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Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
DSS
Discontinuation Success Scale
Kurzabstract
Der Discontinuation Success Scale (DSS) erfasst den subjektiven Absetzerfolg von Patient:innen, die Antipsychotika oder Antidepressiva einnehmen. Er besteht aus 24 Items, die auf drei Subskalen verteilt sind ((1) Subjektiver Absetzerfolg, (2) Positive Absetzeffekte, (3) Negative Absetzeffekte). Reliabilität: Keine Angaben. Validität: Die faktorielle und Kriteriumsvalidität sowie die Messinvarianz zwischen Personen, die Antidepressiva und Antipsychotika nehmen, wurden berechnet.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2025). Open Test Archive: DSS. Discontinuation Success Scale. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9008689
Zitierung
Lincoln, T. M., Sommer, D., Könemund, M. & Schlier, B. (2025). DSS. Discontinuation Success Scale [Verfahrensdokumentation, Fragebogen auf Deutsch und Englisch]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.16318
Kurzinformationen
Kurzname DSS
Engl. Name Discontinuation Success Scale
Autoren Lincoln, T. M., Sommer, D., Könemund, M. & Schlier, B.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2025
Copyright/Lizenz Copyright AutorInnen; CC-BY-SA 4.0
Schlagworte Compliance (Behandlung); Einstellungen von Klientinnen und Klienten; Medizinische Behandlung; Behandlungsaussetzung (Schwerstkranke); Therapiebeendigung; Antidepressiva
Sprachversionen deu eng
Altersbereich ab 18 Jahre
Itemzahl 24 Items
Subskalen Subskalen: (1) Subjektiver Absetzerfolg, (2) Positive Absetzeffekte, (3) Negative Absetzeffekte
Durchführungszeit Wenige Minuten.
Auswertungsdauer Wenige Minuten.
Keine Angaben
Befunde zur faktoriellen und kriteriellen Validität sowie zur Messinvarianz zwischen Personen, die Antidepressiva und Antipsychotika einnehmen.
Keine. Referenzwerte liegen nicht vor.
Anwendungsbereich Forschung
Diagnostische Zielsetzung
Die diagnostische Zielsetzung der Discontinuation Success Scale (DSS) besteht darin, den subjektiven Absetzerfolg von Patient:innen, die Antipsychotika oder Antidepressiva einnehmen, zu quantifizieren.
Aufbau
Der Test besteht aus 24 Items, denen mittels einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = „stimme überhaupt nicht zu“, 5 = „stimme voll und ganz zu“), zugestimmt werden kann.
Grundlagen und Konstruktion
Die DSS wurde basierend auf den Erfahrungen von Menschen mit tatsächlichen Erfahrungen mit Medikamentenabsetzung entwickelt und die Items wurden mittels explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalyse geprüft. Zudem wurden signifikante Zusammenhänge zwischen den DSS-Skalenwerten und dem objektiven Absetzungserfolg einerseits sowie dem subjektiven Wohlbefinden festgestellt.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Keine Angaben.
Validität: Faktorielle Validierung mit der Voraussetzung, dass jeder Faktor mindestens vier Items mit Ladungen > 0.60 hat. EFA zur Validierung der dimensionalen Struktur der DSS. CFA zur Validierung der Modellpassung basierend auf dem CFI. Testung der Messinvarianz zwischen Antidepressiva und Antipsychotika. Testung der Kriteriumsvalidität anhand der Zusammenhänge zwischen DSS-Scores und objektivem Absetzungserfolg in Verbindung mit dem Wohlbefinden.
Normen: Es liegen keine Referenzwerte vor.
Testkonzept
Theoretischer Hintergrund
Die Discontinuation Success Scale (DSS; Lincoln, Sommer, Könemund & Schlier, 2021) dient der Erfassung des subjektiven Absetzungserfolgs nach dem Absetzen psychotroper Medikamente (Antipsychotika und Antidepressiva). Die DSS wurde entwickelt, um den subjektiven Absetzerfolg differenziert zu erfassen. Der Fragebogen kann sowohl in der therapeutischen Begleitung des Absetzerfolgs verwendet werden, als auch, um Prädiktoren des Absetzerfolgs empirisch zu untersuchen.
Testaufbau
Die DSS umfasst 24 Items mit drei Subskalen – eine zur Bewertung des Absetzungserfolgs an sich (Subskala „Subjektiver Absetzerfolg“), eine, die positive Absetzeffekte erfasst (Subskala „Positive Absetzeffekte“) und eine, die negative Absetzungseffekte erfasst (Subskala „Negative Absetzeffekte“). Die Items werden mithilfe einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 = „stimme voll und ganz zu“) beantwortet.
