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Gülay Karadere (Dipl.-Psych.)
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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
GESWIS-GS
Aufgaben zur Erfassung von Geschichtswissen im Grundschulalter
Kurzabstract
Die Aufgabenliste zum Geschichtswissen des Testverfahrens GESWIS-GS soll elementare Aspekte des Geschichtswissens von Grundschulkindern erfassen, die sich auf die zeitliche Ordnung und den Realitätsgehalt historischer Informationen beziehen. Die Aufgabenliste besteht aus 22 einschlägigen Aussagen, die hinsichtlich ihrer Richtigkeit beurteilt werden sollen. Diese sind in drei unabhängigen Stichproben der Jahrgangsstufen 2, 3 und 4 eingesetzt und erprobt worden. Reliabilität: Die interne Konsistenzen beliefen sich für die Aufgabenliste in Klasse 2 auf KR-20 = .82, in Klasse 3 auf KR-20 = .81 und in Klasse 4 auf KR-20 = .81 (Kuder-Richardson). Validität: Die Aufgaben können im Einzelnen als inhaltsvalide gelten. Darüber hinaus liegen für alle untersuchten Klassenstufen substanzielle Korrelationen mit dem Geschichtsinteresse der Schülerinnen und Schüler, ebenso mit ihren allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, ihrer Lesekompetenz sowie ihrem Geschlecht vor. Eine Hauptkomponentenanalyse ergab ein klares einfaktorielles Ladungsmuster.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2019). Open Test Archive: GESWIS-GS. Aufgaben zur Erfassung von Geschichtswissen im Grundschulalter. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9006505
Zitierung
Kölbl, C., Faber, G., Tiedemann, J. & Billmann-Mahecha, E. (2012). GESWIS-GS. Aufgaben zur Erfassung von Geschichtswissen im Grundschulalter [Verfahrensdokumentation , Autorenbeschreibung und Fragebogen mit Auswertung]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.4673
Kurzinformationen
Kurzname GESWIS-GS
Engl. Name Inventory for Assessing Elementary Graders' Historical Knowledge
Autoren Kölbl, C., Faber, G., Tiedemann, J., Billmann-Mahecha, E.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2012
Copyright/Lizenz Copyright Autoren; CC-BY-SA 4.0
Schlagworte Geschichte, Wissensstand
Sprachversionen deu
Konstrukt Geschichtswissen
Altersbereich Zweit- bis Viertklässler
Itemzahl 22 Items
Subskalen Keine; Geschichtswissen
Durchführungszeit ca. 10-15 Min.
Auswertungsdauer 5 Min.
Interne Konsistenz: nach Kuder-Richardson KR-20 = .81-.82.
Befunde zu inhaltsbezogenen und faktoriellen Validität; Korrelationen mit Geschichtsinteresse, allgemeiner kognitiver Fähigkeiten, Lesekompetenz und Geschlecht.
Keine.
Anwendungsbereich Forschung
Diagnostische Zielsetzung
Die Aufgabenliste zum Geschichtswissen soll elementare Aspekte des Geschichtswissens von Grundschulkindern erfassen, die sich auf die zeitliche Ordnung und den Realitätsgehalt historischer Informationen beziehen.
Aufbau
Die Aufgabenliste besteht aus 22 einschlägigen Aussagen, die hinsichtlich ihrer Richtigkeit beurteilt werden sollen.
Grundlagen und Konstruktion
Auf der Basis der Klassischen Testtheorie wurden die 22 Items einer Hauptkomponentenanalyse unterzogen, die für alle untersuchten Klassenstufen ein klares einfaktorielles Ladungsmuster ergab.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Die Aufgaben sind in drei unabhängigen Stichproben der Jahrgangsstufen 2, 3 und 4 eingesetzt und erprobt worden. Reliabilität: Die interne Konsistenz belief sich für die Aufgabenliste in Klasse 2 auf KR-20 = .82, in Klasse 3 auf KR-20 = .81 und in Klasse 4 auf KR-20 = .81 (Kuder-Richardson). Validität: Die Aufgaben können im Einzelnen als inhaltsvalide gelten. Darüber hinaus liegen für alle untersuchten Klassenstufen substanzielle Korrelationen mit dem Geschichtsinteresse der Schülerinnen und Schüler, ebenso mit ihren allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, ihrer Lesekompetenz sowie ihrem Geschlecht vor. Normen: Eine Normierung wurde nicht vorgenommen.
