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Nachweise und Beschreibungen weiterer Testverfahren bei PubPsych
BDT
Bicycle Drawing Test
Kurzabstract
Der BDT eignet sich als Screening zur Erfassung visuo-konstruktiver Leistungen im klinisch-neuropsychologischen Setting. Das Verfahren zielt darauf ab, kognitive Störungen bei Patienten mit zerebralen Schädigungen abzubilden. Es geht zurück auf Arbeiten von Piaget (1930), der den Fahrrad-Zeichen-Test als Maß des höheren konzeptuellen Denkens interpretierte; "kognitive Reife" drücke sich bei Kindern (auch) im Verständnis mechanischer Funktionen aus. Nach Lezak (1983, 1995) erfasst der BDT die spezifischen kognitiven Funktionen "mechanisches Verständnis" und "visuo-konstruktives Funktionsniveau". Der BDT umfasst 20 Items, die sich auf einzelne Merkmale der freien Zeichnungen beziehen. Reliabilität: Als Maß für die Urteilerübereinstimmung ergab sich eine sehr hohe Produkt-Moment-Korrelation von r = .95. Die Retestreliabilität betrug rtt = .58 (Ein-Tages-Intervall) bzw. rtt = .73 (Drei-Tages-Intervall). Validität: Der Test weist eine hohe Augenscheinvalidität und Alltagsnähe auf. Die Korrelation mit dem Lebensalter der Patienten betrug r = -.32. Patienten mit rein rechtshemisphärischen Läsionen wiesen im Mittel um 2.3 Punkte höhere BDT-Punktwerte auf als Patienten mit rein linkshemisphärischen Läsionen. Zur Prüfung der Konstruktvalidität wurden ferner Korrelationen des BDT mit zahlreichen standardisierten neuropsychologischen Untersuchungsverfahren ermittelt. Unabhängig von der Händigkeit oder der Lateralisation der Hirnschädigung wiesen die Zeichnungen überwiegend eine "Rechts-Links-Orientierung" (d. h. Sattel rechts, Lenker links) auf.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2019). Open Test Archive: BDT. Bicycle Drawing Test. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9006149
Zitierung
Diederich, C. & Merten, T. (2012). BDT. Bicycle Drawing Test [Verfahrensdokumentation, Katalog mit Bewertungskriterien Deutsch, Katalog mit Bewertungskriterien Englisch, Protokollbogen Deutsch und Englisch]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.4533
Kurzinformationen
Kurzname BDT
Engl. Name Bicycle Drawing Test
Autoren Diederich, C., Merten, T.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2012
Copyright/Lizenz Copyright Autoren; CC-BY-NC-ND 3.0
Schlagworte Neuropsychologie, Hirnschädigung, Zeichnen
Sprachversionen deu eng
Konstrukt Physikalische Kausalität (Piaget, 1970)
Altersbereich Kinder und Erwachsene möglich
Itemzahl 20 Items
Subskalen Keine; visuo-konstruktive Leistungen
Durchführungszeit Keine Zeiteinschränkung.
Auswertungsdauer Keine Angaben.
Retestreliabilität: rtt = .58 (Ein-Tages-Intervall), rtt = .73 (Drei-Tages-Intervall).
Augenscheinvalidität; Mittelwertunterschiede zwischen Patienten mit unteschiedlicher Lateralisation der Hirnschädigung; Befunde zur Konstruktvalidität.
Keine.
Anwendungsbereich Klinische Diagnostik, Forschung
Diagnostische Zielsetzung
Der BDT eignet sich als Screening zur Erfassung visuo-konstruktiver Leistungen im klinisch-neuropsychologischen Setting. Das Verfahren zielt darauf ab, kognitive Störungen bei Patienten mit zerebralen Schädigungen abzubilden. Da es sehr kurz und einfach gestaltet ist und ohne größeren technischen, Zeit- und Kostenaufwand durchgeführt werden kann, eignet es sich auch für bettlägerige, wenig belastbare und nur begrenzt untersuchungsfähige Patienten mit schweren kognitiven Störungen sowie unter Bedingungen eingeschränkter zeitlicher und materieller Ressourcen.