Auswertungsmodus
Für jede Subskala wird der durchschnittliche Wert durch Addition der Itemrohwerte berechnet:
Subjektiver Absetzerfolg: (item_1 + item_2 + item_3 + (6-item_4) + (6-item_5) + item_8)/6
(Erläuterung: Da Item 4 und Item 5 negativ gepolt sind, ist hier eine entsprechende Umrechnung erforderlich.)
Positive Absetzeffekte: (item_6 + item_11 + item_13 + item_14 + item_15 + item_17 + item_22 + item_23 + item_24)/9
Negative Absetzeffekte: (item_7 + item_9 + item_10 + item_12 + item_16 + item_18 + item_19+ item_20 + item_21)/9
Auswertungshilfen
Unter „Auswertungsmodus“ werden für alle drei Subskalen genaue Berechnungen vorgegeben.
Auswertungszeit
Die Auswertungszeit beträgt wenige Minuten.
Itembeispiele
(1) Alles in Allem ist der Absetzversuch aus meiner Sicht erfolgreich gewesen. (Subskala „Subjektiver Absetzerfolg“)
(15) Seit dem Absetzversuch empfinde ich mehr Freude. (Subskala „Positive Absetzeffekte“)
(19) Seit dem Absetzversuch fühle ich mich häufiger überfordert. (Subskala „Negative Absetzeffekte“)
Items
(1) Alles in Allem ist der Absetzversuch aus meiner Sicht erfolgreich gewesen.
(2) Ich habe keine Absetzsymptome.
(3) Ich habe den Zustand, den ich durch den Absetzversuch erzielen wollte, erreicht.
(4) Für den Absetzversuch habe ich einen zu hohen Preis bezahlt.
(5) Der Absetzversuch ist nicht so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte.
(6) Im Vergleich zu der Zeit vor dem Absetzversuch sind meine Symptome besser geworden.
(7) Im Vergleich zu der Zeit vor dem Absetzversuch hat sich mein psychischer Zustand verschlechtert.
(8) Ich habe die Absetzsymptome (z. B. Übelkeit, Zittern, Durchfall) im Griff.
(9) Seit dem Absetzversuch fällt mir der Umgang mit Rückfällen schwerer.
(10) Die Problembewältigung im Alltag gelingt mir weniger gut als in der Zeit vor dem Absetzversuch.
(11) Durch den Absetzversuch kann ich besser auf die Frühwarnzeichen meiner psychischen Beschwerden/ Erkrankungen reagieren.
(12) Seit dem Absetzversuch hat sich meine Stimmung verschlechtert.
(13) Meine Leistungsfähigkeit ist seit dem Absetzversuch gestiegen.
(14) Im Vergleich zu der Zeit vor meinem Absetzversuch sind meine Freundschaften und Beziehungen besser geworden.
(15) Seit dem Absetzversuch empfinde ich mehr Freude.
(16) Durch den Absetzversuch ist meine Motivation, viele Dinge zu tun, gesunken.
(17) Seit dem Absetzversuch fühle ich mich lebendiger.
(18) Seit dem Absetzversuch fällt es mir schwerer, mit negativen Emotionen umzugehen.
(19) Seit dem Absetzversuch fühle ich mich häufiger überfordert.
(20) Durch den Absetzversuch fühle ich mich unsicherer.
(21) Seit dem Absetzversuch schlafe ich schlechter.
(22) Ich finde es gut, dass ich durch den Absetzversuch wieder mehr Gefühle spüren kann.
(23) Ich habe durch den Absetzversuch wieder mehr Lust, etwas aus meinem Leben zu machen.
(24) Der Absetzversuch hat es mir ermöglicht, selbstbestimmter zu leben.
Durchführung
Testformen
Die DSS (Lincoln et al., 2021) ist als 24-Item-Version auf Deutsch und Englisch verfügbar. Es ist anzumerken, dass für die englische Übersetzung der Items derzeit keine Untersuchungs-Ergebnisse hinsichtlich der Validität vorliegen.
Altersbereiche
Das Verfahren ist für Erwachsene geeignet.
Durchführungszeit
Die Durchführung dauert wenige Minuten.
