Testinstrumente sortiert
Ansprechpartnerin für Open Test Archive
Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
wissenschaftliche Mitarbeiterin
+49 (0)651 201-4934
guek@leibniz-psychology.org
NPO-11
Screening zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie
Kurzabstract
Der NPO-11 dient als Screening zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie im Selbst- und Elternbericht. Anhand von Expertenangaben wurden jeweils 11 Items für die Nachsorgebereiche Progredienzangst, Traurigkeit, Antrieblosigkeit, Selbstwertprobleme, Schul- und Ausbildungsprobleme, somatische Beschwerden, emotionaler Rückzug, soziale Desintegration, Pseudoreife, Eltern-Kind-Konflikte sowie Elternpaar-Konflikte entwickelt und psychometrisch überprüft. Reliabilität: Die interne Konsistenz nach McDonalds Omega lag bei ω = .77 beim Selbstbericht und ω = .80 beim Elternbericht. Validität: Es fanden sich negative Zusammenhänge mit dem Fragebogen zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen - revidierte Form (KINDL-R; Ravens-Sieberer, 2003).
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2024). Open Test Archive: NPO-11. Screening zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9009001
Zitierung
Kulisch, L., Herrmann, J., Herzog, K., Graf Einsiedel, H., Kamm-Thonwart, R., Hoffmann, R., Jäschke, Y., Martini, J. & Schepper, F. (2023). NPO-11. Screening zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie [Verfahrensdokumentation, Fragebogen Selbst- und Elternbericht]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.14473
Kurzinformationen
Kurzname NPO-11
Engl. Name Screening to Assess Psychosocial Follow-Up Needs in Pediatric Oncology (Self- and Parent-Report)
Autoren Kulisch, L., Herrmann, J., Herzog, K., Graf Einsiedel, H., Kamm-Thonwart, R., Hoffmann, R., Jäschke, Y., Martini, J. & Schepper, F.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2024
Copyright/Lizenz Copyright AutorInnen; CC-BY-SA 4.0
Schlagworte Krebskrankheit; Onkologie
Sprachversionen deu
Konstrukt Keine; als Referenzwerte: Mittelwerte und Standardabweichungen getrennt für Selbst- und Elternbericht.
Altersbereich Fragebogenversion Selbstbericht: Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren Fragebogenversion Elternbericht: Eltern von Kindern im Alter zwischen 4 und 18 Jahren.
Itemzahl 11 Items
Subskalen Bereiche: Progredienzangst, Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Selbstwertprobleme, Schul- und Ausbildungsprobleme, somatische Beschwerden, emotionaler Rückzug, soziale Desintegration, Pseudoreife, Eltern-Kind-Konflikte, Elternpaar-Konflikte
Durchführungszeit Wenige Minuten.
Auswertungsdauer Wenige Minuten.
Interne Konsistenz: McDonald's Omega ω = .77 (Selbstbericht), ω = .80 (Elternbericht).
Belege für die Konstruktvalidität.
Keine; als Referenzwerte: Mittelwerte und Standardabweichungen getrennt für Selbst- und Elternbericht.
Anwendungsbereich Forschung, Praxis
Diagnostische Zielsetzung
Der NPO-11 ist ein zeitökonomisches und praktikables Screening zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie im Selbst- und Elternbericht. Der Fragebogen dient dazu, das klinische Urteil mit standardisiert zu erhebenden Daten zu unterstützen.
Aufbau
Der NPO-11 besteht aus 11 Items, welche jeweils für den Selbstbericht der Kinder und Fremdbericht der Eltern formuliert wurden. In einem dichotomen Antwortformat wird jeweils abgefragt, ob Bedarf vorliegt („ja“) oder ob kein Bedarf besteht („nein“). Es werden die Nachsorgebereiche Progredienzangst, Traurigkeit, Antrieblosigkeit, Selbstwertprobleme, Schul- und Ausbildungsprobleme, somatische Beschwerden, emotionaler Rückzug, soziale Desintegration, Pseudoreife, Eltern-Kind-Konflikte sowie Elternpaar-Konflikte erfasst.