Aufbau
Zur Durchführung des BDT werden lediglich ein weißes DIN A4-Blatt und Schreibgerät benötigt. Die Standardinstruktion (z.B. Lezak, 1983; Diederich & Merten, 2009) lautet "Zeichnen Sie ein Fahrrad". Bleibt die freie Zeichnung unvollständig, kann die Testperson im Anschluss gefragt werden "Wie funktioniert es?"; etwaige Ergänzungen, welche die Person daraufhin vornimmt, sollen mit einem andersfarbigen Stift eingezeichnet werden. Eine ausführlichere Variante der Instruktion findet sich bei Greenberg, Rodriguez und Sesta (1994); sie verweist u.a. zusätzlich darauf, dass das Fahrrad ohne Fahrer zu zeichnen sei und dass die Zeichnung so gut wie möglich angefertigt werden solle. Ferner existiert eine "Kopierform" des BDT, in der - im Anschluss an die freie Zeichnung - eine vorgelegte Fahrradzeichnung möglichst präzise abgezeichnet werden soll (Hubley & Hamilton, 2002).
Die Auswertung der Zeichnungen erfolgt nach einem standardisierten Bewertungssystem; hierzu wurden in der einschlägigen Literatur verschiedene, unterschiedlich differenzierte Varianten präsentiert (z.B. Greenberg et al., 1994; Greenberg, 2010; Lebrun & Hoops, 1974; Lezak, 1983).
Der Kriterienkatalog von Lezak (1983), der von Diederich und Merten (2009) ins Deutsche übertragen und präzisiert wurde, umfasst 20 Items, die sich auf einzelne Merkmale der freien Zeichnungen beziehen (z.B. "3. Räder von ungefähr gleicher Größe", "9. Pedale sind hinten mit dem Rahmen verbunden"). Nach festgelegten Regeln werden für jedes vollständig korrekte gezeichnete Merkmal 1 Punkt, für jedes nicht oder fehlerhaft gezeichnete (z.B. falsch platzierte) Merkmal hingegen 0 Punkte vergeben. Bei zwei Kriterien ("12. Zwei Pedale" und "14. Getriebe [Kettenrad und Ritzel]") können auch 0.5 Punkte für teilweise richtige Lösungen angerechnet werden. Alle Kodierungen werden in dem Kriterienkatalog von Diederich und Merten (2009), der in deutscher und englischer Sprache vorliegt, an Beispielen veranschaulicht. Für die Kodierung steht ein ebenfalls zweisprachiger Bewertungsbogen zur Verfügung.
Die Punkte werden über alle 20 Items aufsummiert, sodass der Wertebereich des BDT von 0 bis 20 reicht. In einer Stichprobe von N = 200 erwachsenen Patienten einer neurologischen Akutklinik wurde im Mittel ein Wert von 9.0 Punkten (SD = 4.1) erzielt (Diederich & Merten, 2009). Gesunde erwachsene Probanden (20 bis 64 Jahre) erzielten dagegen in einer amerikanischen Studie Werte, die um etwa eine Standardabweichung höher lagen (gewichtetes Mittel: 13.40 Punkte; Nichols, 1980).
Grundlagen und Konstruktion
Das Verfahren geht zurück auf Arbeiten von Piaget (1930), der den Fahrrad-Zeichen-Test als Maß des höheren konzeptuellen Denkens interpretierte; "kognitive Reife" drücke sich bei Kindern (auch) im Verständnis mechanischer Funktionen aus. Nach Lezak (1983, 1995) erfasst der BDT die spezifischen kognitiven Funktionen "mechanisches Verständnis" und "visuokonstruktives Funktionsniveau". Das von ihr entwickelte Bewertungssystem mit 20 Items wurde im Rahmen einer Dissertation (Nichols, 1980) empirisch erprobt. Hierbei ergab sich eine hervorragende Urteilerübereinstimmung von r = .97 sowie eine Testwiederholungsreliabilität von rtt = .53 (n = 141, Retest-Intervall von drei bis fünf Wochen).
Im Zuge der Übertragung von Lezaks Bewertungsrichtlinien ins Deutsche wurden die Kriterien teilweise präzisiert und expliziert, um die Beurteilerübereinstimmung weiter zu erhöhen (Diederich & Merten, 2009). Mit dem überarbeiteten Kriterienkatalog wurden N = 200 Untersuchungsprotokolle retrospektiv ausgewertet, die im Zeitraum von Januar 2007 bis August 2008 an Patienten einer neurologischen Akutklinik (n = 129 Männer, n = 71 Frauen; Altersbereich: 16 bis 86 Jahre, M = 58.4, SD = 17.5) gewonnen worden waren, und der Katalog wurde nach Kriterien der Klassischen Testtheorie psychometrisch überprüft.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Alle Angaben zur Reliabilität und Validität entstammen der Publikation von Diederich und Merten (2009).