Material
Zu den Materialien zählt die Verfahrensdokumentation sowie der Fragebogen in Deutsch und Englisch. Zum Beantworten der Items wird ein Schreibgerät benötigt.
Instruktion
Die Instruktion der Testperson erfolgt zu Beginn des Testbogens mittels folgenden Textes: „Im Folgenden finden Sie einige Aussagen, die auf Ihre Erfahrungen mit dem Absetzen Ihrer Medikamente zutreffen könnten – manche mehr, manche weniger. Bitte bewerten Sie vor dem Hintergrund Ihres letzten Absetzungsversuchs, inwieweit Sie jeder der folgenden Aussagen zustimmen.“
Durchführungsvoraussetzungen
Es gibt keine speziellen Durchführungsvoraussetzungen seitens der Testleitung.
Testkonstruktion
Die DSS (Lincoln et al., 2021) wurde mithilfe der explorativen Faktorenanalyse (EFA) und der konfirmatorischen Faktorenanalyse (CFA) entwickelt.
Itempool: Der Itempool wurde entwickelt, basierend auf (1) der aktuellen Forschungsliteratur zum Thema, (2) subjektiven Berichten von Menschen mit persönlicher Absetzungserfahrung in Online-Diskussionsforen (Herz, 2017) und (3) persönlichen Interviews mit Expert:innen und mit Personen mit persönlicher Absetzungserfahrung (Woitalla, 2017). Der Itempool enthielt 35 Items.
Testvorformen: Die vorläufige DSS enthielt 35 Items. Diese wurden auf einer Likert-Skala (1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 = „stimme voll und ganz zu“) beantwortet. Das subjektive Wohlbefinden wurde mithilfe des Well-Being-Index [WHO-5] erfasst.
Itemselektionskriterien und -techniken: Die faktorenanalytische Validierung bestand aus vier Schritten:
- Visuelle Inspektion und Analyse der Hauptkomponentenanalyse mithilfe des Pakets nFactors; Bedingung: Jeder Faktor sollte mindestens vier Items mit einer Ladung > 0.6 aufweisen.
- Anschließend EFA der 35 Items mit einer Varimax-Rotation. Items mit einer Faktorladung < 0.3 wurden ausgeschlossen. Items mit Ladungen auf verschiedenen Faktoren wurden ausgeschlossen, wenn sie keinen inhaltlichen Mehrwert für die Skala boten.
- Berechnung einer CFA, um den Model-fit der Faktorenlösung auf der Grundlage des Comparative Fit Index (CFI, CFI > 0.95 = gute Passung, CFI > 0.90 = ausreichende Passung), dem Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA, RMSEA < 0.05 = gute Passung, RMSEA < 0.08 = ausreichende Passung), und der Standardized Root Mean Square Residual (SRMR, SRMR < 0.08 = gute Passung).
- Messung der Messinvarianz über Antidepressiva versus Antipsychotika mit zuvor genannten Model-fit-Grenzen und dem Akaike Information Criterion (AIC, wobei niedrigere Werte eines Modells basierend auf denselben Daten auf eine bessere Passung hinweisen).
Faktorenanalytische Ergebnisse: Die Item-Extraktion auf der Grundlage der EFA-Ladungen ergab 24 Items, die eine Ladung > 0.30 zu ihrem jeweiligen Faktor aufwiesen. Es ergab sich eine dreidimensionale Skala, die den subjektiven Erfolg des Ausstiegs, die positiven Auswirkungen und die negativen Folgen des Ausstiegs widerspiegelt. Eine 24-Itemversion zeigte eine ausreichende Modellanpassung für die Teilnehmenden, die Antidepressiva bzw. Antipsychotika absetzten (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1
Faktorenladungen für die explorative Faktorenanalyse (EFA) mit Promax-Rotation zum Ausschluss von Items und für die anschließende konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) der endgültigen Itemliste (Lincoln, Sommer, Könemund & Schlier, 2021)
EFA mit 5 Faktoren (Promax-Rotation) | CFA Ladungen | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | ||
Subjektiver Absetzerfolg | ||||||
Alles in Allem ist der Absetzversuch aus meiner Sicht erfolgreich gewesen. | 0.704 | 0.186 | 0.285 | 0.819 | ||