Grundlagen und Konstruktion
Klinisch erfahrene ExpertInnen (6 Personen, mindestens 5 Jahre Berufserfahrung) der pädiatrisch-onkologischen psychosozialen Versorgung gaben die subjektiv wichtigsten Nachsorgebereiche an. Aus diesen wurden 11 Items erstellt, welche jeweils einem Nachsorgebereich zuzuordnen sind. Ziel des Screenings ist eine Balance zwischen zeitökonomischer Anwendung und Abdeckung möglichst vieler relevanter Themenfelder.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Die Internen Konsistenzen (McDonalds Omega) sind ausreichend mit ω = .77 beim Selbstbericht und ω = .80 beim Elternbericht.
Validität: Die Validität wurde über Korrelationsanalysen mittels Spearman-Korrelationen mit der Kriteriumsvariable Lebensqualität, erfasst über den KINDL-R, getestet. Eine höhere Anzahl an Nachsorgebedarfsbereichen ist mit einer geringeren Lebensqualität assoziiert. Die Effekte sind jeweils groß mit Ausnahme der Korrelation zwischen dem elternberichteten Gesamtwert des NPO-11 und der selbstberichteten Lebensqualität, welche eine mittlere Größe hat.
Normen: Es liegen Mittelwerte und Standardabweichungen als Referenzwerte für Selbst- und Elternbericht vor.
Testkonzept
Theoretischer Hintergrund
Der Großteil der Kinder, die eine Krebserkrankung überleben, leiden nicht an psychosozialen Spätfolgen (Brinkman, Recklitis, Michel, Grootenhuis & Klosky, 2018). Jedoch haben sie ein erhöhtes Risiko für Posttraumatische Belastungssymptome, Angst, Depression (Seitz et al., 2010; Zeltzer et al., 2009), körperliche Beschwerden (Kepák et al., 2022; Langer, Baust, Bielack & Calaminus, 2021), Progredienzängste (Cunningham, Patton, Schulte, Richardson & Heathcote, 2021) oder Probleme in sozialen Beziehungen (Zebrack, 2011). Psychosoziale Belastungen rechtzeitig zu erkennen, kann helfen, die Behandlungen von möglichen Komorbiditäten zu verringern (Cortaredona & Ventelou, 2017). Da in der Nachsorge seltener Kontakt zu BehandlerInnen besteht, die mögliche psychosoziale Belastungen erfassen, ist es notwendig mittels eines Screenings systematisch PatientInnen mit Nachsorgebedarf zu identifizieren (Schröder et al., 2019). Bisherige Instrumente konnten den Bedarf nicht zuverlässig erfassen (Recklitis, Blackmon & Chang, 2017). Daher soll mit dem NPO-11 ein zeitökonomisches und praktikables Screeninginstrument zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie zur Verfügung gestellt werden.
Testaufbau
Mit jeweils 11 dichotomen Items („Ja“ oder „Nein“) fragt der NPO-11 im Selbstbericht der Kinder und im Elternbericht die 11 Bereiche Progredienzangst, Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Selbstwertprobleme, Schul- und Ausbildungsprobleme, somatische Beschwerden, emotionaler Rückzug, soziale Desintegration, Pseudoreife, Eltern-Kind-Konflikte sowie Elternpaar-Konflikte ab. Es wird von einer eindimensionalen Struktur ausgegangen, wobei jedes Item für sich einen Nachsorgebereich darstellt.
Auswertungsmodus
Der NPO-11 wurde für eine qualitative und quantitative Auswertung konzipiert. Durch die Erfassung von 11 Bedarfsbereichen können qualitative Ableitungen zu vertiefender Diagnostik und Inhalten psychosozialer Interventionen getroffen werden. Über einen Gesamtwert der Anzahl der Bedarfsbereiche wird zudem quantitativ das Ausmaß an psychosozialem Nachsorgebedarf eingeschätzt. Dazu werden bei vollständig ausgefülltem Fragebogen alle „Ja“-Antworten mit 1 kodiert und aufsummiert.
