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Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
SV
Skala der sozialen Verantwortung
Kurzabstract
Die SV stellt die deutsche Übersetzung der Skala zur Messung der sozialen Verantwortung nach Berkowitz und Daniels (1964) dar und dient der dispositionalen Messung von sozialer Verantwortung. Die SV umfasst 22 Items, die die Gesamtskala bilden. Zwei Subskalen können differenziert werden: (1) Erfüllung von berechtigten Erwartungen anderer, (2) Befolgung von sozialen Spielregeln. Reliabilität: Die internen Konsistenzen lagen bei Alpha = .77-.80 (Gesamtskala), Alpha = .71-.75 (Kurzskala) und Alpha = .65-.70 (Subskalen). Nach fünf Wochen ließ sich ein Stabilitätskoeffizient von rtt = .80 feststellen. Validität: Die Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse sprachen sowohl für die einfaktorielle Struktur als auch für die Bildung zweier Subskalen. Der SV korreliert positiv mit internalen Kontrollüberzeugungen und Empathie und negativ mit Fehlschlag- und Konfliktangst sowie mit Verantwortlichkeitsabwehr. In einer Studie mit ehrenamtlichen Helfern ergab sich, dass die SV positiv mit dem Motiv zusammenhängt, aus sozialer Verantwortung zu helfen, während die Korrelation mit politischer Verantwortung gering ausfiel. Die Subskala "Erfüllung der berechtigten Erwartungen anderer" hängt mit dem Ausmaß an gezeigter Hilfeleistung zusammen (Kriteriumsvalidität). Für die Korrelation zwischen sozialer Verantwortung und sozialer Erwünschtheit zeigte sich ein Koeffizient von r = .43 (p < .001), so dass davon auszugehen ist, dass soziale Verantwortung nicht völlig unabhängig von sozialer Erwünschtheit ist. Die gemeinsame Varianz beträgt etwa 18.5 %.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2019). Open Test Archive: SV. Skala der sozialen Verantwortung. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9004061
Zitierung
Bierhoff, H.-W. (2012). SV. Skala der sozialen Verantwortung [Verfahrensdokumentation und Fragebogen]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.6586
Kurzinformationen
Kurzname SV
Engl. Name Social Responsibility Scale - German version
Autoren Bierhoff, H.-W.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2012
Copyright/Lizenz Copyright Autoren; CC-BY-NC-ND 3.0
Schlagworte Soziale Normen, Soziales Verhalten, Verantwortlichkeit
Sprachversionen deu
Konstrukt Soziale Verantwortung
Altersbereich Erwachsene
Itemzahl 22 Items
Subskalen (1) Erfüllung von berechtigten Erwartungen anderer, (2) Befolgung von sozialen Spielregeln, Gesamtskala: soziale Verantwortung
Durchführungszeit ca. 5 Min.
Auswertungsdauer Wenige Minuten.
Interne Konsistenz: Cronbachs Alpha = .65-.80. Retestreliabilität (5-Wochen-Intervall): rtt = .80.
Befunde zur Konstrukt- und Kriteriumsvalidität; Zusammenhänge mit verschiedenen Variablen.
Keine.
Anwendungsbereich Schule, Beruf, Umwelt, Wissenschaft
Diagnostische Zielsetzung
Die Skala der sozialen Verantwortung dient der dispositionalen Messung von sozialer Verantwortung. Das Konzept der sozialen Verantwortung beinhaltet die Bereitschaft, sich gegenüber sozialen Adressaten verlässlich zu verhalten, und die Einhaltung sozialer Spielregeln. Mit der SV wird ein breites Spektrum von Bereichen abgedeckt, in denen soziale Verantwortung auftreten kann. Neben der Erfassung der globalen sozialen Verantwortung erlaubt die SV eine Binnendifferenzierung, indem die Teilaspekte "Erfüllung von berechtigten Erwartungen anderer" und "Befolgung von sozialen Spielregeln" durch die Bildung von Subskalen berücksichtigt werden. Die SV ist für den Einsatz im schulischen und beruflichen Bereich geeignet. Ferner finden sich Anwendungsmöglichkeiten im Umwelt- sowie im wissenschaftlichen Bereich (Bierhoff, 2000).