Ich habe den Zustand, den ich durch den Absetzversuch erzielen wollte, erreicht. | 0.606 | 0.292 | 0.793 | |||
Der Absetzversuch ist nicht so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte. | 0.862 | -0.109 | 0.290 | 0.783 | ||
Der Preis, den ich für den Absetzversuch gezahlt habe, war zu hoch. | -0.128 | 0.157 | 0.848 | -0.234 | 0.290 | 0.770 |
Ich habe die Absetzsymptome (z.B. Übelkeit, Zittern, Durchfall) im Griff. | -0.176 | 0.838 | 0.724 | |||
Ich habe keine Absetzsymptome. | -0.160 | 0.720 | 0.628 | |||
Ich war erfolgreich beim Absetzen meiner Medikamente. | -0.172 | 0.239 | 0.861 | |||
Ich habe die Medikamente, die ich absetzen wollte, nicht mehr genommen. | -0.105 | 0.918 | ||||
Ich nehme immer noch jeden Tag Psychopharmaka ein. | -0.107 | 0.695 | 0.157 | |||
Mein Versuch, die Einnahme von Medikamenten einzustellen, ist gescheitert. | 0.119 | 0.501 | 0.107 | 0.526 | ||
Die unerwünschten Nebenwirkungen des Medikaments sind zurückgegangen. | 0.461 | 0.284 | -0.169 | |||
Der Versuch, von meinen Medikamenten loszukommen, war es wert. | 0.180 | 0.464 | 0.308 | |||
Ich musste meinen Versuch, das Medikament abzusetzen, schnell aufgeben. | 0.409 | 0.138 | 0.593 | |||
Selbst als sich die Symptome verschlimmerten, blieb ich drogenfrei. | 0.318 | -0.214 | 0.378 | 0.366 | ||
Positive Absetzeffekte | ||||||
Seit dem Absetzversuch empfinde ich mehr Freude. | 0.905 | 0.918 | ||||
Seit dem Absetzversuch fühle ich mich lebendiger. | 0.895 | 0.908 | ||||
Ich habe durch den Absetzversuch wieder mehr Lust, etwas aus meinem Leben zu machen. | 0.949 | -0.103 | 0.865 | |||
Der Absetzversuch hat es mir ermöglicht, selbstbestimmter zu leben. | 0.836 | 0.148 | 0.854 | |||
Ich finde es gut, dass ich durch den Absetzversuch wieder mehr Gefühle spüren kann. | 0.962 | -0.136 | -0.153 | 0.793 | ||
Meine Leistungsfähigkeit ist seit dem Absetzversuch gestiegen. | 0.638 | 0.241 | 0.783 | |||
Im Vergleich zu der Zeit vor meinem Absetzversuch sind meine Freundschaften und Beziehungen besser geworden. | 0.761 | 0.104 | -0.166 | 0.753 | ||
Im Vergleich zu der Zeit vor dem Absetzversuch sind meine Symptome besser geworden. | 0.500 | 0.130 | 0.190 | 0.153 | -0.115 | 0.738 |
Durch den Absetzversuch kann ich besser auf die Frühwarnzeichen meiner psychischen Beschwerden/ Erkrankungen reagieren. | 0.683 | 0.615 | ||||
Mein Versuch, die Medikamente abzusetzen, hat meine Lebensqualität verbessert. | 0.465 | 0.464 | ||||
Im Vergleich zu der Zeit, bevor ich versucht habe, meine Medikamente abzusetzen, bin ich jetzt besser in der Lage, mit meinen Symptomen umzugehen. | 0.385 | 0.254 | 0.147 | -0.107 | ||
Negative Absetzeffekte | ||||||
Seit dem Absetzversuch hat sich meine Stimmung verschlechtert. | 0.218 | 0.704 | 0.837 | |||
Im Vergleich zu der Zeit vor dem Absetzversuch hat sich mein psychischer Zustand verschlechtert. | 0.246 | 0.655 | 0.819 | |||
Seit dem Absetzversuch fühle ich mich häufiger überfordert. | 0.819 | 0.806 | ||||
Durch den Absetzversuch fühle ich mich unsicherer. | 0.798 | 0.804 | ||||
Seit dem Absetzversuch fällt es mir schwerer, mit negativen Emotionen umzugehen. | -0.159 | 1.050 | -0.233 | 0.789 | ||
Durch den Absetzversuch ist meine Motivation, viele Dinge zu tun, gesunken. | 0.718 | 0.740 | ||||
Die Problembewältigung im Alltag gelingt mir weniger gut als in der Zeit vor dem Absetzversuch. | 0.720 | 0.706 | ||||
Seit dem Absetzversuch fällt mir der Umgang mit Rückfällen schwerer. | 0.690 | 0.654 | ||||
Seit dem Absetzversuch schlafe ich schlechter. | 0.378 | 0.105 | 0.395 | |||
Seit ich versucht habe, das Medikament abzusetzen, habe ich oft Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren. | 0.498 | 0.651 |