Anhand der Quartilgrenzen wurden gemeinsame Grenzwerte der Gesamtwerte für Selbst- und Elternbericht bestimmt (siehe Abbildung 1):
(1) Das Vorliegen von 0-3 Nachsorgebereichen wurde als Kategorie „grün“ festgelegt. Hier sollte eine vertiefende Exploration der angegebenen Bereiche erfolgen, Informationen über psychosoziale Nachsorgeangebote gegeben und ein wiederholtes Screening terminiert werden. (2) 4-5 Nachsorgebereiche werden als Kategorie „gelb“ definiert. Auch hier sollte eine vertiefende Exploration erfolgen. Zudem sollten spezifische Nachsorgeangebote empfohlen, ein erneutes Screening terminiert und die Inanspruchnahme überprüft werden.
(3) In der Kategorie „rot“ mit 6-11 angegebenen Nachsorgebereichen sollten die angegebenen Bereiche vertiefend exploriert, dringend die Inanspruchnahme psychosozialer Nachsorgeangebote empfohlen und bei der zeitnahen Kontaktaufnahme zur Inanspruchnahme von Angeboten unterstützt werden.
Der Einsatz ersetzt jedoch ausdrücklich nicht das gemeinsame Gespräch bzw. die vertiefte Exploration zu einzelnen Problembereichen. Es ist durchaus vorstellbar, dass bereits bei der Bejahung eines einzelnen Items genügend Belastung zur Inanspruchnahme einer psychosozialen Nachsorge vorliegt, oder aber, dass psychosoziale Nachsorgeangebote auch unter präventiven Aspekten in Anspruch genommen werden sollten, auch wenn keine Symptombelastung im eigentlichen Sinne besteht.
Es wird empfohlen möglichst sowohl Selbst- als auch Elternbericht zu erheben, da diese vor allem bei jüngeren Kindern mit geringerer Introspektionsfähigkeit sich ergänzende Perspektiven liefern. Diskrepanzen zwischen der Selbst- und Fremdbewertung sind erwartbar und sollten vor dem Hintergrund der individuellen Familiensituation sowie dem Entwicklungsstand des Kindes in das klinische Urteil zum psychosozialen Nachsorgebedarf einbezogen werden.
Abb. 1: Vorschläge zu weiterführenden Interventionen entsprechend dem Gesamtwert des NPO-11
Auswertungshilfen
Als Auswertungshilfe liegt ein Bewertungsschlüssel nach dem Ampelsystem vor, anhand dessen der Gesamtwert bzw. die Anzahl der bejahten Items einer von drei Kategorien zugeordnet werden kann.
Auswertungszeit
Die quantitative Auswertung in der Addition aller mit „Ja“ beantworteten Items zur Bestimmung des Gesamtwertes nimmt wenige Minuten in Anspruch.
Itembeispiele
Es wird beispielhaft ein besonders trennscharfes Item im Selbst- und Elternbericht angegeben.
- Selbstbericht: „Ich bin traurig.“ (r = .51)
- Elternbericht: „Mein Kind ist traurig.“ (r = .60)
Items
Im Folgenden werden zunächst die Items des Selbstberichts angegeben und anschließend jene des Elternberichts.
Selbstbericht:
- Ich habe Ängste, z. B. dass die Krebserkrankung wiederkommt.
- Ich bin traurig.
- Ich bin lustlos.
- Ich bin mit mir unzufrieden.
- Ich habe Probleme, die Aufgaben in der Schule bzw. in der Ausbildung zu bewältigen.
- Ich habe körperliche Probleme seit der Krebserkrankung.