Aufbau
Der Fragebogen umfasst 22 Items, die die Gesamtskala bilden. Die Items werden auf einer sechsstufigen Likert-Skala beantwortet, wobei höhere Werte einer größeren Zustimmung zu der Aussage entsprechen. Die verbalen Endpunkte sind mit "sehr falsch" und "sehr richtig" bezeichnet. Um Antworttendenzen zu reduzieren, sind neun der Items invertiert (Item 2, 3, 4, 6, 7, 12, 13, 17, 20 der Gesamtskala). Eine Differenzierung der Skala in zwei Subskalen ist möglich. Die Subskala "Erfüllung von berechtigten Erwartungen anderer" beinhaltet die Items 2, 6, 9, 11, 12, 13, 14 und 16; die Subskala "Befolgung von sozialen Spielregeln" umfasst die Items 3, 4, 5, 7, 15, 19, 20 und 22. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, "soziale Verantwortung" mittels einer Kurzskala zu erfassen, die aus acht Items besteht. Sie setzt sich aus den Items 8, 9, 10, 11, 14, 16, 19 und 22 zusammen. Für die Auswertung wird jeweils das arithmetische Mittel der entsprechenden Skala berechnet.
Grundlagen und Konstruktion
Die SV stellt die deutsche Übersetzung der Skala zur Messung der sozialen Verantwortung nach Berkowitz und Daniels (1964) dar. Verantwortung wird als Bereitschaft zur Übernahme von Verpflichtung verstanden, die als normative Überzeugung die Handlungen einer Person beeinflusst. Diese überdauernde Handlungsdisposition lässt sich als Persönlichkeitsmerkmal auffassen, das unterschiedliche Grade von sozialem Verantwortungsbewusstsein zum Ausdruck bringt. Inhaltlich ist soziale Verantwortung dabei einerseits durch die Bereitschaft, sich gegenüber sozialen Adressaten verlässlich zu verhalten und sich dafür auch persönlich zu engagieren, andererseits durch die Verwendung fairer Mittel und allgemein durch die Einhaltung sozialer Spielregeln gekennzeichnet. Die ins Deutsche übersetzten Items wurden einer Ausgangsstichprobe (n = 394) und einer Replikationsstichprobe (n = 110) vorgelegt, auf deren Daten die Analyse der psychometrischen Qualität des Fragebogens (nach Prinzipien der Klassischen Testtheorie) beruht. Ferner wurde anhand einer wiederholten Messung die Retestreliabilität nach fünf Wochen (n = 80) berechnet. Faktorenanalytische Ergebnisse legen die Binnendifferenzierung in die beiden Subskalen "Erfüllung von berechtigten Erwartungen anderer" und "Befolgung von sozialen Spielregeln" nahe, die positiv miteinander korrelieren. Die gemeinsame Varianz beträgt maximal 12.25%. Jeweils die acht Items wurden ausgewählt, die in der Ausgangsstichprobe nur auf einem der beiden gefundenen Faktoren eine Ladung von .30 oder größer aufwiesen. Zudem wurde eine Kurzskala aus jenen acht Items der Gesamtskala gebildet, die in der Ausgangsstichprobe die höchsten Ladungen auf der ersten Hauptkomponente aufwiesen.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Für die Gesamtskala konnte mit einer internen Konsistenz von Alpha = .77 (Ausgangsstichprobe) bzw. Alpha = .80 (Replikationsstichprobe) jeweils ein zufriedenstellender Wert ermittelt werden. Für die Kurzskala fanden sich Werte von Alpha = .75 und Alpha = .71, für die beiden Subskalen lagen die Werte bei .65 < = Alpha < = .70. Nach fünf Wochen ließ sich ein Stabilitätskoeffizient von r = .80 feststellen. Validität: Die Ergebnisse der Hauptkomponentenanalyse sprachen einerseits für einen dominanten ersten Faktor und somit für eine einfaktorielle Struktur der Skala. Andererseits ließen die faktorenanalytischen Ergebnisse auf Basis einer schiefwinkligen Rotation die Bildung von zwei 