Messinvarianz:
Um ausreichende Gruppengrößen (n > 100) zu gewährleisten, basierten die Tests auf Invarianz zwischen den Medikamentengruppen auf einer Gruppe, die Antidepressiva absetzte und einer Gruppe, die entweder nur Antipsychotika oder Antipsychotika und Antidepressiva absetzte. Separate konfirmatorische Faktorenanalysen (CFA) mit unbeschränkten Ladungen ergaben eine ausreichende Passung für beide Gruppen (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2
Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalysen zur globalen Modellanpassung und Invarianzprüfung (Lincoln, Sommer, Könemund & Schlier, 2021)
Modell | Robuster CFI | Robuster RMSEA | SRMR | AIC |
---|---|---|---|---|
Drei Faktoren, ganze Stichprobe | 0.919 | 0.075 | 0.067 | 24.715 |
Drei Faktoren, Sub-Stichprobe | ||||
Absetzversuch Antidepressiva | 0.902 | 0.077 | 0.073 | - |
Drei Faktoren, Sub-Stichprobe | ||||
Absetzversuch Antipsychotika (+ Antidepressiva) | 0.919 | 0.074 | 0.065 | - |
Testung Messinvarianz | ||||
Drei Faktoren, Sub-Stichprobe gruppiert Drei Faktoren, (Konfigurationsinvarianz) | 0.908 | 0.076 | 0.070 | 24.475 |
Faktorladung fixiert (metrische Invarianz) | 0.905 | 0.075 | 0.080 | 24.470 |
Faktorladungen und Interzepten fixiert (skalarische Invarianz) | 0.902 | 0.075 | 0.081 | 24.468 |
Faktorladungen, Interzepten und Mittelwert latenter Variable fixiert | 0.897 | 0.077 | 0.109 | 24.493 |
Anmerkungen. Robuster CFI –Robust Comparative Fit Index, Robuster RMSEA – Robust Root Mean Square Error of Approximation, SRMR – Standardized Root Mean Residual, AIC – Akaike Information Criterion.
Gütekriterien
Objektivität
Aufgrund der Fragebogenform, der standardisierten Vorgehensweise und der schriftlichen Instruktion kann das Verfahren Objektivität hinsichtlich seiner Durchführung und Auswertung in Anspruch nehmen.
Reliabilität
Angaben zur Reliabilität liegen nicht vor.
Validität
Konstruktvalidität:
Die Konstruktvalidität wurde mittels explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalyse geprüft (siehe Tabelle 1 und 2).
Kriteriumsvalidität:
Um die Kriteriumsvalidität zu messen, wurden Assoziationen zwischen den DSS-Werten und (1) achievement status (mit drei Gruppen: Personen, die das Absetzen umgesetzt hatten; Personen, die es teilweise umgesetzt hatten; Personen, die es nicht umgesetzt hatten) und (2) Wohlbefinden, gemessen mit dem Well-Being-Index [WHO-5; Topp, Ostergaard, Sondergaard & Bech, 2015], (mit zwei Gruppen: hohes vs. niedriges Wohlbefinden), mithilfe von zweifaktoriellen ANOVAs berechnet.
Insgesamt erzielten die Personen, welche erfolgreich abgesetzt hatten (52.8 % der gesamten Stichprobe) höhere Ergebnisse in Bezug auf den objektiv wahrgenommenen Erfolg des Absetzens, sowie wahrgenommene positive Effekte im Vergleich zu Personen, welche teilweise die Medikation abgesetzt hatten (33.3 % der Stichprobe), und denen, welche nicht erfolgreich abgesetzt hatten (13.1 % der Stichprobe). Zudem gaben Personen, welche die Medikation erfolgreich abgesetzt hatten, weniger an, negative Effekte wahrzunehmen, als Personen, die die Medikation teilweise oder nicht erfolgreich abgesetzt hatten.
Da der Test sich zum einen auf den objektiven Erfolg des Absetzens (d. h. das Ausmaß, in dem das Ziel des Absetzens erreicht wurde) sowie zum anderen die wahrgenommenen psychischen und physischen Konsequenzen des Absetzens bezieht, wurde die Kriteriumsvalidität für beide Aspekte getestet. Diese wurden gemessen durch (1) ob das Ziel des Absetzungsversuchs erreicht wurde (= keine Medikamenteneinnahme am Ende des Befragungszeitraums) und (2) ein gutes subjektives Wohlbefinden.