Testkonzept
Theoretischer Hintergrund
Historisches Denken und Wissen sind für eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unabdingbar. Sie können allgemein als ein konstitutiver Bestandteil des sich entwickelnden Weltwissens und Weltverstehens von Kindern und Jugendlichen gelten, insbesondere ihres Gesellschaftsverständnisses (Kölbl, 2012a; Kölbl & Mey, 2012). Gleichwohl erscheint der einschlägige empirische Erkenntnisstand noch relativ schmal und rudimentär - so liegen im Hinblick auf den individuellen Erwerb geschichtsbezogener Wissensbestände und die langfristige Entwicklung geschichtsbezogener Kompetenzen wenige Analysen vor. Eine Psychologie historischer Sinnbildungsprozesse zeichnet sich allenfalls in Ansätzen ab (Straub, 1998; Kölbl, 2004a; Wineburg, 1998). Speziell mit der Domäne Geschichte beschäftigen sich in empirischer Absicht geschichtsdidaktische, pädagogische sowie psychologische Arbeiten, wobei die verfolgten Fragestellungen heterogen und Ansätze zur dezidierten Integration des bisherigen Kenntnisstandes rar sind (Kölbl, 2004a; Barton, 2008). Einen integrativen Vorschlag haben jüngst Van Drie und Van Boxtel (2008) auf der Basis kognitionspsychologischer Überlegungen vorgelegt. Sie entwerfen eine prozessual vielschichtig ausgelegte Konstruktperspektive, deren heuristischer Nutzen unübersehbar, deren empirischer Gehalt in vielerlei Hinsicht indes erst noch zu klären ist. Gleiches gilt für die mittlerweile intensiv betriebenen Bemühungen, für den schulischen Geschichtsunterricht sachlogisch wie lern- und entwicklungspsychologisch angemessen graduierte Kompetenzmodelle zu erarbeiten (Hartmann, Martens & Sauer, 2007; Körber, 2007). Demgegenüber weist die einschlägige Befundlage zum Erwerb individuellen Geschichtswissens noch erhebliche Leerstellen auf und fokussiert in eher vergleichend-deskriptiver Absicht auf den Einfluss diverser individueller und kontextueller Einflüsse. Immerhin liefern diese Ergebnisse aufschlussreiche Hinweise auf mögliche entwicklungspsychologische und pädagogisch-psychologische Bedingungen, die für den Erwerb historischen Wissens relevant sein können. So belegen verschiedene Studien übereinstimmend, dass sich bereits jüngere Schulkinder historische Kenntnisse aneignen und in Form geschichtlicher Narrative strukturieren. Dabei gelingt ihnen aber kaum die angemessene Berücksichtigung historischer Zeitperspektiven und die Erschließung historischer Ereignisse mittels sozial-kognitiver Möglichkeiten zur Perspektivübernahme. Geschichtliche Inhalte werden von ihnen daher stark vereinfacht realisiert und vorzugsweise noch in personalisierter Form interpretiert (Barton, 2008; McKeown & Beck, 1990). Eine Überwindung dieser konzeptuellen Einschränkungen in Richtung auf ein komplexes Geschichtsbewusstsein lässt sich erst bei älteren Jugendlichen nachweisen (Hartmann, Sauer & Hasselhorn, 2009; Lee & Ashby, 2000; Moser & Wiher, 2007; Kölbl, 2004a; Kölbl & Straub, 2001). Bei alledem finden sich geschlechtsspezifische Unterschiede im Erwerb geschichtlichen Wissens zumeist zugunsten der Jungen (Lehmann & Mirow, 1991; Moser & Wiher, 2007; Wilberg & Lynn, 1999). Es ist demnach anzunehmen, dass die individuelle Aneignung historischer Kenntnisse immer auch durch geschlechtstypische Sozialisationsbedingungen moderiert werden dürfte. Darüber hinaus verweisen einige Studien auf die hohe Bedeutung extracurricularer Anregungen und Lerngelegenheiten (bspw. durch Medien, Literatur, Eltern) für die Ausbildung historischen Vorwissens (Adamina, 2009; Barton, 2008). Ontogenetisch muss der Aufbau historischer Wissensbestände als komplex determinierter und kumulativer Prozess verstanden werden, der absehbar bereits vor Schuleintritt beginnen und im Verlauf der Grundschulzeit fortschreitend konturiert werden dürfte. Erste empirische Anhaltspunkte, dass bereits Kinder im ersten Grundschuljahr grundsätzlich über elementare Ansätze von Geschichtsbewusstsein verfügen können (Beilner, 2004; Flock, 2004; Kölbl, 2004b), stützen diese Sichtweise. Obwohl es im Primarbereich noch keinen eigenständigen