschlussarbeiten.
Voraussetzungen der Testpersonen: Die Teilnahme am Persönlichkeitstest erfordert lediglich ein grundlegendes Sprachverständnis. Das CPI kann mit allen Bildungsschichten und ab dem Jugendalter durchgeführt werden.
Anforderungen an die Testsituation: Die Testpersonen sollten den Fragebogen in Ruhe und ohne Zeitdruck ausfüllen können.
Testkonstruktion
Das CPI wurde auf der Grundlage der klassischen Testtheorie konstruiert. Angelehnt an das Fünf-Faktoren-Persönlichkeitsmodell (Costa & McCrae, 1985) wurden die fünf Dimensionen Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen und Neurotizismus eigenständig operationalisiert und zu jedem dieser Faktoren die jeweils komplementäre Dimension entwickelt.
Die Voruntersuchung zur Konstruktion des CPI erfolgte anhand einer Stichprobe von N = 20 Personen (Himmer-Gurdan, 2007) und gliederte sich in drei Teile:
Entwicklung der zu den Big Five komplementären Eigenschaften.
Bewertung eines geschätzten Zusammenhangs der einzelnen Faktoren mit relevanten Flexibilitätsarten (sozial, situativ, strukturell).
Ermittlung der Lage der ursprünglichen 10 Faktoren im semantischen Raum mittels nonmetrischer multidimensionaler Skalierung.
Auf der Basis der durch die Voruntersuchung ermittelten Ergebnisse wurde die frühere Version des CPI mit zunächst 10 Skalen konstruiert, die im Rahmen der anschließenden Hauptuntersuchung (Himmer-Gurdan, 2007) an einer Stichprobe von N = 120 Personen getestet und validiert wurde (vgl. unter „Validität“).
Tabelle 5 zeigt die Mittelwerte (Itemschwierigkeiten), Standardabweichungen und Trennschärfen der einzelnen Items (Himmer-Gurdan, 2007).
Tabelle 5
Vorversion: Mittelwert (M), Standardabweichung (SD) und Trennschärfe (rit) (Himmer-Gurdan, 2007)
Extraversion | M | SD | rit |
1. Ich bin gesprächig. | 4.19 | 1.35 | .77 |
2. Ich bin durchsetzungsfähig. | 4.06 | 1.18 | .65 |
3. Ich brauche Aufregung und Aktivität in meinem Leben. | 4.13 | 1.38 | .71 |
4. Ich bin gesellig und gerne unter Menschen. | 4.42 | 1.34 | .77 |
5. Ich bin optimistisch und denke positiv. | 4.23 | 1.44 | .54 |
6. Ich bekomme gerne Aufmerksamkeit von anderen. | 4.21 | 1.20 | .52 |
Introversion | M | SD | rit |
1. Ich bin ruhig. | 3.84 | 1.24 | .35 |
2. Ich bin kompromissbereit. | 4.64 | 1.09 | .47 |
3. Ich brauche Ruhe in meinem Leben. | 4.22 | 1.22 | .54 |
4. Ich brauche Zeit für mich alleine. | 4.62 | 1.22 | .49 |
5. Ich durchdenke Dinge kritisch und kann Probleme und Hürden voraussehen. | 4.34 | 1.16 | .52 |
6. Ich schenke anderen gerne meine Aufmerksamkeit. | 4.43 | 1.08 | .38 |
Gewissenhaftigkeit | M | SD | rit |
1. Ich bin strukturiert und plane gerne voraus. | 4.18 | 1.29 | .68 |
2. Ich verfolge Pläne zielstrebig und exakt. | 3.78 | 1.24 | .71 |
3. Ich bin fleißig und strebsam. | 4.08 | 1.28 | .72 |
4. Ich greife bei neuen Aufgaben auf bisherige Erfahrungen zurück. | 4.62 | 0.98 | .38 |
5. Ich bin genau und sorgfältig. | 4.22 | 1.37 | .66 |
6. Regeln einzuhalten ist mir wichtig. | 4.08 | 1.23 | .43 |
Gelassenheit | M | SD | rit |
1. Ich bin gerne spontan. | 4.10 | 1.22 | .44 |
2. Ich gehe mit Zielen und Planungen flexibel um. | 4.06 | 1.22 | .59 |
3. Erholungen und Hobbies sind mir wichtig. | 4.75 | 1.15 | .52 |
4. Ich bin experimentierfreudig und mache gerne neue Erfahrungen. | 4.32 | 1.13 | .56 |
5. Ich nehme die Dinge gelassen. | 3.85 | 1.33 | .56 |
6. Ich würde mich über Regeln hinwegsetzen, wenn sie gegen meine Werte gehen. | 4.50 | 1.28 | .56 |