- Ich bin zurückgezogen und in mich gekehrt.
- Ich habe zu wenig gleichaltrige Freunde.
- Ich komme besser mit älteren Kindern oder Erwachsenen zurecht als mit Kindern meines Alters.
- Zwischen meinen Eltern und mir gibt es oft Streit.
- Meine Eltern streiten sich oft.
Elternbericht:
- Mein Kind hat Ängste, z. B. dass die Krebserkrankung wiederkommt.
- Mein Kind ist traurig.
- Mein Kind ist lustlos.
- Mein Kind ist mit sich selbst unzufrieden.
- Mein Kind hat Probleme, die Aufgaben in der Schule bzw. in der Ausbildung zu bewältigen.
- Mein Kind hat körperliche Probleme durch die Krebserkrankung.
- Mein Kind ist zurückgezogen und in sich gekehrt.
- Mein Kind hat zu wenig Kontakt zu anderen Kindern gleichen Alters.
- Mein Kind kommt besser mit älteren Kindern oder Erwachsenen zurecht als mit Kindern vergleichbaren Alters.
- Zwischen meinem Kind und mir gibt es oft Streit.
- Zwischen meinem/meiner Partner/in und mir gibt es oft Streit.
Durchführung
Testformen
Es existieren zwei Testformen für Kinder und Jugendliche im Selbstbericht sowie für Eltern im Fremdbericht.
Altersbereiche
Der NPO-11 kann für Kinder und Jugendliche im Selbstbericht zwischen 7 und 18 Jahren angewandt werden sowie für Eltern von Kindern im Alter zwischen 4 und 18 Jahren.
Durchführungszeit
Es wird keine Zeitvorgabe für die Durchführung gemacht. Das Beantworten des Fragebogens nimmt jedoch aufgrund der geringen Anzahl an Items und des dichotomen Antwortformats nur wenige Minuten in Anspruch.
Material
Zu den Testmaterialien zählen die beiden Testformen in Paper-Pencil-Form sowie die vorliegende Verfahrensdokumentation.
Instruktion
Die Instruktion erfolgt schriftlich auf dem auszufüllenden Fragebogen.
Selbstbericht: „Folgend findest Du verschiedene Aussagen. Bitte lies diese sorgfältig und entscheide jeweils, ob die Aussage auf Dich zutrifft. Falls du dir nicht sicher bist, wähle die Antwort, die am ehesten zutrifft.“
Elternbericht: „Folgend finden Sie verschiedene Aussagen. Bitte lesen Sie diese sorgfältig und entscheiden Sie jeweils, ob die Aussage auf Ihr Kind zutrifft. Falls Sie sich nicht sicher sind, wählen Sie die Antwort, die am ehesten zutrifft.“
Durchführungsvoraussetzungen
Bei der Durchführung des NPO-11 sind keine besonderen Voraussetzungen zu beachten. Lediglich die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache ist notwendig, um ein Verständnis des Fragebogens sicherzustellen.
Testkonstruktion
Die Items des NPO-11 wurden aus der subjektiven Einschätzung der wichtigsten Nachsorgebereiche von sechs klinisch erfahrenen Expertinnen (mindestens 5 Jahre Berufserfahrung) der pädiatrisch-onkologischen Versorgung generiert. Die psychometrische Überprüfung erfolgte auf Basis der klassischen Testtheorie sowie einer faktorenanalytischen Überprüfung anhand von N = 101 Eltern-Kind-Dyaden aus der psychosozialen Nachsorge.