Geschichtsunterricht gibt, werden geschichtliche Wissensbestände auch in der Schule vermittelt. Dies geschieht im Rahmen des Sachunterrichts sowie in Fächern wie Deutsch und Religion - allerdings nach Maßgabe didaktisch-methodischer Spielräume, die von den Lehrkräften noch höchst unterschiedlich genutzt werden dürften. Zumindest die Rolle des Sachunterrichts sollte man hierbei nicht überschätzen (Einsiedler, 2002; Blaseio, 2009) und gerade im Primarbereich auch von außerschulischen Einflüssen in der Familie und durch die Medien ausgehen (Schilke, 1999). Diese schulischen und außerschulischen "Quellen" sind selbstverständlich nicht unmittelbar am historischen Wissenserwerb beteiligt, vielmehr bedarf es bestimmter individueller Voraussetzungen zu deren Nutzung. Solche Voraussetzungen betreffen vor allem die individuellen Möglichkeiten zur gegenstandsadäquaten Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung - insbesondere im Hinblick auf die individuellen kognitiven Fähigkeiten und die Lesekompetenz (Borries & Meyer-Hamme, 2005; Kölbl, Tiedemann & Billmann-Mahecha, 2006). Für eine detaillierte entwicklungspsychologische Rekonstruktion der Ontogenese des Geschichtswissens von Kindern und Jugendlichen bedarf es somit umfassender Einsichten in den Verlauf relevanter Erwerbsprozesse, mithin auch fundierter Erkenntnisse über die ersten vorläufigen Ausprägungen vor Schuleintritt und während der Grundschulzeit. In dieser Hinsicht relevante Forschungsaktivitäten sind jedoch selten zu verzeichnen, entsprechende Befunde finden sich kaum (Sauer, 2001). Dabei erscheinen qualitative Forschungsansätze hinlänglich dokumentiert und eignen sich zweifellos für eine Erschließung individueller Deutungsleistungen im Umgang mit historischen Informationen (Kölbl, 2010, 2012b; Pape, 2007). Geeignete quantitative Methoden, mit deren Hilfe das Niveau und die Variabilität individueller Wissensbestände über bestimmte Alters- oder Klassenstufen überschaubar exploriert werden könnte, liegen als Forschungsinstrumente mehrheitlich für den Sekundarbereich vor. Sie zielen in unterschiedlicher Breite auf die Erfassung ausgewählter Wissens- bzw. Kompetenzaspekte zu bestimmten historischen Ereignissen ab (Borries, 1995; Hartmann et al., 2009; Moser & Wiher, 2007; Wilberg & Lynn, 1999), erweisen sich in ihrem Geltungsanspruch im Einzelnen jedoch auf bestimmte Schularten und Schülerpopulationen (Begemann, Schön & Vetter, 1979) oder auf die Erhebung extracurricular erworbener Wissensbestände (Lehmann & Mirow, 1991) beschränkt. Im Gegensatz dazu fehlen bislang vergleichbar bewährte Messinstrumente zur Erforschung des Geschichtswissens von Grundschulkindern. Es findet sich lediglich ein Verfahren mit offenem Antwortformat, das von Beilner (2004) in einer lokalen Studie zur Untersuchung diverser Wissens- und Kompetenzaspekte von Viertklässlern verwendet worden ist. Ein Verfahren, das die systematische Erfassung basaler Elemente des Wissens über und des Verstehens von Geschichte im Grundschulalter erlaubt, also auch über mehrere Klassenstufen angewendet und dabei auch in größeren Untersuchungskontexten ökonomisch eingesetzt werden kann, ist nicht verfügbar. Zur einstweiligen Schließung dieser konzeptuellen und methodischen Lücke wurden daher die Aufgaben zum Geschichtswissen im Grundschulalter GESWIS-GS entwickelt und evaluiert. Ausgehend von einschlägigen geschichtsdidaktischen Perspektiven, die vor allem auf das Realitätsbewusstsein als eine wesentliche Grundlage für die Bildung von Geschichtsbewusstsein rekurrieren (Pandel, 2005), erfordern diese Aufgaben entsprechende Urteilsleistungen. Im Einzelnen soll es mit ihnen gelingen, die Fähigkeiten von Grundschulkindern zur zeitlichen Ordnung historischer Ereignisse, zur Richtigkeit historischer Aussagen und zur Unterscheidung zwischen fiktiven und historisch realen Ereignissen zu erfassen - und somit individuelle Ausprägungen wie interindividuelle Unterschiede in den grundlegenden domänenspezifischen Voraussetzungen des angemessenen Umgangs mit historischen Informationen zu klären.