Soziale Orientierung | M | SD | rit |
1. Ich bin im Umgang mit Menschen offen und vertrauensvoll. | 4.47 | 1.16 | .62 |
2. Ich bin bescheiden und gebe anderen Menschen Raum. | 4.12 | 1.15 | .33 |
3. Ich bin gerne für andere Menschen da, wenn sie mich brauchen. | 4.99 | 1.05 | .64 |
4. Ich bin nachgiebig. | 3.76 | 1.26 | .43 |
5. Mir ist es wichtig, dass andere mich mögen. | 4.43 | 1.15 | .55 |
6. Mir ist wichtig, was mich mit anderen verbindet. | 4.47 | 1.13 | .61 |
Autonome Orientierung | M | SD | rit |
1. Ich bin im Umgang mit Menschen vorsichtig und zurückhaltend. | 3.15 | 1.25 | .32 |
2. Ich bin anspruchsvoll und möchte Raum für mich. | 3.34 | 1.22 | .46 |
3. Ich bin ein Mensch, der auch auf sich selbst achtet. | 3.89 | 1.25 | .42 |
4. Ich bin standhaft. | 3.82 | 1.02 | .52 |
5. Ich kann „entgegen dem Strom schwimmen“. | 3.98 | 1.38 | .50 |
6. Mir ist wichtig, was mich von anderen unterscheidet. | 4.02 | 1.41 | .48 |
Traditionsbewusstsein | M | SD | rit |
1. Ich bin bodenständig und lebe im „Hier und Jetzt“. | 3.64 | 1.29 | .20 |
2. Ich bin sachlich und nüchtern. | 3.39 | 1.14 | .32 |
3. Ich bin rational. | 3.79 | 1.18 | .39 |
4. Ich weiß gerne, was auch mich zukommt. | 4.33 | 1.00 | .44 |
5. Ich vertraue auf Bewährtes. | 4.10 | 0.95 | .40 |
6. Ich brauche Stabilität. | 4.49 | 1.02 | .36 |
Offenheit | M | SD | rit |
1. Ich denke gerne in Möglichkeiten und überlege mir, wie die Zukunft aussehen könnte. | 4.64 | 1.20 | .46 |
2. Ich bin kreativ und phantasievoll. | 4.38 | 1.28 | .62 |
3. Ich bin emotional. | 4.85 | 1.18 | .44 |
4. Ich beginne etwas gerne ohne zu wissen, was mich erwartet. | 3.55 | 1.29 | .53 |
5. Ich probiere gerne Neues und Ungewöhnliches aus. | 4.16 | 1.33 | .66 |
6. Ich brauche Veränderungen. | 4.05 | 1.40 | .72 |
Selbstvertrauen | M | SD | rit |
1.Ich bin widerstandsfähig. | 4.03 | 1.11 | .35 |
2. Ich bin ruhig. | 4.07 | 1.18 | .16 |
3. Ich bin emotional gelassen. | 3.13 | 1.28 | .21 |
4. Ich kenne meine Stärken. | 4.38 | 1.14 | .34 |
5.Ich bin selbstbewusst. | 3.95 | 1.24 | .45 |
6. Ich bin diplomatisch und friedfertig. | 4.47 | 1.17 | .19 |
Selbstreflexion | M | SD | rit |
1. Ich bin sensibel und empfindsam. | 4.78 | 1.18 | .61 |
2. Ich bin lebhaft. | 3.98 | 1.29 | .57 |
3. Ich fühle intensiv und bin temperamentvoll. | 4.14 | 1.40 | .59 |
4. Ich kenne meine Schwächen. | 4.72 | 0.97 | .37 |
5. Ich bin selbstkritisch und reflektiert. | 4.73 | 0.98 | .38 |
6. Ich bin konfliktfähig und kann mich selbst behaupten. | 3.99 | 1.24 | .47 |
Gütekriterien
Objektivität
Die Testdurchführung, Testauswertung und Interpretation der Ergebnisse sind standardisiert.
Durchführungsobjektivität: Alle Testpersonen erhalten zu Beginn die gleiche schriftliche Instruktion (vgl. Abschnitt 2.5 Instruktion).
Auswertungsobjektivität: Das CPI ist aufgrund formalisierter Anweisungen auswertungsobjektiv. Die von den Testpersonen eingetragenen Skalenwerte werden durch die auswertende Person aufsummiert und jeweils der Mittelwert pro Skala gebildet, der den Skalenwert je Faktor repräsentiert.
Interpretationsobjektivität: Die Skalenmittelwerte jeder Testperson werden mit den Referenzwerten der Normstichprobe verglichen. So kann unmittelbar abgelesen werden, ob der Wert als sehr unterdurchschnittlich, unterdurchschnittlich, von mittlerer Ausprägung, überdurchschnittlich oder sehr überdurchschnittlich einzustufen ist.