Reliabilität: Als Maß für die Urteilerübereinstimmung ergab sich an einer Stichprobe von n = 30 Protokollen, die jeweils von zwei Urteilern kodiert worden waren, eine sehr hohe Produkt-Moment-Korrelation von r = .95 zwischen den erzielten Gesamtpunktzahlen.
Die Testwiederholungsreliabilität bei einem Retest-Intervall von einem Tag betrug rtt = .58 (n = 30 Patienten), über ein Drei-Tages-Intervall lag sie bei rtt = .73 (n = 25 Patienten). Im Mittel nahmen die Testwerte vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt bedeutsam um 1.3 Punkte (SD = 3.0 Punkte) zu.
Validität: Der Test weist eine hohe Augenscheinvalidität und Alltagsnähe auf: Das zu zeichnende Objekt ist Testpersonen aus nahezu allen Kulturkreisen bekannt und der Zusammenhang zwischen visuokonstruktiven Fertigkeiten und der Zeichnungsqualität ist unmittelbar evident. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass in die BDT-Leistungen weitere kognitive und motorische Fähigkeiten eingehen. Dies betrifft insbesondere das technisch-konstruktive bzw. mechanische Verständnis; entsprechend erzielten Männer im Mittel höhere BDT-Punktwerte als Frauen (siehe auch Greenberg et al., 1994; Hubley & Hamilton, 2002). Die Korrelation mit dem Lebensalter der Patienten betrug r = -.32, was auf eine moderate Altersabhängigkeit der Testwerte verweist.
Patienten mit rein rechtshemisphärischen Läsionen (n = 36) wiesen im Mittel um 2.3 Punkte höhere BDT-Punktwerte auf als Patienten mit rein linkshemisphärischen Läsionen (n = 33).
Zur Prüfung der Konstruktvalidität wurden ferner Korrelationen des BDT mit zahlreichen standardisierten neuropsychologischen Untersuchungsverfahren ermittelt:
- Kognitive Screening-Verfahren (z.B. Mini-Mental Status Test, Subtests "Zahlenspanne" und "Blockspanne" aus der Wechsler Memory Scale-Revised);
- Lern- und Gedächtnistests (Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest; Recall- und Wiedererkennensmaße aus dem Rey Complex Figure Test and Recognition Trial);
- Maße für das Semantische Gedächtnis (Boston Naming Test, Kategorienflüssigkeit);
- Aufmerksamkeitstests (Subtests der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, Trail Making Test A);
- Maße der visuell-räumlichen Verarbeitung (Uhrenzeichentest, Visual Organisation Test, Mosaik-Test des Wechsler Intelligenztests für Erwachsene, Rey Complex Figure Test and Recognition Trial);
- Sprachtests (Wortschatz-Test);
- Indikatoren exekutiver Funktionen (Trail Making Test A, Figurale Flüssigkeit, Parameter aus Aufgaben zur Buchstaben- und Kategorienflüssigkeit).
Es fanden sich für die meisten Parameter statistisch bedeutsame Korrelationen mit dem BDT in mittlerer Größenordnung (r = .30 bis max. r = .58), was z.T. die generellen Zusammenhänge verschiedener kognitiver Funktionen bei neurologischen Patienten widerspiegelt. Zugleich verweisen die Befunde darauf, dass der BDT kein reines Maß für visuell-räumliche Fähigkeiten darstellt, sondern weitere kognitive Funktionen (z.B. Konzeptbildung) beansprucht. Mit Blick auf die konvergente Validität ist jedoch hervorzuheben, dass die Korrelationen mit weiteren Tests zur Messung visuell-analytischer bzw. visuell-konstruktiver Funktionen mit Werten von r > = .45 am höchsten ausfielen.
Eine weitere deskriptive Analyse von N = 760 Fahrradzeichnungen neurologischer Patienten ergab, dass die Zeichnungen überwiegend eine "Rechts-Links-Orientierung" (d.h. Sattel rechts, Lenker links) aufwiesen und zwar unabhängig von der Händigkeit der Patienten oder der Lateralisation der Hirnschädigung (Merten & Diederich, 2009). Die etwaige diagnostische Bedeutung dieses Befundes ist jedoch ungeklärt.
Normen: Es liegen keine statistischen Normen vor. Vergleichswerte für eine klinische Stichprobe von Frauen und Männern mit Hirnschädigungen unterschiedlicher Ätiologie können der Arbeit von Diederich und Merten (2009) entnommen werden.
Testkonzept
Items
Items können nicht wiedergegeben werden. Siehe Testbogen unter "Downloads".