Testaufbau
Aufgrund der vorliegenden empirischen Befunde lassen sich die verwendeten 22 Aufgaben auf allen untersuchten Klassenstufen faktoriell eindeutig einer latenten Dimension zuordnen. Eine weiter reichende Differenzierung ist daher nicht vorgesehen.
Auswertungsmodus
Die Antworten sind im geschlossenen Format vorgegeben: "richtig", "falsch" und "weiß nicht". Die zutreffenden Antworten werden mit 1 codiert und zu einem Summenscore addiert.
Auswertungshilfen
Die Auswertung geschieht mithilfe eines standardisierten Kodierungsschlüssels, der im Elektronischen Testarchiv des ZPID online zugänglich ist.
Auswertungszeit
Pro Fall beläuft sich die Auswertungszeit auf etwa 5 Minuten.
Itembeispiele
Beurteilung der Richtigkeit geschichtlicher Aussagen: "Die alten Griechen hatten Fahrräder." Beurteilung zeitlicher Reihenfolgen: "Zuerst war das Mittelalter, dann der Zweite Weltkrieg, dann Heute". Unterscheidung fiktiver von historisch realen Sachverhalten: "Die Gallier gab es wirklich".
Items
Die 22 Aufgaben, die aufgrund der faktorenanalytischen Ergebnisse allesamt für die endgültige Skalenbildung herangezogen worden sind, beziehen sich im Einzelnen auf die Unterscheidung fiktiver von realen Ereignissen (FR), auf die zeitliche Ordnung historischer Ereignisse (ZO) und auf die Beurteilung der Richtigkeit historischer Ereignisse (RG). In der Aufgabenliste erscheinen sie in der aufgeführten Reihenfolge: 01 FR Die alten Römer gab es wirklich. 02 FR Die Wikinger gab es wirklich. 03 FR Die Gallier gab es wirklich. 04 FR Familie Feuerstein gab es wirklich. 05 FR Die Nazis gab es wirklich. 06 ZO Zuerst war der Urknall, dann kamen die Affen, dann die Menschen. 07 FR Schneewittchen gab es wirklich. 08 FR Kaiser Karl den Großen gab es wirklich. 09 ZO Zuerst war das Mittelalter, dann der Zweite Weltkrieg, dann Heute. 10 ZO Zuerst gab es die Nashörner, dann die Dinosaurier, dann die Haustiere. 11 RG Die alten Griechen hatten Fahrräder. 12 ZO Zuerst lebten die Menschen in Hütten, dann in Höhlen, dann in Häusern. 13 ZO Zuerst gab es die Glühbirne, dann den Feuerstein, dann den Computer. 14 RG Zur Zeit der Pharaonen gab es Pyramiden. 15 FR Asterix und Obelix gab es wirklich. 16 ZO Die Dinosaurier sind vor dem Mittelalter ausgestorben. 17 RG Als mein Opa ein Kind war, gab es den Gameboy. 18 FR Winnetou gab es wirklich. 19 RG Meine Oma ist im Mittelalter geboren. 20 RG Königreiche gibt es heute noch. 21 RG In der Steinzeit wurde das Rad erfunden. 22 ZO Zuerst war die Barockzeit, dann die Antike, dann die Steinzeit.