Reliabilität
Tabelle 6 zeigt die internen Konsistenzen (Cronbachs Alpha) der CPI-Skalen.
Tabelle 6
Reliabilitäten (Cronbachs α) der CPI Skalen
Skala | α |
---|---|
Extraversion | .85 |
Introversion | .75 |
Gewissenhaftigkeit | .84 |
Gelassenheit | .72 |
Autonome Orientierung | .80 |
Soziale Orientierung | .75 |
Offenheit | .82 |
Traditionsbewusstsein | .76 |
Selbstvertrauen | .84 |
Selbstreflexion | .86 |
Resilienz | .82 |
Sensitivität | .87 |
Fluides Selbstkonzept | .75 |
Validität
Tabelle 7 zeigt einen Überblick über die Konstrukte und Skalen, an denen die Validierung der CPI Vorversion erfolgte.
Tabelle 7
Validierung der CPI Vorversion (Himmer-Gurdan, 2007)
Kriterien | Skalen |
---|---|
Big Five | NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1993, dt. Übersetzung; Original von Costa & McCrae, 1985) |
Lebensziele: | Life Goals Skala (Pöhlmann & Brunstein, 1997) |
Lern-/Entwicklungsziel, Machtziel, Innovationsziel | Skala Innovation (Kaschube, 2003) |
Selbstwirksamkeit | Fragebogen zur allgemeinen Selbstwirksamkeit (Schwarzer & Jerusalem, 1999) |
Need for Cognition | Skala Need for Cognition (Cacioppo, Petty Feinstein & Jarvis, 1996) |
Kognitive Flexibilität | Ausgewählte Aufgaben aus dem verbalen Kreativitäts-Test (VKT; Schoppe, 1975). |
Soziale Flexibilität (Empathie) | Skala Einfühlungsvermögen (Vierzigmann, 1993) |
Skala Perspektivenübernahmebereitschaft (Davis, 1983, dt. Übersetzung von Maes, Schmitt & Schmal, 1995, überarbeitet von Bernhardt, 2000). | |
Strukturelle Flexibilität (Veränderungsfähigkeit) | Skala zur strukturellen Flexibilität (Eigenkonstruktion in Anlehnung an Pöhlmann & Brunstein, 1997, Himmer-Gurdan, 2007). |
Proaktivität | Skala Proaktives Coping, gekürzt (Greenglass et al., 1999) |
Ausgeglichenheit, Balance | Skala zur Ausgeglichenheit und Balance (Eigenkonstruktion, Himmer-Gurdan, 2007) |
Situative Flexibilität (Ungewissheitstoleranz) | Ungewissheitstoleranzskala (Dalbert, 2002) |
Proteischer Charakter: Selbstverantwortliches Laufbahnmanagement und wertgeleitete Orientierung | Protean Career Attitudes Scale (Briscoe & Hall, 2005, dt. Übersetzung von Gasteiger, 2006) |
Ambiguitätstoleranz | Fragebogen zur Komplexitätstoleranz (Radant & Dalbert, 2003) |
Führungsmotivation | BIP, gekürzt (Hossiep & Paschen, 2003) |
Self-Monitoring | Self-Monitoring Scale, gekürzt (Snyder, 1974; dt. Übersetzung von Graf, 2004) |
Tabelle 8 zeigt die Ergebnisse der Korrelationsanalysen nach Pearson. Die konvergente Validierung der CPI-Faktoren Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Offenheit und Soziale Orientierung konnte in Anbetracht der hohen und signifikanten Korrelationen mit den Big Five Äquivalenten als gelungen angesehen werden (Himmer-Gurdan, 2007). Selbstreflexion und Neurotizismus schienen dagegen unterschiedliche Aspekte der Persönlichkeit abzubilden (ebd.). Die unerwartete negative und nicht signifikante Korrelation der Faktoren Selbstreflexion und Neurotizismus kann gemäß Himmer-Gurdan (2007) darin begründet sein, dass in der Stichprobe Selbstreflexion positiv mit Selbstvertrauen und Extraversion assoziiert wurde.
Tabelle 8
Konvergente Validierung an den Big Five (NEO-FFI) (Himmer-Gurdan, 2007)
CPI Faktoren (Vorversion) | Big V Faktoren | r |
---|---|---|
Extraversion | Extraversion | .80** |
Gewissenhaftigkeit | Gewissenhaftigkeit | .73** |
Soziale Orientierung | Verträglichkeit | 48** |
Offenheit | Offenheit | .56** |
Selbstreflexion | Neurotizismus | -.13 |
Anmerkung. **p < .01.