Zur Untersuchung der Faktorenstruktur wurde eine Hauptachsenanalyse mit Varimax-Rotation berechnet. Mittels Scree-Test und Kaiser-Guttman-Kriterium wurde die Anzahl empirischer Faktoren ermittelt. Die Faktorenstruktur wurde anschließend mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse geprüft. Scree-Test und Kaiser-Guttman-Kriterium zeigen, dass den 11 Items sowohl im Selbstbericht als auch im Elternbericht ein Faktor zugrunde liegt. Die konfirmatorische Faktorenanalyse zeigt jedoch gemischte Befunde zur Passung eines einfaktoriellen Modells. Für einen guten Modellfit im Selbstbericht spricht der SRMR (0.08), während Chi-Quadrat-Test (χ²(44) = 67.63; p = .01), RMSEA (0.09) und CFI (0.79) dem widersprechen. Ähnlich zeigt sich ein guter Modellfit im Elternbericht im SRMR (0.07) und RMSEA (0.06), jedoch nicht im Chi-Quadrat-Test (χ²(44) = 60.97; p = .05) und CFI (0.91).
Gütekriterien
Objektivität
Bezüglich Durchführung und Auswertung kann das Verfahren als objektiv angesehen werden. Zudem wird davon ausgegangen, dass durch die einfache Auswertung und das Vorliegen von Cut-off-Werten eine ausreichende Interpretationsobjektivität vorliegt. Außerdem wurde eine Interraterreliabilität zwischen Selbst- und Elternbericht (Cohens Kappa) für die einzelnen Items berechnet. Die Interraterreliabilitäten waren ausreichend bis moderat (.29 ≤ κ ≤ .56).
Reliabilität
Die Reliabilität der Gesamtwerte wurde über die interne Konsistenz (McDonalds Omega) erfasst. Die internen Konsistenzen sind ausreichend mit ω = .77 beim Selbstbericht und ω = .80 beim Elternbericht.
Validität
Die Validität wurde über Korrelationsanalysen mittels Spearman-Korrelationen mit der Kriteriumsvariable Lebensqualität getestet, erfasst über den Fragebogen zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen - revidierte Form (KINDL-R; Ravens-Sieberer, 2003). Zwischen NPO-11-Selbstbericht und KINDL-R-Selbstbericht besteht eine Korrelation von r = -.82, zwischen beiden Elternberichten von r = -.71. Der Selbstbericht des NPO-11 korreliert zu r = -.66 mit dem Elternbericht des KINDL-R und der Elternbericht des NPO-11 korreliert zu r = -.42 mit dem Selbstbericht des KINDL-R. Eine höhere Anzahl an Nachsorgebedarfsbereichen ist mit einer geringeren Lebensqualität assoziiert. Die Effekte sind jeweils groß mit Ausnahme der Korrelation zwischen dem elternberichteten Gesamtwert des NPO-11 und der selbstberichteten Lebensqualität, welcher eine mittlere Größe hat.
Normierung
Es liegen Mittelwerte und Standardabweichungen als Referenzwerte für Selbst- und Elternbericht vor (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1
Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) (Kulisch et al., 2023, S. 182)
Fragebogenversion | M | SD |
---|---|---|
Selbstbericht (n = 72) | 3.58 | 2.67 |
Elternbericht (n = 92) | 3.93 | 2.94 |
Anwendungsmöglichkeiten
Anwendungsgebiete des NPO-11 sind der Übergang von stationärer zu ambulanter medizinischer Versorgung (z. B. Überleitungsgespräch) sowie während der ambulanten Behandlung. Ebenso empfiehlt sich eine Anwendung im Rahmen der psychosozialen Nachsorge z. B. als Verlaufsmessung. Der NPO-11 lässt sich zudem in Forschung und Evaluation einsetzen.
Der NPO-11 dient als Screeninginstrument zur gezielten, zeitökonomischen Erfassung von psychosozialen Bedarfen in der Nachsorge. Der Fragebogen dient dazu, das klinische Urteil mit standardisiert zu erhebenden Daten zu unterstützen. Der Einsatz ersetzt jedoch ausdrücklich nicht das gemeinsame Gespräch bzw. die vertiefte Exploration zu einzelnen Problembereichen. Es ist durchaus vorstellbar, dass bereits bei der Bejahung eines einzelnen Items genügend Belastung zur Inanspruchnahme einer psychosozialen Nachsorge vorliegt oder aber, dass psychosoziale Nachsorgeangebote auch unter präventiven Aspekten in Anspruch genommen werden sollten, auch wenn keine Symptombelastung im eigentlichen Sinne besteht.