Durchführung
Testformen
Die Aufgabenliste kann sowohl in der Einzel- wie auch in der Gruppensituation angewandt werden. Eine Parallelform liegt nicht vor.
Altersbereiche
In Anbetracht der untersuchten Stichproben empfiehlt sich ihre Anwendung in den Klassenstufen 2 bis 4 der Grundschule.
Durchführungszeit
Instruktion und Datenerhebung beanspruchen etwa 10-15 Minuten.
Material
Aufgabenliste und Schreibgerät. Die Aufgabenliste ist im Elektronischen Testarchiv des ZPID online zugänglich.
Instruktion
Die Instruktion ist im Elektronischen Testarchiv des ZPID online zugänglich.
Durchführungsvoraussetzungen
Die Aufgabenliste sollte derzeit nur von Personen mit zureichenden methodischen Kenntnissen und Kompetenzen im Kontext entsprechender Forschungsvorhaben verwendet werden.
Testkonstruktion
Die Testkonstruktion orientierte sich an den Kriterien der Klassischen Testtheorie. Die Analysen der Aufgaben zum Geschichtswissen fanden im Rahmen der Hannoverschen Grundschulstudie statt. Dazu wurden die vollständig auswertbaren Datensätze von N = 941 Kindern herangezogen, von denen n = 253 auf die Jahrgangsstufe 2, n = 234 auf die Jahrgangsstufe 3 und n = 454 auf die Jahrgangsstufe 4 entfielen. Inhaltlich sollen die Schülerinnen und Schüler die Richtigkeit historischer Aussagen, die Richtigkeit geschichtlicher Aussagen und den realen Gehalt geschichtlicher Aussagen beurteilen. Bei der Wahl der Aufgaben wurde auf eine möglichst große inhaltliche und zeitliche Bandbreite geachtet. Im Einzelnen werden Themen von der Steinzeit bis zum 20. Jahrhundert, zu historischen Einzelakteuren und Kollektiven sowie zu Ereignissen aus der Alltags-, Technik-, Sozial- und Naturgeschichte berücksichtigt. Da das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium für die Aufgabensätze auf allen drei Jahrgangsstufen akzeptabel bis gut ausfiel (Klasse 2 KMO = .824, Klasse 3 KMO = .789, Klasse 4 KMO = .859), wurde für jede Jahrgangsstufe gesondert eine Hauptkomponentenanalyse auf der Basis entsprechender Produkt-Moment-Korrelationen berechnet. Dieses Vorgehen schien gerechtfertigt, da sich die mittels Phi und r berechneten Zusammenhänge zwischen den binären Aufgabendaten entsprachen und auf diese Weise allenfalls eine konservative Unterschätzung der Kommunalitäten und Faktorladungen riskiert werden konnte (Martin, Fruchter & Mathis, 1974). Die Ergebnisse legten eine jeweils einfaktorielle Lösung mit 22 Items (Tabelle 1) nahe, insofern auf allen Jahrgangsstufen ein deutlicher Abfall der Eigenwerte nach dem ersten Faktor zu verzeichnen war (Klasse 2: E1 = 4.81, E2 = 1.82, E3 = 1.70; Klasse 3: E1 = 4.82, E2 = 1.65, E3 = 1.55; Klasse 4: E1 = 4.59, E2 = 1.65, E3 = 1.26). Die Mehrzahl der Aufgaben können als Markiervariablen (a > = .35) gelten, ihre part-whole-korrigierten Trennschärfen fallen insgesamt zulänglich aus.