Tabelle 9 zeigt die Ergebnisse der Pearson-Korrelationen zwischen den Big Five und den CPI-Faktoren Introversion, Gelassenheit, autonome Orientierung, Traditionsbewusstsein und Selbstvertrauen (Himmer-Gurdan, 2007). Für Introversion, Gelassenheit und Traditionsbewusstsein konnte kein signifikanter Zusammenhang mit den Big-Five-Komplementen nachgewiesen werden. Ein schwacher negativer Zusammenhang zeigte sich zwischen autonomer Orientierung und Verträglichkeit, während ein moderater bis starker negativer Zusammenhang zwischen Selbstvertrauen und Neurotizismus ermittelt wurde.
Tabelle 9
Divergente Validierung an den Big Five (NEO-FFI)
CPI Faktoren (Vorversion) | Big Five Faktoren | r |
---|---|---|
Introversion | Extraversion | -.04 |
Gelassenheit | Gewissenhaftigkeit | -.07 |
Autonome Orientierung | Verträglichkeit | -.18* |
Traditionsbewusstsein | Offenheit | 01 |
Selbstvertrauen | Neurotizismus | -.43** |
Anmerkung. *p < .05, **p < .01, r = Korrelation.
Tabelle 10 zeigt die Ergebnisse der Korrelationen des Persönlichkeitsspektrums (Mittelwert über alle Skalen als Indikator für Vielschichtigkeit) mit verschiedenen Außenkriterien (Himmer-Gurdan, 2007). Erwartungsgemäß ging hohe Vielschichtigkeit mit hohen Ausprägungen in Merkmalen einher, die mit Vielschichtigkeit assoziiert waren. Eine größere Eigenschaftsbandbreite ging beispielsweise einher mit höherer Flexibilität. Die theoretischen Ableitungen, die der konvergenten Validierung zugrunde liegen, sowie ausführliche Beschreibungen zu den Außenkriterien finden sich bei Himmer-Gurdan (2007).
Tabelle 10
Korrelation (r) der Vielschichtigkeit mit Außenkriterien (Himmer-Gurdan, 2007)
Vielschichtigkeit: Persönlichkeitsspektrum | r |
---|---|
Need for Cognition | .47** |
Proaktivität | .71** |
Balance | .52** |
Führungsmotivation | .43** |
Ambiguitätstoleranz | .51** |
Selbstwirksamkeit | .76** |
Selbstverantwortliches Laufbahnmanagement | .61** |
Wertgeleitete Orientierung | .46** |
Situative Flexibilität/Ungewissheitstoleranz | .45** |
Soziale Flexibilität/Empathie | .64** |
Strukturelle Flexibilität/Veränderungsfähigkeit | .65** |
Kognitive Flexibilität/Verbale Kreativität | .43** |
Anmerkung. **p < .01.
Das erweiterte Persönlichkeitsspektrum bietet im Sinne der inkrementellen Validität einen sinnvollen Mehrwert bei der Varianzaufklärung in Außenkriterien (Himmer-Gurdan, 2007). Ein Vergleich der adjustierten Bestimmtheitsmaße der multiplen linearen Regressionsanalysen (siehe Tabelle 11) zeigt, dass durch das erweiterte Persönlichkeitsspektrum im Vergleich zu den Big Five (erfasst mit dem NEO-FFI von Borkenau & Ostendorf, 1993, dt. Übersetzung; Original von Costa & McCrae, 1985) ein Zugewinn an Varianzaufklärung (≥ 8 %) für verschiedene Außenkriterien erreicht werden konnte.
Tabelle 11
Unterschiede in der Varianzaufklärung zwischen den Big Five und dem erweiterten Persönlichkeitsspektrum (Himmer-Gurdan, 2007)
Kriterium | Big V (NEO-FFI) Adjustiertes R2 |
Erweitertes Spektrum (CPI) Adjustiertes R2 |
Differenz |
---|---|---|---|
Veränderungsfähigkeit | 38.7 % | 47.0 % | 8.3 % |
Empathie | 44.9 % | 53.9 % | 9.0 % |
Selbstwirksamkeit | 41.8 % | 62.3 % | 20.5 % |
Proaktivität | 42.4 % | 54.6 % | 12.2 % |
Selfmonitoring | 13.6 % | 21.4 % | 7.8 % |
Innovationsziel | 12.1 % | 20.3 % | 8.2 % |
Lern-/Entwicklungsziel | 24.3 % | 33.7 % | 9.4 % |
Führung | 32.5 % | 40.5 % | 8.0 % |
Wertgeleitete Orientierung | 11.7 % | 34.9 % | 23.2 % |
Selbstverantwortliches Laufbahnmanagement | 25.9 % | 38.2 % | 12.3 % |
Untersuchungen mit dem CPI
Preuß (2015) untersuchte die Vielschichtigkeit (CPI-Spektrum) im Zusammenhang mit verschiedenen demographischen Merkmalen und verschiedenen Außenkriterien an einer Stichprobe von N = 413 Personen. Sie konnte zeigen, dass der ausgeübte Beruf einer Person 30.9 % der Variabilität in der Vielschichtigkeit erklärte. Dabei waren vielschichtige Menschen besonders häufig in sozialen Berufsfeldern tätig. Es konnte weiterhin ein positiver Zusammenhang mittlerer Stärke zwischen Vielschichtigkeit und Flexibilität (r = .34, p < .01) nachgewiesen werden.