8-Item-Teilskalen zu, die der Messung von SV1 = "Erfüllung von berechtigten Erwartungen anderer" und SV2 = "Befolgung von sozialen Spielregeln" dienen können. Die Ähnlichkeit der Faktorenstruktur erwies sich in der Ausgangs- und in der Replikationsstichprobe als hoch. Für die Konstruktvalidität sprechen positive Zusammenhänge der SV mit internalen Kontrollüberzeugungen und Empathie. Ferner fanden sich negative Zusammenhänge mit Fehlschlag- und Konfliktangst sowie mit Verantwortlichkeitsabwehr. Weiterhin zeigte sich ein unterschiedliches Korrelationsmuster für die beiden Subskalen, das für ihre Eigenständigkeit spricht (siehe auch Bierhoff & Rohmann, 2004). In einer Studie mit ehrenamtlichen Helfern ergab sich, dass die SV positiv mit dem Motiv zusammenhing, aus sozialer Verantwortung zu helfen, während die Korrelation mit politischer Verantwortung gering ausfiel (Bierhoff, Schülken & Hoof, 2007). Die Kriteriumsvalidität des Verfahrens wird durch die Ergebnisse einer Laboruntersuchung unterstützt. Hier zeigte sich, dass insbesondere die Subskala "Erfüllung der berechtigten Erwartungen anderer" mit dem Ausmaß an gezeigter Hilfeleistung zusammenhängt. Für die Korrelation zwischen sozialer Verantwortung und sozialer Erwünschtheit zeigte sich ein Koeffizient von r = .43 (p < .001), so dass davon auszugehen ist, dass soziale Verantwortung nicht völlig unabhängig von sozialer Erwünschtheit ist. Die gemeinsame Varianz beträgt etwa 18.5%. Normen: Normwerte liegen nicht vor.
Testkonzept
Items
- Es ist für mich wichtig, möglichst das zu beenden, was ich angefangen habe.
- Es lohnt sich nicht, sich über aktuelle Ereignisse oder öffentliche Angelegenheiten aufzuregen; denn ich kann sowieso nichts daran ändern.
- In der Schule hatte ich nicht immer die besten Betragensnoten.
- Ich bin schon mal mit dem Gesetz oder der Polizei in Konflikt geraten.
- Wenn jemand nicht sein ganzes Einkommen angibt, um Steuern zu sparen, ist das wie wenn man Geld von der Regierung stiehlt.
- Wenn ich in einem Ausschuss oder in einer Gruppe arbeite, halte ich mich gewöhnlich zurück und lasse die anderen planen.
- Ich bin öfters zu spät in die Schule gekommen.
- Wenn es sich lohnt, etwas anzufangen, lohnt es sich meist auch, es zu beenden.
- Ich gehöre zu der Art von Menschen, auf die andere sich verlassen können.
- Ich erledige meine Aufgaben im Allgemeinen so gut ich kann.
- Wenn ein Fremder auf meine Unterstützung angewiesen ist, versuche ich, sie ihm zu geben.
- Warum sollte man wählen gehen, wenn man so wenig mit seiner Stimme erreichen kann.
- Wenn man seine Freunde gelegentlich im Stich lässt, ist das nicht so schlimm, da man nicht jedem immer Gutes tun kann.
- Wenn jemand davon abhängig ist, dass ich für ihn einspringe, zögere ich nicht.
- Es ist wichtiger, für das Wohl der Gemeinschaft zu arbeiten als für das eigene Wohl.
- Ich würde einen Freund nicht im Stich lassen, wenn er von mir Hilfe erwartet.
- Den Menschen würde es viel besser gehen, wenn sie weit voneinander weg leben könnten und nicht aufeinander angewiesen wären.
- Jeder Mensch sollte etwas von seiner Zeit für das Wohl seiner Stadt oder Gemeinde aufbringen.
- Wichtige Angelegenheiten gehen vor, auch wenn die Freizeit lockt.
- Mogeln in Prüfungen ist nicht so schlimm, wenn niemand davon erfährt.
- Ich habe in der Schule öfters freiwillig bestimmte Aufgaben übernommen.
- Wenn man mir eine Aufgabe stellt, erledige ich sie selbst dann, wenn ich mir interessantere Aufgaben vorstellen könnte.