Tabelle 1
Faktorladungen (a), Kommunalitäten (h2), part-whole-korrigierte Trennschärfen (rit) und Itemschwierigkeiten (P)
Aufgabe | Jahrgangsstufe 2 | Jahrgangsstufe 3 | Jahrgangsstufe 4 | |||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
a | h2 | rit | P | a | h2 | rit | P | a | h2 | rit | P | |
01 | .677 | .458 | .576 | 72.5 | .686 | .471 | .576 | 83.8 | .492 | .242 | .392 | 92.1 |
02 | .620 | .385 | .521 | 56.6 | .661 | .437 | .547 | 68.4 | .605 | .366 | .509 | 74.8 |
03 | .534 | .286 | .434 | 38.1 | .542 | .294 | .422 | 51.8 | .622 | .387 | .527 | 56.6 |
04 | .460 | .211 | .388 | 59.7 | .628 | .395 | .533 | 64.5 | .532 | .283 | .431 | 72.1 |
05 | .507 | .257 | .418 | 43.2 | .476 | .227 | .355 | 63.6 | .459 | .210 | .367 | 74.3 |
06 | .474 | .225 | .380 | 50.0 | .518 | .268 | .409 | 59.2 | .329 | .108 | .258 | 70.2 |
07 | .517 | .26 | .438 | 69.9 | .489 | .239 | .406 | 73.2 | .448 | .201 | .358 | 82.5 |
08 | .496 | .246 | .401 | 27.2 | .430 | .185 | .335 | 31.6 | .442 | .195 | .371 | 40.0 |
09 | .399 | .159 | .319 | 77.4 | .502 | .252 | .404 | 71.1 | .471 | .222 | .386 | 71.6 |
10 | .449 | .201 | .367 | 72.0 | .514 | .264 | .410 | 76.3 | .371 | .138 | .285 | 90.9 |
11 | .438 | .192 | .354 | 60.2 | .485 | .235 | .402 | 65.8 | .377 | .142 | .294 | 66.0 |
12 | .378 | .143 | .306 | 52.1 | .537 | .288 | .435 | 60.5 | .523 | .274 | .409 | 75.2 |
13 | .459 | .210 | .380 | 57.2 | .460 | .212 | .346 | 66.7 | .496 | .246 | .391 | 81.8 |
14 | .543 | .295 | .461 | 59.3 | .390 | .152 | .319 | 68.0 | .556 | .309 | .463 | 78.1 |
15 | .443 | .196 | .376 | 52.5 | .439 | .193 | .355 | 52.6 | .513 | .263 | .420 | 67.8 |
16 | .421 | .177 | .340 | 56.8 | .432 | .186 | .404 | 59.6 | .392 | .154 | .319 | 73.9 |
17 | .386 | .149 | .320 | 56.8 | .300 | .090 | .273 | 73.7 | .384 | .148 | .306 | 87.6 |
18 | .324 | .105 | .266 | 32.6 | .372 | .138 | .298 | 32.0 | .419 | .175 | .342 | 39.6 |
19 | .348 | .121 | .290 | 84.7 | .265 | .070 | .224 | 91.7 | .518 | .269 | .423 | 77.3 |
20 | .469 | .220 | .372 | 49.6 | .297 | .088 | .227 | 58.8 | .360 | .136 | .292 | 67.2 |
21 | .363 | .132 | .295 | 14.8 | .115 | .013 | .106 | 19.3 | .114 | .013 | .093 | 23.0 |
22 | .413 | .170 | .340 | 46.2 | .354 | .126 | .294 | 52.6 | .328 | .108 | .271 | 51.1 |
Eigenwert | 4.81 | 4.82 | 4.59 | |||||||||
Erklärte Varianz | 21.84 | 21.93 | 20.87 |
Über die untersuchten Jahrgangsstufen steigt der Anteil durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben zusehends. Während die durchschnittliche Aufgabenschwierigkeit in Klasse 2 bei P = 54.1 (SD = 16.5) und in Klasse 3 bei P = 61.1 (SD = 16.9) liegt, erreicht sie in Klasse 4 einen Wert von P = 68.8 (SD = 17.3). Die beachtliche Streuung in den Aufgabenschwierigkeiten verweist auf den Umstand, dass die einzelnen geschichtlichen Phänomene höchst unterschiedlich in den Wissensbeständen der Schülerinnen und Schüler repräsentiert sind - wodurch wiederum die vorhandene Bandbreite informeller (extracurricularer und außerschulischer) Zugänge zu geschichtlichen Informationen reflektiert sein dürfte.