Korndörfer (2020) untersuchte Persönlichkeitseigenschaften im Zusammenhang mit Stressempfinden und Copingstilen beim Pflegepersonal einer operativen anästhesiologischen Intensivstation (N = 29). Stressempfinden wurde mit der Perceived Stress Scale - 10 (PSS-10; Cohen, 1983, dt. Version von Schneider et al., 2020) und habituelle Stressbewältigung mit dem Coping Inventory for Stressful Situations (CISS; Endler & Parker, 1999, dt. Version von Kälin & Semmer, 2020) erfasst (Korndörfer, 2020).
Emotionsorientiertes Coping (= auf sich selbst gerichtete emotionale Reaktionen, z. B sich Sorgen machen) korrelierte positiv mit sozialer Orientierung (r = .46; p = .012) und Sensitivität (r = 42; p = .022) sowie negativ mit autonomer Orientierung (r = -.52; p =.004), Selbstvertrauen (r = -.48; p = .008) und Resilienz (r = -.65; p < .001).
Sozialablenkungsorientiertes Coping (Ablenkung von Stresssituationen durch die Suche nach sozialen Kontakten) korrelierte negativ mit Introversion (r = -.73; p < .001) und Traditionsbewusstsein (r= -.37; p = .048) (Korndörfer, 2020). Ferner erklärte die Persönlichkeit 79.3 % der Varianz im Stressempfinden, R2Adj = .793, F(12, 14) = 9.31, p < .001. Als signifikante Prädiktoren erwiesen sich Offenheit, b = 8.21, t(14) = 4.09, p = .001, autonome Orientierung, b = -5.84, t(14) = -2.74, p = .016, und Selbstreflexion, b = -7.36, t(14) = -3.07, p=.008 (Korndörfer, 2020).
Baur (2021) analysierte den Einfluss der Persönlichkeit pädagogischer Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe (N = 89) auf ihre Problemlösefähigkeit, politische Kompetenz- und Einflussüberzeugung sowie politische Partizipation während der Coronapandemie. Problemlösefähigkeit (Skala Problemlösefähigkeit des Empowerment-Fragebogens nach Himmer-Gurdan, 2020) korrelierte positiv mit autonomer Orientierung (r = .42; p < .01), Extraversion (r = .40; p < .01), Gewissenhaftigkeit (r = .40; p < .01) und Offenheit (r = .33; p < .01) sowie negativ mit Introversion (r= -.24; p < .05) (Baur, 2021). Mittels multipler linearer Regressionsanalyse konnte gezeigt werden, dass 32.6 % der Gesamtvariabilität in der Problemlösekompetenz durch die Persönlichkeitseigen-schaften Extraversion, Introversion, Gewissenhaftigkeit, autonome Orientierung und Offenheit erklärt werden konnten, R2Adj = .326, F(5, 83)= 9.50, p < .001. Als signifikant erwiesen sich die Prädiktoren autonome Orientierung, b = .22, t(83) = 3.05, p = .003, und Gewissenhaftigkeit, b = .18, t(83) = 3.56, p < .001 (ebd.).
Die individuelle Überzeugung, politische Sachverhalte zu verstehen und sich wirkungsvoll politisch beteiligen zu können (Internal Political Efficacy), sowie die Überzeugung zu politischen Systemen und ihrer Empfänglichkeit gegenüber Beeinflussungsversuchen (External Political Efficacy) wurde durch die Political Efficacy Kurzskala (PEKS; Beierlein et al., 2012) erfasst (Baur, 2021). Internal Political Efficacy korrelierte positiv mit Offenheit (r = .35, p < .01), autonomer Orientierung (r = .27; p < .05) sowie negativ mit Gewissenhaftigkeit (r = -.28, p < .01). Weiterhin zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen External Efficacy und Offenheit (r = .23; p < .05). Es wurde zudem eine lineare Regression der Internal Political Efficacy auf die Persönlichkeitseigenschaften Extraversion, Introversion, Gewissenhaftigkeit, autonome Orientierung und Offenheit berechnet, wobei eine Varianzaufklärung von insgesamt 20.3 % nachgewiesen wurde: R2Adj = .203, F(5, 83) = 5.48, p < .001. Als signifikant erwiesen sich die Prädiktoren Gewissenhaftigkeit, b = -.46, t(83) = -3.54, p < .001, und Offenheit, b = .40, t(83) = 2.82, p = .006.