Die Ergebnisse implizieren, dass der Erfolg des Absetzens und der Grad des Wohlbefindens einer Person nicht unbedingt in Assoziation miteinander zu stehen scheinen. Jedoch diskriminieren die Unterskalen für die erlebten positiven und negativen Effekte eher zwischen den Personen mit einem höheren oder geringeren Wohlbefinden. Dies ist unabhängig von der Art der Medikation, wobei gezeigt werden konnte, dass es bei Personen, welche nur Antipsychotika absetzen wollten, keine signifikante Assoziation zwischen dem wahrgenommenen Wohlbefinden und dem erzielten Score auf der DSS-Skala zu geben scheint.
Normierung
In Tabelle 3 finden sich deskriptive Daten zur Stichprobe. Die Stichprobe bestand aus 396 Patient:innen, die innerhalb der letzten fünf Jahre einen Absetzungsversuch ihrer antipsychotisch oder anti-depressiv wirkenden Medikamente unternommen hatten. Die Altersspanne reichte von 18 bis 72 Jahre.
Tabelle 3
Stichprobe (Lincoln, Sommer, Könemund & Schlier, 2021)
Soziodemografische Daten | % | M (SD) |
---|---|---|
Geschlecht Männlich Weiblich Andere | 28.5 71.2 0.3 | |
Alter | 38.8 (12.5) |
Anmerkungen. Mindestalter = 18 Jahre, vergangene oder aktuelle Einnahme von psychopharmakologischen Medikamenten.
Anwendungsmöglichkeiten
Die DSS eignet sich als Instrument für künftige Forschungsarbeiten, die darauf abzielen, Prädiktoren für den Erfolg des Absetzens zu ermitteln. Er kann ggf. auch als Grundlage für eine Konsultation im Rahmen einer Absetzberatung oder Begleitung eingesetzt werden.
Bewertung
Limitationen der Skala sind eine fehlende Validierung anhand eines Fremdberichts des Absetzerfolgs und die fehlenden Angaben zur Retestreliabilität.
Erstmals publiziert in:
Lincoln, T. M., Sommer, D., Könemund, M. & Schlier, B. (2021). A rating scale to inform successful discontinuation of antipsychotics and antidepressants. Psychiatry Research 298, Artikelnummer 113768. [English items included p. 6] https://doi.org/10.1016/j.psychres.2021.113768 PSYNDEX Dok.-Nr. 0380544
Literatur
Herz, K. (2017). Absetzen Von Neuroleptika: Versuche, Erfahrungen, Erwartungen. Unpublished Masterthesis, Universität Hamburg .
Kreyenbuhl, J., Slade, E. P., Medoff, D. R., Brown, C. H., Ehrenreich, B., Afful, J. & Dixon, L. B. (2011). Time to discontinuation of first- and second-generation antipsychotic medications in the treatment of schizophrenia. Schizophrenia Research, 131 (1-3), 127–132. https://doi.org/10.1016/j.schres.2011.04.028
Lincoln, T. M., Sommer, D., Könemund, M. & Schlier, B. (2021). A rating scale to inform successful discontinuation of antipsychotics and antidepressants. Psychiatry Research 298, Artikelnummer 113768. [English items included p. 6] https://doi.org/10.1016/j.psychres.2021.113768 PSYNDEX Dok.-Nr. 0380544
Samples, H., & Mojtabai, R. (2015). Antidepressant self-discontinuation: results from the collaborative psychiatric epidemiology surveys. Psychiatric Services, 66 (5), 455–462. https://doi.org/10.1176/appi.ps.201400021
Topp, C. W., Ostergaard, S. D., Sondergaard, S. & Bech, P. (2015). The WHO-5 Well-Being Index: a systematic review of the literature. Psychotherapy and Psychosomatics, 84 (3), 167–176. https://doi.org/10.1159/000376585
Woitalla, F. (2017). Erwartungen an Das Absetzen von Neuroleptika. Unpublished Masterthesis, Universität Hamburg.
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Prof. Dr. Dipl.-Psych. Tania M. Lincoln, Universität Hamburg, Dekanin der Fakultät Psychologie und Bewegungswissenschaft, Leitung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Von-Melle-Park 5, D-20146 Hamburg