Bewertung
Der NPO-11 ist ein zeitökonomisches Screeningverfahren zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie. Über 11 dichotome Items werden verschiedene Bereiche der psychosozialen Nachsorge im Selbstbericht der Kinder und im Fremdbericht der Eltern erfasst. Die psychometrische Überprüfung zeigt eine ausreichende interne Konsistenz in beiden Fassungen (ω = .77; ω = .80) sowie mittlere bis große Zusammenhänge mit der Lebensqualität (KINDL-R), was für eine ausreichende Validität spricht. Weitere Forschung sollte größere Stichproben und schwerer erreichbare Zielgruppen (z.B. Familien mit Migrationshintergrund) einbeziehen, die Bedeutung von Mehrfachbelastungen erforschen und Langzeit-Follow-ups berücksichtigen. Aufgrund der einfachen Berechnung des Gesamtwertes und der geringen Bearbeitungszeit, ist der NPO-11 ein reliables, valides und zeitökonomisches Screeninginstrument im Übergang von stationärer zu ambulanter medizinischer Versorgung (z. B. Überleitungsgespräch) sowie während der ambulanten Behandlung. Ebenso empfiehlt sich eine Anwendung im Rahmen der psychosozialen Nachsorge z. B. als Verlaufsmessung. Der NPO-11 lässt sich zudem in Forschung und Evaluation einsetzen.
Erstmals publiziert in:
Kulisch, L. K., Herrmann, J., Herzog, K., Graf Einsiedel, H., Kamm-Thonwart, R., Hoffmann, R., Jäschke, Y., Martini, J. & Schepper, F. (2023). Screening zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie (NPO-11) für Selbst- und Elternbericht. Klinische Pädiatrie, 235 (03), 178-184. PSYNDEX Dok.-Nr. 0415229
Literatur
Brinkman, T. M., Recklitis, C. J., Michel, G., Grootenhuis, M. A. & Klosky, J. L. (2018). Psychological symptoms, social outcomes, socioeconomic attainment, and health behaviors among survivors of childhood cancer: Current state of the literature. Journal of Clinical Oncology, 36(21), 2190–2197. https://doi.org/10.1200/jco.2017.76.5552
Cortaredona, S. & Ventelou, B. (2017). The extra cost of comorbidity: multiple illnesses and the economic burden of non-communicable diseases. BMC Medicine, 15(1). https://doi.org/10.1186/s12916-017-0978-2
Cunningham, S. J., Patton, M., Schulte, F., Richardson, P. A. & Heathcote, L. C. (2021). Worry about somatic symptoms as a sign of cancer recurrence: Prevalence and associations with fear of recurrence and quality of life in survivors of childhood cancer. Psycho-Oncology, 30(7), 1077–1085. https://doi.org/10.1002/pon.5647
Kepák, T., Hrstková, H., Dusek, V., Holíková, M., Štrublová, L. & Kepáková, K. (2022). Late effects of childhood cancer recorded at a single outpatient clinic over the course of one year: Implications for the follow-up care. Neoplasma, 69(04), 983–992. https://doi.org/10.4149/neo_2022_220531n584
Kulisch, L. K., Herrmann, J., Herzog, K., Graf Einsiedel, H., Kamm-Thonwart, R., Hoffmann, R., Jäschke, Y., Martini, J. & Schepper, F. (2023). Screening zur Einschätzung des psychosozialen Nachsorgebedarfs in der pädiatrischen Onkologie (NPO-11) für Selbst- und Elternbericht. Klinische Pädiatrie, 235(03), 178-184. https://doi.org/10.1055/a-2070-7720 PSYNDEX Dok.-Nr. 0415229
Langer, T., Baust, K., Bielack, S. & Calaminus, G. (2021). Langzeitfolgen nach Krebs im Kindes- und Jugendalter – Die Nachsorge der von einer Krebserkrankung geheilten Kinder und Jugendlichen. In H. J. Schmoll (Hrsg.), Kompendium Internistische Onkologie. (S. 1-14). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-46764-0_289-1
Ravens-Sieberer, U. (2003). KINDLR. Fragebogen zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen - Revidierte Form. In J. Schumacher, A. Klaiberg & E. Brähler (Hrsg.), Diagnostische Verfahren zu Lebensqualität und Wohlbefinden (S. 184-188). Göttingen: Hogrefe.