Politische Partizipation im Sinne aktiven politischen Handelns (erfasst mit dem Fragebogen zur konventionellen politischen Partizipation, Barnes & Kaase, 2014) korrelierte positiv mit Extraversion (r = .31; p < .01) und Offenheit (r = .30; p < .01) sowie negativ mit Introversion (r = -.27; p < .05) (Baur, 2021). Durch eine multiple lineare Regressionsanalyse konnte gezeigt werden, dass 18.3 % der Gesamtvariabilität in der Politischen Partizipation durch die Persönlichkeitseigenschaften Extraversion, Introversion, Gewissenhaftigkeit, Autonome Orientierung und Offenheit aufgeklärt werden konnten: R2Adj = .183, F(5, 83) = 4.93, p = .001. Als in diesem Modell signifikant erwiesen sich die Prädiktoren Gewissenhaftigkeit, b = -.26, t(83) = -2.77, p = .007, und Offenheit, b = .22, t(83) = 2.16, p = .034 (ebd.).
Normierung
Die Normstichprobe, aus der die Referenzwerte (siehe Tabelle 2 unter Auswertungshilfen) ermittelt wurden, stammt aus der Allgemeinbevölkerung und umfasst 881 Personen im Alter von 14 bis 80 Jahren. Die Datenerhebungen bei den drei Teilstichproben fanden 2006 (n1 = 120), 2014/15 (n2 = 413) und 2017/18 (n3 = 348) statt. Tabelle 12 zeigt die Geschlechter- und Altersverteilung sowie Angaben zu Ausbildung und Berufen der Testpersonen.
Tabelle 12
Charakteristika der Normstichprobe
Normstichprobe N = 881 | |||
---|---|---|---|
Teilstichprobe 1 n1 = 120 |
Teilstichprobe 2 n2 = 413 |
Teilstichprobe 3 n3 = 348 |
|
Geschlecht | weiblich: 66.7 % männlich: 33.3 % |
weiblich: 61.3 % männlich: 38.7 % |
weiblich: 68.1 % männlich: 30.5 % |
Alter | 14 - 25 Jahre: 65 % 26 - 37 Jahre: 19 % 38 - 49 Jahre: 3 % 50 - 61 Jahre: 9 % 62 - 80 Jahre: 3 % |
0-19 Jahre: 1.8 % 20-29 Jahre: 36.7 % 30-39 Jahre: 17.8 % 40-49 Jahre: 17.6 % 50-59 Jahre: 23 % 60-69 Jahre: 3.1 % |
0-19 Jahre: 5.5 % 20-29 Jahre: 10.3 % 30-39 Jahre: 27.9 % 40-49 Jahre: 26.7 % 50-59 Jahre: 21.3 % 60-69 Jahre: 8.3 % |
Ausbildung und Beruf | Abitur: 71.7 % Mittlere Reife: 10 % Diplom: 8.3 % Andere: 6.7 % Kein Abschluss: 3.3 % |
Vollzeitberuf: 73.5 % Teilzeitberuf: 26.5 % angestellt: 75.5 % selbstständig: 9 % sonstiges: 12.6 % |
Ausbildung: 4.8 % Studium: 28.2 % Berufstätig: 66.9 % |
Anwendungsmöglichkeiten
Das CPI eignet sich zur Persönlichkeitsdiagnostik, sowohl für Forschungszwecke als auch zur Individualdiagnostik. Individualdiagnostisch kann das CPI beispielsweise bei der Berufsberatung oder im Rahmen der Eignungsdiagnostik für die Auswahl von Bewerber*innen eingesetzt werden. Im Folgenden werden die Vorteile des CPI zusammenfassend dargestellt.
Untersuchung verschiedener Persönlichkeitsprofile
Das CPI ermöglicht die Bildung verschiedener Persönlichkeitscluster in Abhängigkeit unterschiedlicher Ausprägungen auf komplementären Merkmalsdimensionen. Diese Profile können in Bezug Das CPI eignet sich zur Persönlichkeitsdiagnostik, sowohl für Forschungszwecke als auch zur Individualdiagnostik. Individualdiagnostisch kann das CPI beispielsweise bei der Berufsberatung oder im Rahmen der Eignungsdiagnostik für die Auswahl von Bewerber*innen eingesetzt werden. Im Folgenden werden die Vorteile des CPI zusammenfassend dargestellt.
Untersuchung verschiedener Persönlichkeitsprofile
Das CPI ermöglicht die Bildung verschiedener Persönlichkeitscluster in Abhängigkeit unterschiedlicher Ausprägungen auf komplementären Merkmalsdimensionen. Diese Profile können in Bezug auf verschiedene Außenkriterien wie Kreativität, Stresssensitivität, Erfolg in Studium oder Beruf verglichen werden.