Durchführung
Altersbereiche
Der Bicycle Drawing Test (BDT) kann grundsätzlich bei Kindern und Erwachsenen eingesetzt werden. Der vorliegende deutschsprachige Kriterienkatalog zur Auswertung (Diederich & Merten, 2009) wurde bislang nur an Zeichnungen von Erwachsenen psychometrisch überprüft. Möglichkeiten der Anwendung des BDT bei Kindern werden z.B. von Helveston et al. (1985) beschrieben.
Durchführungszeit
Die Durchführungszeit ist nicht begrenzt.
Bewertung
Der BDT stellt ein sehr einfaches und ökonomisches Screeningverfahren zur Prüfung visuell-konstruktiver Funktionen dar. Verglichen mit anderen zeichnerischen Aufgaben sind die Testanforderungen komplexer; dies mag für schwerer beeinträchtigte Patienten eine (zu) hohe Hürde darstellen, bei leistungsfähigeren Personen aber auf höhere Akzeptanz stoßen als einfache Aufgaben zum Abzeichnen oder der Uhrenzeichentest. In Verbindung mit einem empirisch überprüften Bewertungssystem besitzt das Verfahren nach Diederich und Merten (2009, S. 303) "ein gewisses Potenzial für die neuro- und entwicklungspsychologische Diagnostik". Erste Befunde dieser Autoren deuten auf eine sehr hohe Reliabilität und eine zumindest akzeptable Validität ihres Kriterienkatalogs hin. Ergänzende Analysen und eine Ausweitung der Befunde wären wünschenswert, z.B. eine Überprüfung der Konkordanz von Urteilern auf der Ebene einzelner Kriterien oder eine Auswertung von Protokollen aus klinischen vs. nicht-klinischen Stichproben zum Beleg der Sensitivität und Spezifität des BDT (v.a. in Gruppen jüngerer und hochaltriger Personen).
Erstmals publiziert in:
Diederich, C. & Merten, T. (2009). Fahrrad-Zeichen-Tests und ihr Einsatz in der neuropsychologischen Diagnostik. Zeitschrift für Neuropsychologie, 20 (4), 295-304. PSYNDEX Dok.-Nr. 0223606
Literatur
Diederich, C. & Merten, T. (2009). Fahrrad-Zeichen-Tests und ihr Einsatz in der neuropsychologischen Diagnostik. Zeitschrift für Neuropsychologie, 20 (4), 295-304. PSYNDEX Dok.-Nr. 0223606
Greenberg, G. D. (2010). The Bicycle Drawing Test. Scoring Manual. Westtown, PA: Professional Resources and Technologies. (Online verfügbar unter: http://prortco.com/PRT/Tests files/BDT%20manual.pdf; Datum des Abrufs: 21.12.2011)
Greenberg, G. D., Rodriguez, N. M. & Sesta, J. J. (1994). Revised scoring, reliability, and validity investigations of Piaget's Bicycle Drawing Test. Assessment, 1 (1), 89-101.
Helveston, E. M., Weber, J. C., Miller, K., Robertson, K., Hohberger, G., Estes, R., Ellis, F. D., Pick, N. & Helveston, B. H. (1985). Visual function and academic performance. American Journal of Ophthalmology, 99 (3), 346-355.
Hubley, A. M. & Hamilton, L. (2002). Using the Bicycle Drawing Test with adults. Poster presented at the 22nd Annual Meeting of the National Academy of Neuropsychology, Miami, Florida, USA, October 9-12, 2002.
Lebrun, Y. & Hoops, R. (1974). Intelligence and aphasia. Amsterdam: Swets & Zeitlinger.
Lezak, M. (1983). Neuropsychological assessment (2nd ed.). New York, NY: Oxford University Press.
Lezak, M. (1995). Neuropsychological assessment (3rd ed. pp. 584-585: Bicycle). New York, NY: Oxford University Press.
Merten, T. & Diederich, C. (2009). Bicycle Drawing Test: High rate of right-to-left drawings. Zeitschrift für Neuropsychologie, 20 (1), 85-86. PSYNDEX Dok.-Nr. 0215882
Nichols, M. L. (1980). A psychometric evaluation of the Bicycle Drawing Test and the establishment of preliminary norms. Unpublished doctoral dissertation, Portland State University.
Piaget, J. (1930). The child's conception of physical causality. New York, NY: Harcourt Brace.
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Dr. Thomas Merten, Vivantes Netzwerk für Gesundheit, Klinikum im Friedrichshain, Klinik für Neurologie, Landsberger Allee 49, D-10249 Berlin