Gütekriterien
Objektivität
Die Durchführungs- und Auswertungsobjektivität können aufgrund verbindlicher Instruktionen und eines standardisierten Auswertungsschlüssels als gesichert gelten.
Reliabilität
Die interne Konsistenz wurde nach Kuder-Richardson geschätzt. Für die Klassenstufe 2 ergab sich ein Wert von KR-20 = .82, für die Klassenstufe 3 ein Wert von KR-20 = .81 und für die Klassenstufe 4 ein Wert von KR-20 = .81.
Validität
Zur Klärung ihrer kriteriumsbezogenen Validität wurden die Beziehungen der Summenwerte auf jeder Klassenstufe mit dem Geschichtsinteresse, ebenso mit den allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, der Lesekompetenz und dem Geschlecht der Schülerinnen und Schüler analysiert. Dazu wurden zwei Untertests des Grundintelligenztest Skala 2 (CFT 20; Weiß, 1997) sowie ein Sachtext mit angeschlossenen Verständnisfragen aus der IGLU-Studie (Bos et al., 2003) verwendet. Die Ergebnisse belegen auf allen drei Klassenstufen substanzielle Beziehungen des Geschichtswissens mit dem Geschichtsinteresse der Schülerinnen und Schüler. Darüber hinaus finden sich bedeutsame positive Zusammenhänge mit den allgemeinen kognitiven Fähigkeiten und vor allem mit der Lesekompetenz. Und schließlich lässt sich eine signifikante Beziehung zum Geschlecht (zugunsten der Jungen) nachweisen.
Tabelle 2
Korrelationen mit ausgewählten Kriteriumsvariablen (Signifikanz: ***p < .001, **p < .01, *p < .05)
Geschichtsinteresse | Kognitive Fähigkeiten | Lesekompetenz | Geschlecht | |
---|---|---|---|---|
Klasse 2 | .33*** | .20** | .36*** | .29*** |
Klasse 3 | .36*** | .14* | .47*** | .16* |
Klasse 4 | .33*** | .34*** | .54*** | .25*** |
Darüber hinaus verweist das Ergebnis einer Varianzanalyse (mit der Klassenstufe als Faktorvariable) auf einen überzufälligen Haupteffekt der Klassenstufe (F = 41.734, df = 2.928, p = .000, partielles Eta2 = .083) Mit steigender Klassenstufe nimmt das untersuchte Geschichtswissen zu.
Tabelle 3
Mittelwerte (AM) und Standardabweichungen (SD) für alle Jahrgangsstufen
Klasse 2 | Klasse 3 | Klasse 4 | |||
---|---|---|---|---|---|
AM | SD | AM | SD | AM | SD |
11.8 | 4.9 | 13.8 | 5.0 | 15.2 | 4.2 |
Normierung
Es wurde keine Normierung vorgenommen.
Anwendungsmöglichkeiten
Mit der Aufgabenliste zur Erfassung von Geschichtswissen im Grundschulalter GESWIS-GS liegt erstmals ein quantitatives Verfahren vor, das die Analyse grundlegender Kenntnisse und Kompetenzen im Umgang mit historischen Informationen im Primarbereich gestattet - und dabei psychometrisch hinreichende Eigenschaften aufweist. Sie ist in erster Linie als vorläufiges Forschungsinstrument gedacht, mit dessen Hilfe einschlägige Analysen auch über mehrere Klassenstufen vorgenommen werden können. In diesem Sinne dürfte sie sich für die Klärung entwicklungspsychologischer, pädagogisch-psychologischer wie auch grundschuldidaktischer Fragestellungen einsetzen lassen.