Cluster 1: Eigenschaft (niedrige Ausprägung) und Komplement (niedrige Ausprägungen)
Cluster 2: Eigenschaft (hohe Ausprägung) und Komplement (niedrige Ausprägung)
Cluster 3: Eigenschaft (niedrige Ausprägung) und Komplement (hohe Ausprägung)
Cluster 4: Eigenschaft (hohe Ausprägung) und Komplement (hohe Ausprägung)
Auf diese Weise können günstige Kombinationen komplementärer Merkmalsausprägungen für beispielsweise einen bestimmten Beruf, Studiengang oder eine Studienform (z. B. Fernstudium, Präsenzstudium) überprüft werden.
Für manche Berufe kann es vorteilhaft sein, wenn Personen gegensätzliche Eigenschaften in jeweils hoher Ausprägung aufweisen. So kann eine hohe soziale Orientierung etwa bei der Eignung für soziale Berufe eine Rolle spielen, während gleichzeitig eine hohe autonome Orientierung wichtig sein kann, um eine adäquate Selbstabgrenzung zu ermöglichen.
Bimodale Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen: Differenziertere Messungen, Abbilden von Facettenreichtum, inkrementelle Validität und hohe Akzeptanz bei den Testpersonen.
Das CPI ermöglicht die getrennte, bimodale Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen und ihren jeweiligen komplementären Eigenschaften. Es unterscheidet sich dahingehend von Inventaren, die ausschließlich eine bipolare Messung der fünf Faktoren entlang zweier Pole, die sich gegenseitig ausschließen, erlauben.
Profile von Personen, die ein breites Eigenschaftsspektrum integrieren, werden durch eine eindimensionale bipolare Betrachtung nicht adäquat abgebildet, weil hohe Ausprägungen auf beiden entgegengesetzten Polen, z. B. hohe Extraversions- und Introversionswerte, sich gegenseitig ausmitteln. Das Resultat wäre eine mittlere Eigenschaftsausprägung auf der Skala Extraversion, die das tatsächliche Profil nicht reflektiert und so tatsächlich vorhandene Unterschiede im Persönlichkeitsspektrum verdeckt. Bedingt durch diesen Informationsverlust lassen sich interindividuelle Unterschiede im Verhalten, die auf solche Profilunterschiede zurückzuführen sind, nicht erklären.
Die kombinierte bimodale Betrachtung von Persönlichkeitseigenschaften und ihren Komplementen ermöglicht entgegengesetzte, aber sich deswegen nicht ausschließende Anteile in einem Menschen unabhängig voneinander einzuschätzen. Die Vorteile liegen vor allem in einer hohen Akzeptanz bei den Testpersonen, differenzierteren Messungen der Persönlichkeit und inkrementeller Validität durch verbesserte Regressionswerte in Bezug auf unterschiedliche Außenkriterien (Himmer-Gurdan, 2007).
Vorbeugen von Validitätseinschränkungen durch Antworttendenzen
Die Testpersonen tragen ihre individuellen Werte als Zahlen von 1-5 auf der Likert-Skala in dafür vorgesehene Kästchen ein, anstatt Kreuze bei den entsprechenden Skalenstufen zu setzen. Dadurch sollen Antwortautomatismen, wie die Tendenz zur Mitte, erschwert werden.
Personen entscheiden sich möglicherweise auch dann für die Mitte der Skala, wenn für sie gegensätzliche Ausprägungen in unterschiedlichen Situationen zutreffen. Gerade in diesen Fällen kann die Struktur des CPI, die die Koexistenz gegensätzlicher Eigenschaften innerhalb einer Person zulässt, es erleichtern, spezifischer zu antworten.
Da es sich beim CPI um ein Instrument zur Selbsteinschätzung handelt, können typischerweise Verzerrungen bei der Selbstwahrnehmung sowie Antworttendenzen, beispielsweise in Richtung sozialer Erwünschtheit, die Validität der Ergebnisse einschränken. Die Items des CPI sind jedoch positiv und wertschätzend formuliert, wodurch die Tendenz selbstwertdienlicher Verzerrungen als auch Verfälschungen durch sozial erwünschtes Antwortverhalten verringert werden könnte.
Bewertung
Das CPI ist ein modernes, bimodales Messinstrument zur Erfassung komplexer, vielschichtiger und facettenreicher Persönlichkeit. Das Inventar erlaubt es, gegensätzliche Eigenschaften, etwa Extraversion und Introversion, intraindividuell unabhängig voneinander einzuschätzen.
Die Vorteile (vgl. Abschnitt 5 Anwendungsmöglichkeiten) liegen vor allem in einer hohen Akzeptanz bei den Testpersonen, differenzierteren Messungen der Persönlichkeit und inkrementeller Validität durch verbesserte Regressionswerte in Bezug auf unterschiedliche Außenkriterien (Himmer-Gurdan, 2007).