Durchführung
Altersbereiche
Die Skala der sozialen Verantwortung kann von Erwachsenen bearbeitet werden.
Durchführungszeit
Die Bearbeitungsdauer für die Skala der sozialen Verantwortung beträgt etwa 5 Minuten.
Bewertung
Die SV ermöglicht die Erfassung von sozialer Verantwortung als Disposition. Berechnungen zur psychometrischen Qualität belegen die Eignung der Skala zur Erfassung des Konstrukts der sozialen Verantwortung. Durch die Nähe zur Originalskala von Berkowitz und Daniels (1964) ist internationale Vergleichbarkeit gegeben. So können Studien mit der SV mit Arbeiten verglichen werden, in denen die englische Originalskala eingesetzt wurde. Zudem handelt es sich bei dieser Skala mit 22 Items um ein ökonomisches Messinstrument. Die SV leistet einen bedeutenden Beitrag zur quantitativen Erfassung von sozialer Verantwortung. Mit Blick auf das zu konstatierende zunehmende Interesse an der Verantwortungsthematik im Allgemeinen (z.B. Reichle & Schmitt, 1998) und der "Corporate Social Responsibility" im Unternehmen (Blohm, Frey & Traut-Mattausch, 2012) bzw. der pädagogischen Verantwortung von Lehrern (Lauermann & Karabenick, 2011) im Besonderen erscheint die Thematik der Sozialen Verantwortung für die Diagnostik als zunehmend wichtig.
Erstmals publiziert in:
Bierhoff, H.-W. (2000). Skala der sozialen Verantwortung nach Berkowitz und Daniels: Entwicklung und Validierung. Diagnostica, 46 (1), 18-28. PSYNDEX Dok.-Nr. 0136453
Literatur
Berkowitz, L. & Daniels, L.R. (1964). Affecting the salience of the social responsibility norm: Effects of past help on the response to dependency relationships. Journal of Abnormal and Social Psychology, 68, 275-281.
Bierhoff, H.W. (2000). Skala der sozialen Verantwortung nach Berkowitz und Daniels: Entwicklung und Validierung. Diagnostica, 46 (1), 18-28. PSYNDEX Dok.-Nr. 0136453
Bierhoff, H.W. & Rohmann, E. (2004). Altruistic personality in the context of the empathy-altruism hypothesis. European Journal of Personality, 18, 351-365. PSYNDEX Dok.-Nr. 0172708
Bierhoff, H.W., Schülken, T. & Hoof, M. (2007). Skalen der Einstellungsstruktur ehrenamtlicher Helfer (SEEH). Zeitschrift für Personalpsychologie, 6, 12-27. PSYNDEX Dok.-Nr. 0197209
Blohm, G., Frey, D. & Traut-Mattausch, E. (2012). Ein psychologisches Rahmenmodell zur Beschreibung von Wirkprozessen der organisierten Freiwilligentätigkeit in Betrieben (Corporate Volunteering). Wirtschaftspsychologie, 14, 60-69. PSYNDEX Dok.-Nr. 0252753
Lauermann, F. & Karabenick, S.A. (2011). Teacher responsibility into account(ability): Explicating its multiple components and theoretical status. Educational Psychologist, 46, 122-140.
Reichle, B. & Schmitt, M. (1998). Verantwortung, Gerechtigkeit und Moral. Weinheim: Juventa. PSYNDEX Dok.-Nr. 0115276
Wichtige neuere Publikationen
Bierhoff, H.-W. (2014). SV-K. Skala der sozialen Verantwortung - Kurzskala. In C.J. Kemper, E. Brähler & M. Zenger (Hrsg.), Psychologische und sozialwissenschaftliche Kurzskalen. Standardisierte Erhebungsinstrumente für Wissenschaft und Praxis (S. 307-309). Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
Orginalfassung/Anderssprachlige Fassungen
Berkowitz, L. & Daniels, L.R. (1964). Affecting the salience of the social responsibility norm: Effects of past help on the response to dependency relationships. Journal of Abnormal and Social Psychology, 68 (3), 275-281. [original items included p. 279]
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Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff, Emeritus, Fakultät für Psychologie, Sozialpsychologie, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstraße 150, D-44801 Bochum