Bewertung
Mit der vorliegenden Form der Aufgabenliste liegt erstmals ein psychometrisch überprüftes Verfahren für das Grundschulalter vor, das eine quantitative Erfassung elementarer Wissensbestände und Kenntnisse im Hinblick auf historische Informationen erlaubt. Ihre Anwendung kann einen ersten quantitativ-methodischen Zugang zur Analyse des historischen Wissenserwerbs im Grundschulalter eröffnen. Dabei markieren die mit dieser Aufgabenliste erhobenen Wissensbestände und Kenntnisse wichtige Konstituenten des Geschichtsbewusstseins. So sind zeitliche Ordnungsleistungen für die Bildung historischer Narrative zentral, die ihrerseits im Mittelpunkt geschichtlicher Kompetenz steht (Straub, 1998). Der Fähigkeit zur Unterscheidung fiktiver und historisch realer Gestalten kommt als Bestandteil des Realitätsbewusstseins ebenfalls eine wichtige Bedeutung zu (Pandel, 2005). Es ist offenkundig, dass die hier vorgenommenen Operationalisierungen zeitliche Ordnungsleistungen und das Realitätsbewusstsein lediglich in einer eng umgrenzten Art und Weise abzubilden erlauben. Insgesamt lässt sich daher an eine kontinuierliche Weiterentwicklung dieses Verfahrens denken. So scheint es in Anbetracht der ermittelten Lösungsschwierigkeiten überlegenswert, verschiedene Aufgaben (bspw. "Winnetou" und "Rad") in einer Folgeversion zu ersetzen. Davon abgesehen sollte seine adäquate Verwendung im Kontext konzeptuell wie methodisch elaborierter Forschungsstrategien erfolgen, die der Komplexität historischer Sinnbildungsprozesse von Grundschulkindern durch Nutzung aller verfügbaren Zugänge absehbar am ehesten gerecht werden dürften (Billmann-Mahecha, 1998; Kölbl, 2004b, 2010, 2012b). Überdies sollten Folgeanalysen den Validitätsanspruch dieser Aufgabenliste weiter klären. So bleibt noch genauer zu untersuchen, inwieweit die Bearbeitung der Aufgaben mit der Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler konfundiert sein kann. Hierzu sind sicherlich noch genauere Erkenntnisse wünschenswert. Gleiches gilt für die Einbeziehung domänenspezifischer Validierungskriterien, die im Grundschulbereich durch das Fehlen eindeutiger und verbindlicher Lernbedingungen erschwert wird. Und schließlich wäre noch ein Validierungsstrang innerhalb des domänenspezifischen Wissens- und Kompetenzerwerbs wichtig, der die Beziehungen des erfassten Geschichtswissens mit verschiedenen kognitiven und metakognitiven Lernvoraussetzungen näher ausleuchten kann (van Drie & van Boxtel, 2008).
Erstmals publiziert in:
Kölbl, C., Faber, G., Tiedemann, J. & Billmann-Mahecha, E. (2012). Wissen und Interesse im Verlauf der Grundschuljahre: die Domäne Geschichte. Zeitschrift für Grundschulforschung, 5 (1), 63-75.
Literatur
Adamina, M. (2009). Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zu raum-, zeit- und geschichtsbezogenen Themen in der Primarstufe. Zeitschrift für Grundschulforschung, 2 (1), 77-90.
Barton, K.C. (2008). Research on students' ideas about history. In L.S. Levstick & C.A. Tyson (Eds.), Handbook of research in social studies education (pp. 239-258). New York: Routledge.
Begemann, E., Schön, M. & Vetter, G. (1979). Freiwilliges 10. Schuljahr zum Erwerb des Hauptschulabschlusses. Schulleistungsüberprüfung am Schuljahresende. Lernbereich: Individuum und Gesellschaft. Teilbereich Geschichte. Mainz: Kultusministerium Rheinland-Pfalz.
Beilner, H. (2004). Empirische Erkundungen zum Geschichtsbewusstsein am Ende der Grundschulzeit. In W. Schreiber (Hrsg.), Erste Begegnungen mit Geschichte. Grundlagen historischen Lernens. Band 1 (S. 153-187). Neuried: ars una.
Billmann-Mahecha, E. (1998). Empirisch-psychologische Zugänge zum Geschichtsbewußtsein von Kindern. In J. Straub (Hrsg.), Erzählung, Identität und historisches Bewußtsein. Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte (S. 266-297). Frankfurt/M.: Suhrkamp. PSYNDEX Dok.-Nr. 0126796
Blaseio, B. (2009). Neue Entwicklungstendenzen der Inhalte des Sachunterrichts. Zeitschrift für Grundschulforschung, 2 (1), 117-131.
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