Weitere Vorteile liegen im potenziellen Vorbeugen von Validitätseinschränkungen durch Antworttendenzen und der Untersuchung komplexer Persönlichkeitsstrukturen in Bezug auf verschiedene Außenkriterien wie Kreativität oder Stresssensitivität.
Das CPI wurde an den Big Five (NEO-FFI von Borkenau & Ostendorf, 1993, dt. Übersetzung; Original von Costa & McCrae, 1985) und verschiedenen Außenkriterien validiert (vgl. Abschnitt 4.3 Validität). Konvergente Validität konnte durch hohe Korrelationen der CPI-Faktoren Extraversion, soziale Orientierung, Gewissenhaftigkeit und Offenheit mit den Big Five Faktoren Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit gezeigt werden. Der Faktor Selbstreflexion schien dagegen andere Aspekte zu erfassen als der Big Five Faktor Neurotizismus. Diese Aspekte können künftige Analysen zur Konstruktvalidierung weiter beleuchten.
Eine gelungene divergente Validierung indizieren fehlende Zusammenhänge der CPI-Faktoren Introversion, Gelassenheit und Traditionsbewusstsein mit ihren komplementären Eigenschaften Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Offenheit. Zwischen autonomer Orientierung und Verträglichkeit wurde ein schwacher negativer Zusammenhang ermittelt. Jedoch zeigte sich ein moderater bis starker negativer Zusammenhang zwischen Selbstvertrauen und Neurotizismus, woraus sich Anknüpfungspunkte für weitere Untersuchungen ergeben.
Es ist zu beachten, dass die Messinstrumente zur Erfassung der Big Five und der verschiedenen Außenkriterien selbst Limitationen unterliegen. Beispielsweise können bei Inventaren zur Selbsteinschätzung Verzerrungen durch subjektive Betrachtungen und Antworttendenzen entstehen, die die Gültigkeit der Ergebnisse potenziell einschränken.
Erste Untersuchungen indizieren Konstrukt- und Kriteriumsvalidität (vgl. Abschnitt 4.3 Validität), das nomologische Netzwerk inhaltlich verwandter Konstrukte rund um die komplexe Persönlichkeit ist aber noch nicht ausgeschöpft. Die Validierung eines Messinstruments stellt einen kontinuierlichen Prozess dar, zu dem künftige Untersuchungen mit dem CPI in Bezug auf andere relevante Konstrukte wichtige Beiträge leisten werden.
Die Vorhersagekraft des CPI wurde noch nicht in Bezug auf tatsächlich gezeigtes Verhalten und Fremdbeurteilungen geprüft. Künftige Untersuchungen zur Kriteriumsvalidität könnten die Vorhersagegüte des CPI in Bezug auf beispielsweise prosoziale Verhaltensweisen, Problemlösefähigkeiten, Studienerfolg oder Stresstoleranz erfassen. Fremdbeurteilungen bedeutsamer Personen in sozialen Netzwerken (z. B. Bezugspersonen, Vorgesetzte, Lehrer*innen) können zusätzlich einen wertvollen Beitrag zur Beurteilung der Kriteriumsvalidität leisten.
Da es sich beim CPI um ein Instrument zur Selbsteinschätzung handelt, können Verzerrungen bei der Selbstwahrnehmung der Testpersonen und verschiedene Antworttendenzen, beispielsweise in Richtung sozialer Erwünschtheit, die Validität der Ergebnisse einschränken. Die Items des CPI sind jedoch positiv und wertschätzend formuliert, wodurch die Tendenz selbstwertdienlicher Verzerrungen als auch Verfälschungen durch sozial erwünschtes Antwortverhalten verringert werden könnte.
In Bezug auf die Eichung des CPI ist zu beachten, dass die Referenzwerte zur Ergebnisinterpretation aus den Daten dreier verschiedener Stichproben gewonnen wurden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten (2007, 2014/15 und 2017/18) untersucht und hinsichtlich einzelner Charakteristika, z. B. der Nationalität, dem Bildungsstand und der Geschlechterverteilung, eher als homogen einzuschätzen sind. Aufgrund der Stichprobenhomogenität und der längeren Abstände zwischen den Messzeitpunkten kann die Gültigkeit der Interpretation individueller Daten durch die Referenzwerte eingeschränkt sein.
Um die Aktualität und Repräsentativität der Referenzwerte zu sichern, kann es für eine künftige Eichung wichtig sein, die Datenerhebung zu einem Messzeitpunkt bzw. zeitlich näher beieinanderliegenden Zeitpunkten vorzunehmen sowie eine noch umfassendere und heterogene Stichprobe zu untersuchen.
Erstmals publiziert in:
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