Recklitis, C. J., Blackmon, J. E. & Chang, G. (2017). Validity of the Brief Symptom Inventory-18 (BSI-18) for identifying depression and anxiety in young adult cancer survivors: Comparison with a structured clinical diagnostic interview. Psychological Assessment, 29(10), 1189–1200. https://doi.org/10.1037/pas0000427
Schröder H. M., Lilienthal, S., Schreiber-Gollwitzer, B. M., Grießmeier, B., Hesselbart, B., Lein-Köhler, I., Nest, A., Weiler-Wichtl, L. J. & Leiss, U. (2019). Psychosoziale Versorgung in der Pädiatrischen Onkologie und Hämatologie - AWMF S3 Leitlinie Register Nr. 025/002. Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH).
Seitz, D., Besier, T., Debatin, K., Grabow, D., Dieluweit, U., Hinz, A., Kaatsch, P. & Goldbeck, L. (2010). Posttraumatic stress, depression and anxiety among adult long-term survivors of cancer in adolescence. European Journal of Cancer, 46(9), 1596–1606. https://doi.org/10.1016/j.ejca.2010.03.001 PSYNDEX Dok.-Nr. 0230460
Zebrack, B. (2011). Psychological, social, and behavioral issues for young adults with cancer. Cancer, 117(S10), 2289–2294. https://doi.org/10.1002/cncr.26056
Zeltzer, L. K., Recklitis, C. J., Buchbinder, D., Zebrack, B., Casillas, J., Tsao, J. C., Lü, Q. & Krull, K. R. (2009). Psychological status in childhood cancer survivors: A report from the Childhood Cancer Survivor Study. Journal of Clinical Oncology, 27(14), 2396–2404. https://doi.org/10.1200/jco.2008.21.1433
Rückmeldeformular
Rückmeldung über die Anwendung eines Verfahrens aus dem Testarchiv des Leibniz-Instituts für Psychologie (ZPID) an die Testautoren/-innen
Kontaktdaten
Leonard Konstantin Kulisch, Ruhr-Universität Bochum, Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit (FBZ), Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, Massenbergstraße 9-13 D-44787 Bochum
Jessy Herrmann, Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V., Philipp-Rosenthal-Straße 21, D-04103 Leipzig
Kristina Herzog, Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V., Philipp-Rosenthal-Straße 21, D-04103 Leipzig
Remo Kamm-Thonwart, Sonnenstrahl e.V., Goetheallee 13, D-01309 Dresden
Dr. med. Hagen Graf Einsiedel, Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie, Liebigstraße 18, Haus B, D-04103 Leipzig
Rahel Hoffmann, Universität Leipzig, Liebigstraße 22, D-04103 Leipzig
Yvonne Jäschke, Leitung Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig e.V. Philipp-Rosenthal-Straße 21, D-04103 Leipzig
Jun.-Prof. Dr. rer. nat. Julia Martini, Psychosoziale Forschung Kinderonkologie Dresden - Leipzig, Fetscherstraße 74, D-01307 Dresden
Dr. rer. med. Florian Schepper, Universitätsklinikum Leipzig, Abteilung für Pädiatrische Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie, Liebigstraße 18, Haus B, D-04103 Leipzig